Jeder leidet anders |
01.03.2016 14:52 Uhr |
Von Christiane Berg, Hamburg / Der Umgang mit Schmerzen ist nicht nur individuell, sondern auch international unterschiedlich geprägt. Das ist das Ergebnis einer Befragung in 14 Ländern zur Erfassung des »Global Pain Index« (GPI).
Die Vielfalt von Ursachen, Diagnosen, Verläufen und Prognosen macht multimodale Therapiekonzepte erforderlich. So lautete das Resümee einer Pressekonferenz von Glaxo-Smith-Kline kürzlich in Hamburg. Vorgestellt wurden die Ergebnisse einer internationalen GSK-Umfrage an circa 7000 Personen über 18 Jahre in 14 Ländern zur Erfassung des GPI von November 2014 bis Januar 2015. In Deutschland wurden 541 Personen interviewt.
Lebensqualität beeinträchtigt
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Demnach leiden 59 Prozent mindestens einmal wöchentlich unter Schmerzen und hier insbesondere unter Rückenschmerz. Davon bezeichnet jeder fünfte Betroffene (20 Prozent) diesen Schmerz als schwer. Ob Gelenk-, Muskel- oder Nervenschmerzen: »Besonders beunruhigend ist, dass 78 Prozent über eine deutliche Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität mit starken negativen Auswirkungen auf das Familien-, Berufs- und Sozialleben berichten«, sagte Dr. Ariane Burtscher vom Zentrum für Schmerztherapie an der Schön-Klinik Harthausen in Bad Aibling.
»Jeder Patient leidet anders«. Burtscher betonte, dass bio-psycho-soziale Zusammenhänge bei der Entstehung von Schmerzen multimodale Therapiekonzepte in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Schmerztherapeuten, Orthopäden, Neurologen, Ergo-, Physio- und Psychotherapeuten erforderlich machen. Gegebenenfalls könne bei akutem Schmerz der recht- und frühzeitige Einsatz von Analgetika und hier nicht steroidaler Antirheumatika wie Diclofenac und Ibuprofen notwendig werden, um einer Chronifizierung sowie Entstehung und Ausdehnung des Schmerzgedächtnisses entgegenzusteuern.
Die Referentin unterstrich, dass Schmerzen in Kenntnis psychosomatischer Zusammenhänge, also Ursachen und Folgen des Krankheitsgeschehens, besser bewältigt werden. Der professionellen Aufklärung, Beratung und Information der Patienten müsse daher besondere Bedeutung zugemessen werden. Auch lohne es sich für den Patienten, »in Bewegung zu kommen«. Körperliche Aktivitäten, so Burtscher, zeigen nicht nur antidepressive, sondern auch analgetische Effekte und könnten die Lebensqualität somit deutlich steigern. Der Einsatz von Analgetika könne sinnvoll sein, um Schmerzpatienten aus der Schonhaltung heraus zu bringen und den Einstieg in Training und Fitnessübungen überhaupt erst zu ermöglichen.
Der Umgang mit Schmerzen ist laut GPI nicht nur individuell, sondern auch weltweit von Land zu Land verschiedenartig. So werde zum Beispiel in Deutschland über Schmerzen nicht viel gesprochen. Dennoch nähmen 64 Prozent der Betroffenen ihre Schmerzen sehr ernst (weltweit: 53 Prozent) und interpretierten sie als Warnsignal und »Nachricht des Körpers an den Kopf«. Mit 95 Prozent suche die große Mehrheit der Schmerzbetroffenen professionelle Hilfe. In China, so der GPI-Index, seien die Menschen mit Blick auf Schmerz am mitteilsamsten: 71 Prozent sprächen darüber. In Russland, Polen und Großbritannien hingegen zögen es die Betroffenen vor, über ihr Leid zu schweigen. /