Mit Gasmaske in die Disco |
26.02.2007 11:56 Uhr |
Mit Gasmaske in die Disco
Von Christina Hohmann
In vielen Discotheken und Kneipen kommen Feinstaub-Konzentrationen vor, die, wenn sie im Straßenverkehr aufträten, zu sofortigem Fahrverbot führen würden. Zusammen mit weiteren Bestandteilen des Tabakrauchs bedroht der Feinstaub die Gesundheit der Gäste und Mitarbeiter.
In Deutschland sind 8,5 Millionen Nichtraucher an ihrem Arbeitsplatz unfreiwillig Tabakrauch ausgesetzt. Vor allem die eine Million Beschäftigte in der Gastronomie atmen Abend für Abend hohe Schadstoffkonzentrationen ein. Dies beweist eine aktuelle Studie des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (www.lgl.bayern.de). Die beteiligten Wissenschaftler maßen in der Hauptbetriebszeit über einen Zeitraum von vier Stunden die Belastung der Raumluft in 28 Betrieben im Großraum München und Augsburg. Die elf Restaurants, sieben Kneipen und zehn Discotheken verfügten alle über Lüftungssysteme. Die Belastungen waren dennoch enorm hoch: In einzelnen Tanzclubs maßen die Forscher bis zu 6000 µg/m3 Feinstaub. Im Durchschnitt betrugen die Werte für Discotheken 808 µg/m3, für Kneipen 220 µg/m3 und für Restaurants 200 µg/m3 Feinstaub. Wie hoch diese Konzentrationen sind, zeigt der Vergleich zu dem im Straßenverkehr zugelassenen Höchstwert: Hier werden ab einem Partikelgehalt von 50 µg pro Kubikmeter Luft Fahrverbote diskutiert. In Discotheken atmet man etwa die 16-fache Konzentration ein.
Die Wissenschaftler maßen außerdem noch weitere Bestandteile der Raumluft, so zum Beispiel das ebenfalls im Tabakrauch enthaltene krebserregende Benzol. Die Luft in Restaurants und Kneipen enthielt im Mittel 8 bis 9 µg/m3 und in Discotheken 20 µg/m3 Benzol. In einer Kneipe wurde das Maximum von 64 µg/m3 erreicht. Der durchschnittliche Wert in einer Nichtraucherwohnung liegt dagegen bei etwa 3 µg/m3.
Auch von Cadmium fanden die Wissenschaftler hohe Konzentrationen in den untersuchten Betrieben: So wies die Luft in Restaurants durchschnittlich 2,6 ng/m3, in Kneipen 3,7 ng/m3 und in Discotheken 9,7 ng/m3 des krebserzeugenden Schwermetalls auf. Üblicherweise liegt die Cadmium-Konzentration in der Außenluft zwischen 0,05 und 0,3 ng/m3.
Von den als wahrscheinlich krebserregend eingestuften polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen maßen die Forscher ebenfalls hohe Konzentrationen. Im Mittel betrugen diese 215 ng/m3 in Restaurants, 260 ng/m3 in Kneipen und 375 ng/m3 in Discotheken. Nichtraucherwohnungen weisen dagegen Werte von unter 5 ng pro Kubikmeter Luft auf.
Auffällig war, dass die Mengen der tabakrauchspezifischen Substanzen Nikotin und 3-Ethenylpyridin stark mit den gemessenen Schadstoff-Konzentrationen korrelierten, sodass anzunehmen ist, dass die toxischen beziehungsweise krebserregenden Substanzen hauptsächlich aus dem Zigarettenrauch stammen.
»Bei einer derart hohen Belastung der Luft ist für die Mitarbeiter in Discos das Risiko für Krebs-, Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht«, sagte Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum gegenüber der »Bild am Sonntag«. »Zum Schutz ihrer Gesundheit müssten Bedienungen dort eigentlich mit Gasmaske und Schutzanzug arbeiten.« Ergänzend erklärte Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer: »Kein Industriebetrieb könnte es sich leisten, seine Mitarbeiter ungeschützt solchen Schadstoff-Konzentrationen auszusetzen«.
Feinstaub im Qualm
Nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern auch Raucher produzieren Feinstaub. Dessen Gefahren sind bekannt: Die Wirkungen reichen von vorübergehenden Atemwegsbeschwerden, über Asthma und ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko bis hin zu einer erhöhten Sterblichkeit durch Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Problemen. Die Schädlichkeit hängt dabei von der Größe der Schwebeteilchen ab. Je kleiner die Staubpartikel sind, desto tiefer können sie in die Atemwege eindringen. Teilchen mit einem Durchmesser von über 10 µm gelangen nicht weiter als bis zum Kehlkopf. Der sogenannte inhalierbare Schwebestaub mit einem Durchmesser unter 10 µm (PM10) erreicht dagegen die Bronchien, wo er als Fremdstoff Entzündungen verursachen kann. Die schädlichste Komponente des Feinstaubs ist vermutlich der lungengängige Staub mit Teilchendurchmessern unter 2,5 µm (PM2,5), der bis in die Lungenbläschen gelangt. Der ultrafeine Staub (unter 0,1 µm) dringt bis tief in die Atemwege vor und kann in den Alveolen auch in das Blutsystem übertreten. In Tierversuchen fanden sich ultrafeine Staubteilchen in der Leber, im Herz und sogar im Gehirn der Tiere. Die gesundheitliche Wirkung des ultrafeinen Staubs ist bislang schlecht untersucht.
Die durch den abgelagerten Feinstaub verursachten Entzündungen beeinträchtigen aber nicht nur die Atemwege und erhöhen das Risiko für Lungenkrebs, sondern schädigen wegen der engen Verbindung der Atmung mit dem Blutsystem im Bereich der Lungenbläschen auch das Herz-Kreislauf-System. Herzinfarkte können die Folge sein.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass pro 10 µg/m3 PM2,5-Feinstaub sich die Lebenserwartung der gesamten Bevölkerung um etwa acht Monate verkürzt. Einer EU-Studie zufolge sterben allein in Deutschland jährlich 65.000 Menschen an den Folgen der Feinstaubbelastung.
Während sich Besucher von Kneipen und Discotheken den Schadstoffbelastungen nur kurz aussetzen, muss das Personal sie über mehrere Stunden täglich einatmen. Dies soll nun ein Ende haben. Die Gesundheitsminister des Bundes und der Länder haben sich auf ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie geeinigt. Die endgültige Entscheidung wollen die Ministerpräsidenten im März treffen. Die Fachminister räumten Gastwirten allerdings die Möglichkeit ein, getrennte Raucherzimmer einzurichten. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wollen zudem einen Sonderweg einschlagen und einzelnen Gastwirten erlauben, ihre Lokale als reine Rauchergaststätten zu führen. Diese müssen dann mit einem »R« gekennzeichnet sein. Der Kompromiss mit den abgetrennten Raucherzimmern sei »inkonsequent und unbefriedigend«, sagte Hoppe dem »Tagesspiegel«. Auf diese Weise werde Mitarbeitern in Cafés und Restaurants weiterhin ein rauchfreier Arbeitsplatz verwehrt. Doch auch Beschäftigte in der Gastronomie hätten das Recht, vor hochgradig krebserregenden Schadstoffen geschützt zu sein, sagte der Bundesärztekammer-Präsident.