Seehofer will mehr Kompetenzen |
28.02.2006 17:20 Uhr |
Seehofer will mehr Kompetenzen
dpa/PZ Nach anfänglichen Pannen im Umgang mit der Vogelgrippe ist ein heftiger Streit um die Zuständigkeiten von Bund und Ländern ausgebrochen. In Deutschland ist Katastrophenschutz Angelegenheit der Länder und Landkreise. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) prüft nun eine größere Zuständigkeit des Bundes.
Die Koordinierung müsste schnell und reibungslos verlaufen, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Das Agrarministerium untersucht nach eigenen Angaben, wie das Krisenmanagement verbessert werden kann, ohne in die Kompetenz der Länder einzugreifen. Seehofer stieß auf Kritik in mehreren Ländern. SPD und Grüne unterstützten ihn.
Die agrarpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Waltraud Wolff, hält eine Bundeszuständigkeit des Katastrophenschutzes in Krisen für sinnvoll. »Ich kann das nur unterstützen.« Der CDU-Innenexperte Thomas Strobl hatte ebenfalls eine Neuorganisation des Katastrophenschutzes gefordert. Die Vorsitzende des Bundestags-Agrarausschusses, Bärbel Höhn (Grüne), sprach sich für eine Federführung des Bundes bei Krisen aus. »Der Bund muss an diesem Punkt ein Durchgriffs- und Weisungsrecht haben«, sagte sie der dpa. Die Länder könnten die Aufgaben im Auftrag des Bundes übernehmen. Das setze aber eine Verfassungsänderung voraus. Grünen-Chefin Claudia Roth signalisierte Unterstützung für Seehofer.
Unterstützt wird die Forderung nach einem schnelleren Eingreifen des Bundes auch vom Präsident des Robert-Koch-Institutes, Professor Dr. Reinhard Kurth. Kurth hält mehr Bundeskompetenz bei der Seuchenbekämpfung für notwendig. »Bei großflächigen und länderübergreifenden Bedrohungslagen wie durch die Vogelgrippe müssen wir über eine Kompetenz des Bundes diskutieren«, sagte er. »Es geht darum, nationale Maßnahmekataloge verabschieden und blitzschnell umsetzen zu können.« Der Bund müsse dann »wahrscheinlich auch mehr finanzielle Verantwortung übernehmen«. Er wisse aus Erfahrung, wie schwierig es sei, in Kooperation mit Ländern und Kommunen Alarmpläne zu entwickeln, sagte Kurth. »Wenn das Geld kostet, fängt regelmäßig das große Nachdenken an.«
Schlagfertige Einheiten
Erwartungsgemäß sind die Länder von der geplanten Beschneidung ihrer Kompetenzen wenig begeistert. Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) wies den Vorstoß Sehofers zurück und sprach sich für eine Reform der Ländergrenzen aus. Größere Bundesländer könnten schlagfertigere Einheiten bilden, sagte Hauk der dpa. »Der Bund ist doch weiter weg von der konkreten Tierseuchenbekämpfung.« Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Minister Gerry Kley (FDP), hält mehr Bundeszuständigkeit ebenfalls nicht für notwendig. »Die Länder erfüllen ihre Aufgaben«, sagte er mit Blick auf vergangene Hochwasserkatastrophen.
Der Landkreistag warf Seehofer vor, Fehler bei kommunalen Stellen zu suchen. »Seehofer nimmt sich so selbst aus der Verantwortung«, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Hans Jörg Duppré aus der Südwestpfalz. Die Ansiedlung der Kompetenzen bei den Landkreisen habe sich bewährt.
Die föderale Verteilung der Kompetenzen setzt dem Einsatz von Einrichtungen des Bundes bürokratische Hürden. So darf die Bundeswehr erst dann helfen, wenn zuvor der Landkreis den Katastrophenfall ausgerufen hat. Die norddeutschen Agrarminister sehen dies auch als Problem und fordern nun Möglichkeiten zu einem schnelleren Einsatz der Bundeswehr. »Es muss möglich sein, die Bundeswehr in Amtshilfe einzusetzen, ohne den Katastrophenfall auszurufen«, sagte der Kieler Ressortchef Christian von Boetticher (CDU) am Montag bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen Till Backhaus (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern und Hans-Heinrich Ehlen (CDU) aus Niedersachsen im Schloss Tremsbüttel (Kreis Stormarn).
Backhaus sagte, er habe bereits am 16. Februar zu Beginn der Vogelgrippe auf Rügen die Bundeswehr um Amtshilfe gebeten. Diese sei mit Hinweis auf die Rechtslage abgelehnt worden. Der spätere Einsatz sei nur möglich gewesen, weil Mecklenburg-Vorpommern das Katastrophenschutzgesetz 1999 um Tiere erweitert habe. »Das kann ich den anderen Ländern nur dringend raten«, sagte Backhaus. Man werde das Thema mit Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) besprechen, kündigten die Minister an. Sie schlugen außerdem vor, in Norddeutschland ein Kompetenzzentrum zur Vogelgrippe in Deutschland und Europa einzurichten. Dazu sollten die bereits vorhandenen Kompetenzen gebündelt werden.