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Intervallfasten

Weniger Gewicht, kaum Verzicht?

28.02.2018  11:22 Uhr

Von Nicole Schuster / In Intervallen zu fasten, soll zu einem ­gesünderen und längeren Leben führen. Das legen Tierversuche nahe. Wie gut es beim Menschen funktioniert, ist noch unklar.

Intervallfasten – also der auf bestimmte Zeitfenster beschränkte Verzicht auf feste Nahrungsmittel – ist derzeit en vogue. Es soll angeblich vor chronischen Krankheiten schützen und zu einem niedrigeren Blutdruck, besseren Blutzucker-, Cholesterol- und Entzündungswerten und mehr Wohlbefinden führen. 

 

Auch auf entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Multiple Sklerose, chronische Schmerzen, Demenz und sogar Krebs soll sich intermittierendes Diäten günstig auswirken. Anders als beim herkömm­lichen Heilfasten, bei dem die Teilnehmer tage- oder wochenlang auf feste Nahrung verzichten müssen, ist hier der Verzicht auf bestimmte Zeiträume begrenzt: Je nach Methode kann man entweder eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Tag beziehungsweise Tage pro Woche ganz oder weitgehend aufs Essen verzichten.

 

Relativ leicht fällt es, die Fastenphase in der Nacht auszudehnen und täglich etwa 10 bis maximal 20 Stunden auf Essen zu verzichten. Das ist gut umsetzbar, wenn beispielsweise ein frühes Abendessen eingenommen wird und die nächste Mahlzeit dann erst wieder das Mittagessen am Folgetag ist. In den verbleibenden Stunden kann praktisch gegessen werden, worauf die Teilzeitfastenden Lust haben. Hemmungsloses Überessen sollten sie aber vermeiden, wenn sie einen Gesundheitseffekt erzielen und Erfolge auf der Waage sehen wollen.

 

Fünf Tage satt essen

 

Für viele schwerer einzuhalten sind Konzepte, an denen ganze Tage lang aufs Essen verzichtet werden muss. Beim 5:2-Intervall-Fasten nach Dr. Michael Mosley nimmt man zwei Tage die Woche nicht mehr als 20 bis 25 Prozent des normalen Bedarfs zu sich, was bei Frauen bis zu 500 und bei Männern maximal 600 kcal entspricht. Die Speisen sollten möglichst arm an Kohlen­hydraten sein. Mosley empfiehlt Gemüse und Vollkorngetreide wie Naturreis oder Haferflocken sowie proteinreiche Lebensmittel und reichlich Flüssigkeit. Als Getränke eignen sich Wasser, Gemüsebrühe und ungesüßter Tee oder Kaffee ohne Milch und Zucker. Tabu sind hingegen Säfte, Softdrinks oder Kakao. Es ist empfehlenswert, die Fastentage nicht hintereinander zu legen, da sonst die Gefahr für Heißhungerattacken steigt. Bestenfalls sollten sie einem festen Rhythmus folgen, sodass etwa montags und donnerstags Askese angesagt ist. Die restlichen Tage darf ohne spezielle Einschränkungen gegessen werden.

 

Eine spezielle Variante der Zwei-­Tage-Diät, die die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Michelle Harvie entwickelt hat, gibt strengere Regeln vor. »Hier folgen die Diättage direkt aufeinander«, sagt Ökotrophologin Antje Gahl, Leiterin des Referats Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn. »Entscheidend ist aber, dass bei der Methode nach Harvie an den Esstagen mediterrane Kost auf dem Speiseplan stehen soll und an den Fastentagen Kohlenhydratarmes und Proteinreiches mit Fisch, Huhn, Ei, Milchprodukten, Obst, Gemüse und Tofu.« Bei der »Alternate Day Fasting«-Methode wechselt ein Fastentag mit einem Tag normalen Essens ab. An den Fastentagen sind etwa 25 Prozent der sonst üblichen Energiemenge erlaubt.

 

Das periodische Fasten soll nicht nur die Energieaufnahme reduzieren, sondern sich auch günstig auf den Stoffwechsel auswirken. Bei Versuchstieren wurde eine zeitweise reduzierte Nahrungsaufnahme mit einer gesenkten Krankheitsanfälligkeit und einem längeren Leben belohnt. Die Wissenschaftler erklären das damit, dass Fasten einer übermäßigen und anhaltenden Ausschüttung von Insulin entgegenwirkt. Wird ständig Nahrung zugeführt, wird auch ständig Insulin ausgeschüttet. Das überlastet auf Dauer die Bauchspeicheldrüse. Die Körperzellen werden zudem unempfindlicher gegenüber Insulin, es entsteht eine Insulinresistenz. Diese ­wiederum gilt als Vorstufe von Diabetes. Durch vorübergehenden Nahrungsverzicht sollen die Zellen wieder sensibler werden.

 

Positive Wirkung auf den Stoffwechsel

 

Intermittierendes Fasten soll aber nicht nur die Entstehung von Typ-2-Diabetes verhindern, sondern auch andere chronische Erkrankungen, etwa Bluthochdruck. Wenn diese Krankheiten bereits bestehen, soll sich zumindest deren Schwere mindern lassen. Außerdem ist eine Reduktion der Insulinausschüttung günstig, da das Hormon eine anabole Funktion hat und zudem die Fettverbrennung in der Leber blockiert. Ein Absenken des Insulinspiegels durch Fasten fördert die Fettverbrennung und wirkt einer Adipositas entgegen. Zudem soll Intervallfasten die Entzündungswerte verbessern und die Autophagie ankurbeln.

 

Die positiven Effekte haben Forscher an Nagetieren festgestellt und sie gehen davon aus, dass die Wirkungen aufgrund von Stoffwechselähnlichkeiten auch beim Menschen auftreten. »Es ist allerdings fraglich, inwiefern Ergebnisse aus Tierversuchen auf den Menschen übertragbar sind«, sagt Gahl. Humanstudien lägen bislang nur wenige vor und reichten nicht aus, um Empfehlungen auszusprechen. Zudem seien die Untersuchungen am Menschen inhomogen, da unterschiedliche Gruppen von Normalgewichtigen bis Adipösen betrachtet worden seien.

 

Ernährungsumstellung bleibt aus

 

Welche Methode am besten wirkt, ist ebenfalls noch unklar. So steht es nach heutigem Wissen jedem nach individuellen Vorlieben frei, sich für eine Form zu entscheiden. Gahl wendet allerdings ein, dass die Vorgaben für intermittierendes Fasten nicht zu einer Umstellung der Ernährung anregen, da sie keine oder nur vage Empfehlungen zur Lebensmittelauswahl enthalten. »An den Esstagen ist prinzipiell alles erlaubt. Das Ziel einer gesünderen und ausgewogenen Ernährung wird damit meistens nicht erreicht.« Zudem herrscht noch Unklarheit, ob und inwieweit das Teilzeitfasten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Stimmungsschwankungen mit sich bringt.

 

Die Expertin sieht jedoch auch Vorteile im Vergleich zum herkömmlichen, Tage oder Wochen andauernden Nahrungsverzicht. »Der Körper gerät nie in den Hungerstoffwechsel. In den kurzen Fastenzeiten baut er Glykogen aus der Leber ab, später greift er auf Fettreserven zurück. Die Muskelmasse bleibt erhalten.«

 

Prinzipiell ist das Intervallfasten für jeden und vermutlich auch auf Dauer geeignet. Einschränkungen sollten aber für Personengruppen wie Schwangere, Stillende, Typ-1-Diabetiker oder Menschen mit Essstörungen gelten. »Kinder sollten grundsätzlich keine Diät ohne Aufforderung durch den Arzt halten«, ergänzt Gahl. /

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