Weniger Stress, mehr Ausdauersport |
16.02.2009 16:30 Uhr |
<typohead type="3">Migräne: Weniger Stress, mehr Ausdauersport
»Es gibt nur wenige Indikationsbereiche, bei denen der Apotheker so gefragt ist, wie bei der Migräne, zumal 70 Prozent der Betroffenen keinen Arzt aufsuchen«, sagte Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Universität Frankfurt am Main. Der Referent sprach von der »großen heilberuflichen Verantwortung der Pharmazeuten«.
Die Migräne sei »keine Befindlichkeitsstörung, sondern eine eigene Erkrankung mit quälenden Symptomen«. Diese werde von der WHO zu den Leiden gezählt, die das tägliche Leben am meisten einschränken. Etwa 6 bis 8 Prozent aller Männer und 12 bis 14 Prozent aller Frauen leiden unter dieser Kopfschmerzform. Vor der Pubertät beträgt die Häufigkeit der Migräne 4 bis 5 Prozent, wobei Jungen und Mädchen gleich häufig betroffen sind.
Eine medikamentöse Migräneprophylaxe sei besonders dann angezeigt, wenn es zu drei oder mehr Migräneattacken im Monat kommt und diese regelmäßig länger als 72 Stunden anhalten. Die Prophylaxe sei zudem zu empfehlen, wenn Patienten bei einer Attacke auf eine leitliniengerechte Therapie zum Beispiel mit Triptanen nicht ansprechen oder Nebenwirkungen der Akuttherapie nicht toleriert werden.
Als Arzneistoffe der ersten Wahl zur medikamentösen Prophylaxe im Erwachsenenalter hob Schubert-Zsilavecz Betablocker, vor allem Metoprolol, Propranolol und Bisoprolol, sowie Calciumkanalblocker wie Flunarizin und Antiepileptika wie Topiramat und Valproinsäure hervor. Allen Wirkstoffen sei gemein, dass sie über eine gute Evidenzlage verfügen und in der Migräneprophylaxe bereits in niedrigeren Dosierungen als in ihrer eigentlichen Indikation wirksam sind.
Grundsätzlich, so Schubert-Zsilavecz, sollten die Prophylaxe-Medikamente schrittweise aufdosiert werden, da die meisten Nebenwirkungen in den ersten Wochen der Applikation auftreten. Da die meisten der genannten Arzneimittel zudem schnell zur Ermüdung führen, sollten sie abends eingenommen werden. Zur Beurteilung der Wirksamkeit empfehle sich die Führung eines Kopfschmerzkalenders. Die effektive medikamentöse Prophylaxe sollte mindestens über sechs Monate betrieben werden. Dann empfehle sich ein Auslassversuch, um zu überprüfen, ob die Indikation noch besteht.
Die nicht-medikamentöse Prophylaxe umfasse die Kontrolle von Trigger-Faktoren wie Coffeinkonsum und Stress. Zur Vorbeugung könnten auch Ausdauersport, Entspannungsverfahren, Stressbewältigungs- und Biofeedback-Therapie sowie gegebenenfalls Akupunktur sinnvoll sein.
In der medikamentösen Akuttherapie, so Schubert-Zsilavecz, kommen neben den Triptanen erfolgreich Analgetika wie ASS, Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen als »Mittel der ersten Wahl bei leicht- und mittelgradiger Migräne« sowie Antiemetika wie Metoclopramid und Domperidon zum Einsatz. Ergotamintartrat eigne sich bei sehr langen Migräneattacken oder solchen, die mehrfach wiederkehren.
Schubert-Zsilavecz betonte, dass für die Behandlung der Migräne bei Kindern eigene Leitlinien vorliegen. Danach werden Migräneattacken bei Kindern mit Ibuprofen 10 mg/kg Körpergewicht als Präparat der ersten Wahl oder aber mit Paracetamol 15 mg/kg KG behandelt. Der Einsatz von ASS bis zum zwölften Lebensjahr werde wegen der Gefahr eines Reye-Syndroms nicht empfohlen. Wenn Antiemetika notwendig sind, sollte Domperidon Verwendung finden. Wegen des Risikos extrapyramidaler Nebenwirkungen sei Metoclopramid bis zum 14. Lebensjahr nicht sinnvoll. Kinder unter zwölf Jahren scheinen schlechter als Heranwachsende von einer Therapie mit Triptanen zu profitieren. In der medikamentösen Migräneprophylaxe bei Kindern, so Schubert-Zsilavecz, können Flunarizin, Topiramat und Propranolol sinnvoll sein.
Migräne ist auch volkswirtschaftlich von Bedeutung. »Durch jeden Euro Behandlungskosten, der wirksam eingesetzt wird, können 13 Euro Folgekosten eingespart werden«, sagte der Referent.