Pharmazeutische Zeitung online

Vier gewinnt

02.03.2016  09:04 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler, Kerstin A. Gräfe und Annette Mende /  Im Februar kamen vier neue Arzneistoffe auf den Markt. Darunter befinden sich ein Antiepileptikum, ein rekombinanter Faktor VIII zur Behandlung von erworbener Hämophilie sowie ein Antikörper gegen schweres Asthma. Der vierte Neuling ist ein Orphan Drug zur Prävention von Phototoxizität bei Patienten mit erythro­poetischer Protoporphyrie.

Die erythropoetische Protoporphyrie (EPP) ist eine seltene Erkrankung, die zu Intoleranz gegenüber Licht führen kann. Betroffene bilden infolge eines Gendefekts nicht genügend Ferrochelatase, ein Enzym, das bei der Häm-Synthese Eisen in Protoporphyrin einbaut. Dadurch reichert sich Protoporphyrin in Erythrozyten, Leber und Blutplasma an. Dieses nimmt bei Bestrahlung mit UVA- und sichtbarem Licht Energie auf und gibt sie später wieder ab.

In der Folge leiden Betroffene meist schon nach kurzem Aufenthalt in der Sonne an starken Schmerzen, Juckreiz und Brennen der Haut, teilweise begleitet von Rötung und Schwellung. Die Symptome können stunden- bis tagelang anhalten, sodass die Patienten versuchen, sich durch Kühlung mit Wasser oder Luft Linderung zu verschaffen. Normale Sonnenschutzcremes oder auch Fensterglas bieten keinen Schutz, da sie nicht die Wellenlängen herausfiltern, die die Kaskade in Gang setzen. Neben der Lichtdermatose sind eine Neigung zur Bildung von Gallensteinen sowie eine Leberschädigung Folgen des Protoporphyrin-Überschusses.

 

Mit Afamelanotid (Scenesse® 16 mg Implantat, Clinuvel) steht ab sofort ein neues Medikament zur Prävention von Phototoxizität bei erwachsenen Patienten mit EPP zur Verfügung. Das 1,7 cm lange Stäbchen mit einem Durchmesser von 1,5 mm wird Betroffenen alle zwei Monate von einem speziell geschulten und akkreditierten Arzt subkutan oberhalb des Beckenkamms implantiert. Je nach Dauer des erforderlichen Schutzes – beispielsweise vom Frühjahr bis zum Frühherbst – werden drei bis maximal vier Implantate pro Jahr empfohlen.

 

Stimulation der Pigmentbildung

 

Afamelanotid ist ein Strukturanalogon des α-Melanozyten-stimulierenden Hormons mit Bindungspräferenz für den Melanocortin-1-Rezeptor. 

Durch die Bindung an diesen Rezeptor stimuliert Afamelanotid die Bildung des schwarz-braunen Pigments Eumelanin, und zwar unabhängig von der Sonnenlichtexposition. Die verstärkte dunkle Pigmentierung der Haut erhöht die Breitbandabsorption von UV- und sichtbarem Licht. Gleichzeitig bindet Eumelanin freie Radikale und wirkt anti­oxidativ, was laut An­gaben des Herstellers ebenso einen Beitrag zum Lichtschutz leistet.

 

Die Informationen zu Scenesse sind aufgrund der Seltenheit der EPP noch lückenhaft, sodass die Zulassung »unter außergewöhnlichen Umständen« erfolgte. In Studien verlängerte die Anwendung von Afamelanotid die Zeit der direkten Sonnenexposition von Patienten mit EPP. Während des 180-tägigen Untersuchungszeitraums setzten sich mit Scenesse behandelte Patienten im arithmetischen Mittel 115,6 Stunden der Sonne aus, in der Placebogruppe betrug dieser Wert lediglich 60,6 Stunden.

 

 

 

Auf Krebsvorstufen achten

 

Bereits vorhandene pigmentierte Hautveränderungen können durch die Anwendung von Afamelanotid dunkler werden. Daher soll die Haut von Patienten unter der Therapie alle sechs Monate am ganzen Körper dahingehend untersucht werden. Werden Hautveränderungen festgestellt, die auf Hautkrebs oder dessen Vorstufen hindeuten, ist ein Dermatologe hinzuzuziehen. Bei Patienten mit entsprechender (familiärer) Vorbelastung ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Um das Hautkrebsrisiko möglichst niedrig zu halten, sollen Patienten während der Behandlung mit Afamelanotid ihre Routinemaßnahmen zum Sonnenschutz beibehalten.

 

Zum Sicherheitsprofil liegen Daten von 425 Patienten aus klinischen Studien vor. Darin waren Übelkeit (bei 19 Prozent der Patienten), Kopfschmerzen (20 Prozent) und Verfärbungen, Hämatome oder andere Reaktionen an der Implantatstelle (21 Prozent) die häufigsten Nebenwirkungen. Da auch von Schläfrigkeit, Müdigkeit und Schwindel unter Afamelanotid berichtetet wurde, sollten davon betroffenen Patienten insbesondere innerhalb von 72 Stunden nach der Implantation weder Auto­fahren noch gefährliche Maschinen bedienen.

 

Für Kinder nicht empfohlen

 

Nicht untersucht wurde Afamelanotid bisher bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Älteren. Bei Kindern und Jugendlichen wird die Anwendung nicht empfohlen, bei über-70-jährigen Patienten sollte sie nicht erfolgen. Falls doch, müssen Ältere nach jeder Implantation überwacht werden. Dasselbe gilt für Patienten mit klinisch bedeutsamen chronischen Erkrankungen.

 

Gegenanzeigen sind Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen sonstigen Bestandteil des Arzneimittels, schwere Leber­erkrankung sowie Leber- und Nieren­insuffizienz. Während Schwangerschaft und Stillzeit sollte Scenesse nicht angewendet werden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung und in den drei Monaten danach wirksam ver­hüten. Das Präparat ist bei 2 bis 8 °C im Kühlschrank zu lagern.

 

--> vorläufige Bewertung: Sprunginnovation

 

<typohead type="1">Brivaracetam

Mit Brivaracetam (Briviact® 10, 25, 50, 75 und 100 mg Filmtabletten; 10 mg/ml Lösung zum Einnehmen und 10 mg/ml Injektions-/Infusionslösung, UCB Pharma) ist ein neues Antiepileptikum auf den Markt gekommen. 

Angewendet werden darf es zur Zusatzbehandlung fokaler Anfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 16 Jahren mit Epilepsie. Fokale Anfälle sind im Gegensatz zu generalisierten Anfällen auf bestimmte Teile des Gehirns beschränkt. Eine sekundäre Generalisierung liegt vor, wenn die übermäßige elektrische Aktivität im Verlauf eines fokalen Anfalls auf das ganze Gehirn übergreift.

Brivaracetam ist wie Levetiracetam ein Ligand von SV2A, einem integralen Membranprotein, das in allen synaptischen Vesikeln vorkommt und verschiedene Funktionen bei der Regula­tion der Neurotransmitterfreisetzung erfüllt. Der neue Arzneistoff bindet selektiv und mit einer etwa zehnfach höheren Affinität als Levetiracetam an SV2A. Diese Bindung gilt als primärer Wirkmechanismus für den antikonvulsiven Effekt. Der genaue Wirkmechanismus ist nicht bekannt.

 

Brivaracetam steht in drei Formulierungen – als Filmtablette, Lösung zum Einnehmen und intravenöse Lösung – zur Verfügung. Die Einnahme der Filmtabletten kann unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen. Die parenteral applizierbare Form wird unter anderem für Notfälle, auf der Intensivstation und bei Patienten, die sich einer OP unterziehen müssen, benötigt.

 

Keine Dosistitration

 

Brivaracetam kann ohne Dosistitration verabreicht werden, das heißt, der Patient erhält ab dem ersten Tag eine therapeutische Dosis. Für die Betroffenen hat dies den Vorteil, dass sich die für sie oft schwierige Wartezeit bis zur optimalen Zieldosis verkürzt. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt entweder 25 oder 50 mg Wirkstoff zweimal täglich, je nach Zustand des Patienten. Danach kann die Dosis entsprechend den Patienten-Bedürfnissen auf bis zu 100 mg zweimal täglich erhöht werden. Sie sollte generell auf zwei gleich große Dosen am Morgen und am Abend aufgeteilt werden. Vergisst der Patient die Einnahme, sollte er sie nachholen, sobald er es bemerkt hat. Die darauffolgende Dosis sollte dann zur gewohnten Zeit morgens oder abends eingenommen werden. Damit soll vermieden werden, dass die Briviact-Konzentration unter den wirksamen Plasmaspiegel fällt und Durchbruchanfälle auftreten.

Ausschleichend absetzen

 

Falls Brivaracetam abgesetzt werden muss, sollte das ausschleichend erfolgen. Dazu wird die Tagesdosis wöchentlich um 50 mg verringert. Nach einer Woche Behandlung mit 50 mg pro Tag wird eine letzte Woche mit einer täglichen Dosis von 20 mg empfohlen. Nicht empfohlen wird die Gabe für Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz. Da in den Studien bei Patienten mit chronischer Leber­erkrankung erhöhte Brivaracetam- Werte beobachtet wurden, sollte bei ihnen mit der niedrigeren Anfangsdosis von 50 mg pro Tag begonnen werden. Bei allen Stadien der Leberinsuffizienz wird eine maximale Tagesdosis von 150 mg empfohlen. Da die Filmtabletten Lactose enthalten, sollten Patienten mit der seltenen hereditären Galac­tose-Intoleranz, Lactase-Mangel oder Glucose-Galactose-Mal­absorption sie nicht einnehmen.

 

Wie unter anderen Antiepileptika wurde auch unter Briviact ein leicht erhöhtes Risiko für Suizidgedanken und -verhalten festgestellt. Die Patienten sollten auf dahingehende Anzeichen beobachtet werden. Die gleichzeitige Einnahme von Brivaracetam und Alkohol wird nicht empfohlen.

Briviact besitzt ein eher niedriges Wechselwirkungspotenzial. Der Haupt­abbau-Weg ist die CYP-unabhängige Hydrolyse. Ein zweiter Abbau-Weg beinhaltet zwar eine CYP2C19-vermittelte Hydroxylierung, jedoch wird das Risiko für diesbezügliche klinisch relevante Interaktionen als gering eingestuft. Dennoch sollte bei gleichzeitiger Anwendung von starken Enzyminduktoren wie Rifampicin und Johanniskraut eine Brivaracetam-Dosisanpassung in Erwägung gezogen werden. Klinisch relevante Wechselwirkungen mit anderen Antiepileptika sind nicht bekannt. Gleiches gilt für orale Kontrazeptiva.

 

Anfallshäufigkeit reduziert

 

Aus Vorsichtsgründen sollte Brivar­acetam bei Schwangeren nicht angewendet werden, es sei denn, dies ist klinisch erforderlich. Es ist nicht bekannt, ob der neue Arzneistoff beim Menschen in die Muttermilch übergeht. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob das Stillen zu unterbrechen oder ob die Behandlung zu beenden ist.

 

Die Zulassung basiert auf den gepoolten Daten dreier Phase-III-Studien (NO1252, NO1253 und NO1358). Insgesamt waren an dem klinischen Entwicklungsprogramm mehr als 3000 Probanden beteiligt. Als primäre Endpunkte waren die prozentuale Reduktion der Häufigkeit fokaler Anfälle im Vergleich zu Placebo sowie die 50-prozentige Responderrate definiert, das heißt, der Anteil der Patienten mit einer Reduktion der Anfälle um ≥ 50 Prozent von Studienbeginn bis Therapieende. Für alle drei Fixdosen 50 mg, 100 mg und 200 mg Briviact ergaben sich im Vergleich zu Placebo signifikant höhere Responderraten. So konnte zum Beispiel unter 100 mg Brivar­acetam täglich bei 39,5 Prozent der Patienten eine Anfallsreduktion um ≥ 50 Prozent erreicht werden, in der Placebogruppe betrug diese Quote 20,3 Prozent. Anfallsfreiheit erreichten 5 Prozent der mit 100 mg täglich behandelten Patienten (Placebo: 0,5 Prozent).

 

Zu den sehr häufigen Nebenwirkungen zählten Schläfrigkeit (14,3 Prozent) und Schwindel (11 Prozent). Diese waren in der Regel leicht bis mäßig ausprägt. Dennoch sollte den Patienten geraten werden, nicht aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen oder möglicherweise gefährliche Maschinen zu bedienen, bis sie sich mit der Wirkung von Brivar­acetam vertraut gemacht haben. Als häufige unerwünschte Wirkungen traten verminderter Appetit, Infektionen der oberen Atemwege, Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung sowie Depression, Angst und Reizbarkeit auf.

 

--> vorläufige Bewertung: Analogpräparat


Mepolizumab

Mit Mepolizumab (Nucala® 100 mg, Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung, Glaxo-Smith-Kline) kam Anfang Februar ein neues Arzneimittel für Patienten mit schwerem Asthma auf den Markt. Der humanisierte monoklonale Antikörper blockiert das Zytokin Interleukin-5 (IL-5) und drängt so eine eosinophile Entzündung zurück.

 

Mepolizumab ist als Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten indiziert, die neben einem schweren therapie­-refraktären Asthma eine eosinophile Entzündung der Atemwege haben. Das Medikament dient zur Langzeitbehandlung, nicht zur Behandlung akuter Exazerba­tionen.

 

Die empfohlene Dosis beträgt 100 mg Mepolizumab alle vier Wochen sub­kutan. Das Pulver muss vor der Anwendung rekonstituiert werden; die Lösung sollte sofort in Oberarm, Oberschenkel oder Bauchdecke injiziert werden. Dies darf nur medizinisches Fachpersonal machen.

 

Blockade von Interleukin 5

 

Der Antikörper bindet mit hoher Affinität und Spezifität an humanes IL-5. Dieses Zytokin wird von verschiedenen Immunzellen wie Mastzellen und CD4-positiven T-Helferzellen vom Typ 2 produziert und spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Asthma. Es hat eine zentrale Funktion für Wachstum, Differenzierung, Rekrutierung, Aktivierung und Überleben von eosinophilen Granulozyten. Eine IL-5-Überproduk­tion führt zu einem Anstieg der Eosinophilen in der Lunge und im Blut. Zudem ist IL-5 an der Wanderung von Eosinophilen aus den Knochen in die Lunge beteiligt.

Mepolizumab hemmt die Bioaktivität von IL-5, indem es dessen Bindung an die α-Kette des IL-5-Rezeptor­komplexes auf der Zelloberfläche der eosinophilen Granulozyten blockiert. Dadurch werden die IL-5-Signaltransduktion gehemmt und die Produktion und das Überleben der Eosinophilen gebremst.

 

Die Wirksamkeit von Mepolizumab bei Patienten mit schwerem, refrak­tärem, eosinophilem Asthma wurde in drei randomisierten doppelblinden Pa­rallelgruppenstudien über 24 bis 52 Wochen untersucht. Alle Patienten hatten trotz Standardtherapie, die hoch dosierte inhalative Corticostero­ide plus Erhaltungstherapie(n) umfasste, ein unkontrolliertes Asthma (mindestens zwei schwere Exazerbationen in den vergangenen zwölf Monaten) oder mussten syste­mische Steroide einnehmen. Die mög­lichen Erhaltungstherapien waren umfangreich: lang wirksame β2-Agonisten (LABA) oder Muskarin-Rezeptor-Anta­gonisten (LAMA), Leukotrien-Rezeptorant­agonisten, Theophyllin und orale Corticosteroide. Für Kinder und Jugendliche von zwölf bis 18 Jahren liegen nur wenige Daten vor.

 

In der Studie MEA112997 erhielten 616 Patienten über 52 Wochen lang 75 mg, 250 mg oder 750 mg Mepolizumab intravenös oder Placebo. Unter Verum ging die Rate an Asthma-Exazerbationen signifikant zurück (Exazerbationen/Jahr in der 75-mg-Gruppe: 1,24, in der 250-mg-Gruppe: 1,46, in der 750-mg-Gruppe: 1,15; unter Placebo: 2,4; dies entspricht einer prozentualen Reduktion gegenüber Placebo von 48, 39 und 52 Prozent).

Kommentar

Von allem etwas

Bei etwa 60 Prozent der Patienten mit schwerem Asthma lässt sich ein eosinophiles Entzündungsmuster der Atemwege nachweisen. Eosinophile werden primär über das Zytokin Interleukin-5 (IL-5) reguliert. Mit Mepolizumab gibt es nun die erste gezielte Anti-IL-5-Therapie für Patienten mit dieser schweren Form des Asthmas. Deshalb ist der Antikörper als Sprung­innovation einzuordnen. Positiv ist ferner, dass Mepolizumab die personalisierte Medizin vorantreibt. Denn nur die Bestimmung der Blut-Eosinophilie ermöglicht die Identifizierung von Patienten, die von einer zielgerichteten Therapie mit dem IL-5-Antikörper profitieren können.

 

Die seltene Erbkrankheit erythropoetische Protoporphyrie kann bisher nicht geheilt werden. Wichtigste Maßnahme, um schmerzhafte Reaktionen an der Haut zu vermeiden, ist und bleibt die weitgehende Vermeidung von Sonnenlicht. Mit Afamelanotid gibt es nun einen Therapieansatz zur Anregung der Hautbräunung. Der Wirkstoff führt zur Pigmentierung. Das verhindert zwar nicht vollständig, dass Hautsymptome auftreten, verlängert aber die Zeit, in der sich die Patienten an der Sonne aufhalten können. Das bedeutet für diese einen großen Gewinn an Lebensqualität, weshalb auch Afamelanotid eine Sprunginnovation darstellt.

 

Die erworbene Hämophilie A ist sehr selten, aber gefürchtet. Denn oft kommt es durch die spontane Bildung von Antikörpern gegen den körpereigenen Gerinnungsfaktor VIII zu plötzlichen, schweren und lebensbedrohlichen Blutungen. Susoctocog alpha ist ein rekombinanter porciner Faktor VIII, der beim Menschen aktiv ist und damit spezifisch für die Behandlung von Blutungen bei Betroffenen zum Einsatz kommen kann. Susoctocog alpha ergänzt die verfügbaren Therapiemethoden wie rekombinanter Faktor VIIa oder aktivierter Prothrombin-Komplex und ist damit eine Schrittinnovation.

 

Das neue Antiepileptikum Brivaracetam stellt eine Weiterentwicklung von Levetiracetam dar. Der Wirkmechanismus der beiden Substanzen ähnelt sich. Allerdings besitzt der Neuling eine zehnfach höhere Affinität für das synaptische Vesikelprotein SV2A, welches verschiedene Funktionen bei der Regulation der Neurotransmitter-Freisetzung übernimmt. Das könnte bedeuten, dass Brivar­acetam das Potenzial zu einer Schrittinnovation hat. Bislang fehlen aber Vergleichsstudien mit Levetiracetam, die zeigen, dass sich dieser Unterschied bei der Rezeptoraffinität auch in einer besseren Wirksamkeit niederschlägt. Daher lautet die vorläufige Einstufung von Brivaracetam Analogpräparat.

 

Sven Siebenand

stellvertretender Chefredakteur

Weniger Exazerbationen

 

In der Studie MEA115588 wurde Mepolizumab als Zusatztherapie bei 576 Patienten mit einer Eosinophilenzahl im peripheren Blut von mindestens 150 Zellen/µl zu Therapiebeginn oder mindestens 300/µl in den letzten zwölf Monaten untersucht. Sie erhielten über 32 Wochen alle vier Wochen Mepolizumab 100 mg subkutan oder 75 mg intravenös oder Placebo. Klinisch bedeutsame Asthma-Exazerbationen waren unter Mepolizumab im Vergleich zu Placebo signifikant seltener. So lag die Exazerbationsrate/Jahr unter Mepolizumab bei 0,83 und unter Placebo bei 1,74; das entspricht einer prozentualen Reduktion um 53 Prozent.

 

Die Dauertherapie mit oralen Cortico­steroiden zu reduzieren, ohne die Asthmakontrolle zu verlieren, war Ziel der Studie MEA115575 mit 135 Patienten. Signifikant mehr Patienten unter Mepolizumab (100 mg subkutan) als unter Placebo konnten die tägliche Steroideinnahme deutlich reduzieren. Bei 36 Prozent der Patienten im Mepolizumab-Arm (56 Prozent unter Placebo) gelang dies jedoch nicht oder sie brachen die Studie ab.

 

Systemische Reaktionen

 

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Reaktionen an der Injektionsstelle und Rückenschmerzen. Nach der Injektion kam es auch zu akuten oder verzögerten systemischen Reaktionen einschließlich Überempfindlichkeitsreaktionen wie Urtikaria, Angioödem, Hautausschlag, Bronchospasmus oder Hypotonie. Bei 6 Prozent der Patienten, die mindestens einmal Mepolizumab erhalten hatten, bildeten sich Antikörper gegen das Medikament. Ein Patient bildete neutralisierende Antikörper.

 

Es gab keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen. Patienten mit Wurminfektionen (Helminthen) sollten vor Therapiebeginn behandelt werden, da Eosinophile an der Immunantwort auf manche Helminthen beteiligt sind. Während der Schwangerschaft sollte Mepolizumab sicherheitshalber nicht gegeben werden. Daten zur Fertilität beim Menschen liegen nicht vor.

 

--> vorläufige Bewertung: Sprunginnovation

 

<typohead type="1">Susoctocog alfa

Die erworbene Hämophilie ist eine seltene Gerinnungsstörung, die zu einer erhöhten Blutungsneigung bei den Betroffenen führt. Anders als bei angeborener Hämophilie sind die Gene, die für die Blutgerinnungsfaktoren codieren, bei erworbener Hämophilie zwar intakt. Einzelne Faktoren sind aber dennoch nur eingeschränkt bis gar nicht wirksam, weil der Patient neutralisierende Autoantikörper dagegen bildet.

 

Für Erwachsene mit erworbener Hämophilie, die durch Antikörper gegen den Faktor VIII verursacht wird, steht ab sofort ein neues Medikament zur Verfügung: Susoctocog alfa (Obizur® 500 E Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung, Baxalta). Es handelt sich um einen rekombinanten Faktor VIII mit porciner, also vom Schwein stammender, Sequenz ohne die funktionslose B-Domäne. Das Präparat ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C zu lagern. Susoctocog alfa kann bei Betroffenen Blutungen stoppen, weil Antikörper gegen mensch­lichen Faktor VIII keine bis lediglich minimale Kreuzreaktion zeigen.

 

Obizur dient zur Behandlung von Blutungsepisoden. Die Anwendung darf ausschließlich im Krankenhaus und unter Überwachung des Blutungszustands des Patienten erfolgen. Dosis, Häufigkeit und Dauer der Therapie richten sich nach Ort, Ausmaß und Schweregrad der Blutung. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 200 E pro kg Körpergewicht, was bei einem 70 kg schweren Patienten 28 Durchstechflaschen entspricht. Die Lösung soll unmittelbar bis spätestens drei Stunden nach der Rekonstitution intravenös verabreicht werden.

 

Allergische Überempfindlichkeits­reaktionen auf das Arzneimittel sind möglich. In diesem Fall sollen die Behandlung sofort abgebrochen und geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Susoctocog alfa wird mittels rekombinanter DNA-Technologie in Nierenzellen von Babyhamstern hergestellt und enthält Spuren von Hamsterproteinen. Bekannte anaphylaktische Reaktionen gegen den Wirkstoff, Hamsterprotein oder einen sonstigen Bestandteil stellen daher Gegenanzeigen dar.

Patienten mit Autoantikörpern gegen den menschlichen Faktor VIII entwickeln häufig auch gegen den por­cinen Faktor VIII hemmende Antikörper. Das muss jedoch nicht gegen den Einsatz von Susoctocog alfa sprechen, insbesondere dann nicht, wenn der Titer niedrig ist. In Studien sprachen Patienten trotz vorhandener Antikörper positiv auf Obizur an. Die Fachinformation empfiehlt deshalb, die Behandlung von der klinischen Beurteilung und nicht von einem Antikörper-Nachweis abhängig zu machen.

 

Basis der Zulassung bildet eine pro­spektive, nicht randomisierte, offene Studie mit 28 Teilnehmern mit lebensbedrohlichen Blutungen. Sämtliche Blutungsepisoden konnten durch Susoc­tocog alfa innerhalb von 24 Stunden gestoppt oder verringert werden, zudem stieg die Faktor-VIII-Aktivität über einen vorher festgelegten Wert. Konnte Obizur dann abgesetzt oder die Dosis beziehungsweise die Anwendungshäufigkeit reduziert werden, wurde das als Erfolg der Behandlung gewertet. Dieser stellte sich bei 16 von 17 zuvor unbehandelten Patienten ein (94 Prozent). Bei den elf Patienten, die zuvor andere Antihämorrhagika wie rFVIII, aktiviertes Prothrombinkomplex-Konzentrat oder Tranexamsäure erhalten hatten, war die Behandlung mit Susoctocog alfa in 73 Prozent (acht Patienten) erfolgreich.

 

Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung sind die Informationen zu Obizur unvollständig. So gibt es etwa keine Erfahrungswerte zur Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit, weshalb Obizur bei betroffenen Frauen nur angewendet werden darf, wenn es unbedingt indiziert ist. Wissend um diese Informationsdefizite hat die Europäische Arzneimittelagentur Obizur »unter außergewöhnlichen Umständen« zugelassen. Sie wird alle neuen Informationen zu dem Medikament jährlich bewerten und gegebenenfalls die Fach- und Gebrauchsinformationen ergänzen. /

 

--> vorläufige Bewertung: Schrittinnovation

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