Pharmazeutische Zeitung online
Rudolf Schmitz

Pharmaziehistoriker aus Leidenschaft

12.02.2018  14:48 Uhr

Von Christoph Friedrich, Ariane Löhnert, Wolf-Dieter Müller- Jahncke / Am 17. Februar 2018 jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag von Rudolf Schmitz, der als einer der bedeutendsten Pharmaziehistoriker des 20. Jahrhunderts gelten kann. An ihn erinnern seine im Govi-Verlag erschienene zweibändige »Geschichte der Pharmazie« und das von ihm in Marburg gegründete und in Deutschland einmalige Institut für Geschichte der Pharmazie.

Johann Rudolf Schmitz wurde am 17. Februar 1918 im rheinischen Siegburg als Erstes von zwei Kindern des Volksschullehrers Johann Schmitz (1890–1968) und dessen Ehefrau Anna, geborene Ballensiefen (1894–1967), geboren. Der Vater war vom Hilfsschullehrer zum Rektor einer Volksschule aufgestiegen, veröffentlichte einige Aufsätze in Heimatblättern des Sieg-Kreises und betätigte sich bei Ausgrabungen. 

 

1960 wurde er Museumsleiter in Siegburg. Er vererbte seine historischen Interessen seinem Sohn Rudolf, der von 1928 bis 1937 das staatliche Gymnasium seiner Vaterstadt besuchte. Hier hatte sein Deutschlehrer Dr. Eduard Weibele großen Einfluss auf ihn. Als einziger Schüler der Oberprima schrieb er eine historische Jahresarbeit über die Töpferzunft in Siegburg. Mit Begeisterung spielte er seit seinem fünften Lebensjahr Klavier und später auch Orgel. Nach der Reifeprüfung folgte der Arbeitsdienst, den Schmitz in Berleburg ableistete, wo er seine spätere Frau Ursula, geborene Fuchs (1922–2012), kennenlernte. 1937 wurde er zum Wehrdienst eingezogen. Während seiner Militärzeit erhielt er 1942 die Gelegenheit zur sogenannten Fernimmatrikulation an der Universität Bonn, wo er Vorlesungen zur Geschichte, insbesondere bei dem Geschichtsphilosophen Erich Rothacker (1888–1965) hörte.

 

Nach seiner Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft gab Schmitz seinen Wunsch, Philosophie zu studieren, auf und wählte stattdessen den Apothekerberuf, der in der Nachkriegszeit eine bessere Möglichkeit bot, eine Familie zu ernähren. Von 1945 bis 1947 absolvierte er die Praktikantenzeit in der Apotheke in Bicken (Lahn-Dill-Kreis), in der auch seine spätere Frau tätig war. Nach dem pharmazeutischen Vorexamen in Wiesbaden immatrikulierte er sich im Wintersemester 1947/48 in Marburg, wo er unter anderem bei Horst Böhme (1908–1996) und Hans Meerwein (1879–1965) studierte. Im Oktober 1950 schloss er das Pharmaziestudium mit dem Staatsexamen ab.

 

Akademische Karriere

 

Eine akademische Karriere, die der ehrgeizige Rudolf Schmitz anstrebte, war nur mit einer naturwissenschaftlichen Promotion möglich. Schmitz begann daher mit einer chemisch-präparativen Dissertation unter Leitung von Horst Böhme, die er 1952 mit dem Dr. phil. abschloss, gefolgt von zwei Aufsätzen, die 1955 in den »Chemischen Berichten« erschienen. Bereits 1954 wandte sich Schmitz seinem eigentlichen Interessengebiet, der Pharmaziegeschichte, zu und veröffentlichte einen ersten Aufsatz über rheinische Apotheken des 13. und 14. Jahrhunderts. 1957 habilitierte er sich mit einer Studie über das Apothekenwesen von Stadt- und Kurtrier. Am 20. Juli desselben Jahres hielt Schmitz seine Antrittsvorlesung zum Thema »Die moderne Bedeutung der Pharmaziegeschichte« und widmete sich in Marburg dem Aufbau dieses Faches. Dazu gründete er 1957 ein Seminar für Geschichte der Pharmazie, aus dem dann mit Unterstützung seines Lehrers Horst Böhme und der ABDA, die eine Stiftungsprofessur finanzierte, 1965 das Institut für Geschichte der Pharmazie hervorging. Peter Dilg bezeichnet die Institutionalisierung dieses Faches als »Schmitz’ bedeutendste Leistung, deren Tragweite sich vollends ab 1969 nach dem Umzug in das Haus am Roten Graben 10« manifestierte. Zu dieser Zeit lagen bereits mehr als 100 Publikationen, darunter auch einige Monografien, und 21 von ihm betreute Dissertationen vor. Für die Weiterbildung der Apotheker und Naturwissenschaftler, die an diesem Institut promovierten, führte Schmitz ein Aufbaustudium ein, in dem die Doktoranden die historisch-kritischen Methoden erlernten. Diejenigen, die Themen zur Mittelalterlichen oder Frühneuzeitlichen Geschichte bearbeiteten, belegten zusätzlich noch Mittelalterliche Philologie und Paläographie. So erreichten die Dissertationen am Marburger Institut ein Niveau, das sich von den bis dahin entstandenen pharmaziehistorischen Arbeiten unterschied. Insgesamt betreute Rudolf Schmitz 124 Dissertationen – teilweise sekundiert von seinen engsten Mitarbeitern – wobei die letzten Arbeiten nach seinem plötzlichen Tod unter seinem Nachfolger Fritz Krafft fertiggestellt wurden. Das Institut für Geschichte der Pharmazie erlangte bald internationale Bedeutung, und die Dissertationen waren Vorbild für viele andere Fachvertreter. Zur Popularisierung seines Faches trug Rudolf Schmitz schließlich als brillanter und gesuchter Redner bei, wobei er immer auch auf methodische Fragen der Pharmaziehistoriografie großen Wert legte.

 

Wissenschaftliches Werk

 

Das wissenschaftliche Werk von Rudolf Schmitz hat Peter Dilg ausführlich analysiert. Es umfasst über 300 Arbeiten, darunter zahlreiche Bücher, und ist vor allem durch eine große Vielfalt der Themen gekennzeichnet. Diese Breite resultiert nicht nur aus Schmitz’ Ideenreichtum und seiner, wie Dilg bemerkt, »spontanen Wesensart« sowie dem Willen, dem neuen Fach Pharmaziegeschichte vielfältige Anregungen zu geben, sondern auch aus den unterschiedlichen Interessen der Doktoranden.

Am Anfang des Schmitz’schen Œuvres standen Arbeiten zur Apothekengeschichte, vornehmlich des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Schmitz wies nach, dass Apotheken infolge einer Spezialisierung aus Krämerläden hervorgegangen sind (Krämerthese). Die Apothekengeschichte wurde stets im Kontext zur politischen, Sozial- und Rechtsgeschichte bearbeitet. Im Laufe der Zeit entstanden Studien zur Geschichte des Apothekenwesens zahlreicher deutscher Kleinstaaten und größerer Städte, die, wenn auch nicht flächendeckend, doch einen Überblick über die Entwicklung von Nord- bis Süddeutschland bis zur Schweiz bieten. Daneben stehen Arbeiten zu Rats- und Krankenhausapotheken, zur Militärpharmazie sowie zum Arzneimittel- und Apothekenrecht in seiner ganzen Breite: zum Verhältnis von Apotheken zu Krankenkassen, Apotheken in der Inflation und Bestrebungen zur Verstaatlichung. Einige Dissertationen befassen sich auch mit kunsthistorischen Aspekten der Apothekeneinrichtung.

 

Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Biografien bedeutender Apotheker und Naturwissenschaftler, insbesondere der Frühen Neuzeit und des 18. und 19. Jahrhunderts. Zahlreiche Arbeiten entstanden auch zur Arzneimittelgeschichte, einem typischen Arbeitsgebiet der Pharmaziehistoriografie, die sowohl historische Pflanzenmonografien betrafen als auch Studien zur Entwicklung von Arzneimitteltheorien und -gruppen wie Schmerz-, Schlaf- und Betäubungsmitteln und andere. Einen weiteren Schwerpunkt stellen Untersuchungen zur Wissenschaftsgeschichte der Pharmazie dar, wie Schmitz’ Monografie zur Entwicklung der deutschen pharmazeutisch-chemischen Hochschulinstitute, Studien über Lehrbücher und einzelne Zweigdisziplinen der Pharmazie. Den Naturwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg galt sein besonderes Interesse: Hier beschränkte sich Rudolf Schmitz nicht nur auf die Pharmazie, sondern widmete sich auch der Botanik- und Chemiegeschichte. Weitere Arbeiten zur Geschichte der pharmazeutischen Industrie und des Großhandels zeigen, dass Schmitz das gesamte Arzneimittelwesen – nicht nur Apotheken und Hochschulen – im Blick hatte. Insgesamt weist das Publikationsverzeichnis von Schmitz aus, dass neben und aus den von ihm betreuten Dissertationen zahlreiche Aufsätze entstanden sind. Die Arbeiten von Schmitz zeichnen sich durch einen brillanten Stil aus und können auch heute noch pharmaziehistorisch interessierte Leser begeistern.

 

Schmitz als Emeritus

 

Nach seiner Emeritierung widmete sich Schmitz nicht nur der Betreuung seiner verbliebenen Doktoranden, sondern plante, ein großes Handbuch der Geschichte der Pharmazie zu schreiben. Doch verstarb er am 14. Mai 1992 plötzlich inmitten der Arbeiten für den ersten Band, der den Zeitraum von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters umfasste, sodass dieser Band von seinem Mitarbeiter Franz-Josef Kuhlen, unterstützt von seiner Lektorin Evemarie Wolf, erst 1998 fertiggestellt werden konnte; den zweiten Band verfassten Wolf-Dieter Müller-Jahncke und Christoph Friedrich. Dieses Werk, das seit 2005 in zwei Bänden vorliegt, erinnert an das Leben und Wirken des bedeutenden Pharmaziehistorikers Rudolf Schmitz, der auch als Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft sowie vieler nationaler und internationaler Gremien überaus erfolgreich gewirkt hat. /

Für die Verfasser:

Professor Dr. Christoph Friedrich

Institut für Geschichte der

Pharmazie, Roter Graben 10,

35032 Marburg

ch.friedrich@staff.uni-marburg.de

 

Literatur bei den Verfassern

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