Apotheke mit Kultur |
14.02.2017 15:19 Uhr |
Von Ulrike Abel-Wanek, Düsseldorf / Sie sind nur einen Katzensprung voneinander entfernt: das deutschlandweit einzige Museum zur Geschichte der Krankenpflege und die Apotheke am Klemensplatz in Düsseldorf-Kaiserswerth. Beste Voraussetzungen für eine ungewöhnliche Kooperation: Zwei Monate lang präsentierte Apotheken-Chefin Claudia Hecker Original-Exponate des Museums in ihren Schaufenstern.
Schon der erste Besuch im Pflegemuseum begeisterte die Pharmazeutin, die neben der Marien-Apotheke in Voerde am Niederrhein seit zwei Jahren auch die Apotheke am Klemensplatz in Kaiserswerth leitet.
Das Pflegemuseum im ehemaligen Diakonissen- krankenhaus Tabea mit neugotischer Fassade.
Fotos: PZ/Müller
Keine zehn Minuten Fußweg liegen zwischen Apotheke und Museum, das Hecker im vergangenen Jahr zum Tag der offenen Tür besuchte und feststellte: »Die Pflege ist auch unser Thema. In der Ausstellung sieht man viele Dinge, mit denen wir tagtäglich in der Apotheke umgehen. Wir messen den Blutdruck mit Blutdruckmessgeräten, verkaufen Verbandsmaterial oder erklären die Anwendung von Inhalationsapparaten und Milchpumpen.« Die entsprechenden historischen Geräte im Pflegemuseum begeisterten die Apothekerin so sehr, dass sie den Entschluss fasste, eine Auswahl schöner Exponate in ihrer Apotheke zu präsentieren.
Win-win-Aktion
1836 gründete Pfarrer Theodor Fliedner die Kaiserswerther Diakonissenanstalt und legte damit den Grundstein für eine moderne und professionelle Krankenpflege. Das sogenannte Mutterhaus wurde 1903 als Zentrum der Kaiserswerther Diakonissengemeinschaft eingeweiht und ist heute ein Hotel. Auf dem selben Gelände, im ehemaligen Diakonissenkrankenhaus »Tabea«, öffnete mit Unterstützung der Fliedner-Kulturstiftung im Herbst 2011 das Pflegemuseum seine Türen.
Annett Büttner (rechts) und Norbert Friedrich, Fliedner-Kulturstiftung, mit Claudia Hecker in der Apotheke am Klemensplatz in Düsseldorf- Kaiserswerth.
Foto: Gabriele Schreckenberg
Seither begleitet ein reges öffentliches Interesse die Arbeit der Museumsmacher. Jedes Jahr kommen rund 5000 Besucher nach Kaiserswehrt, um sich über die lange Geschichte der Pflege zu informieren – die Hälfte der Besucher sind Fachleute aus dem beruflichen Umfeld von Medizin und Pflege, darunter auch viele Krankenpflegeschulen. »Dennoch gibt es immer noch Menschen, die uns nicht kennen«, wundert sich Dr. Annett Büttner. Der ungewöhnliche, aber auch werbewirksame Vorschlag Heckers stieß bei der wissenschaftlichen Archivarin der Fliedner-Kulturstiftung auf positive Resonanz: die Schaufenster der zentral gelegenen Apotheke am Klemensplatz eine Zeit lang »zur Außenstelle des Museums« zu machen. Archivarin und Apothekerin erarbeiteten ein Konzept, und im November 2016 war es so weit: Die drei Schaufenster am Kaiserswerther Klemensplatz wurden bis Ende des Jahres zum »Apotheken-Museum« – mit ausführlich beschrifteten, historischen Objekten zur Geschichte der Krankenpflege.
Liebevoll bemalte Schnabeltasse aus Porzellan.
»Ein voller Erfolg«, betont Hecker. »Keine andere Aktion hat jemals so viel Aufmerksamkeit erregt.« Passanten und Kunden blieben lange vor den Schaufenstern stehen, lasen die Texte und betrachteten die Objekte, und täglich wurden Hecker und ihre Mitarbeiterinnen auf die Ausstellung angesprochen. »Hier ging es nicht um etwas Merkantiles, sondern um Kultur. Das kam bei den Kunden sehr gut an, und für uns war es ein Imagegewinn, den ich so gar nicht erwartet hätte«, freut sich die Apothekerin. Auch das Museum verzeichnete einen Besucheranstieg, bestätigte Dr. Norbert Friedrich, Leiter der Fliedner-Kulturstiftung. Denn viele Kaiserswerther kannten das Pflegemuseum auch gut fünf Jahre nach seiner Eröffnung noch nicht. Willkommener Anlass für einen ersten Besuch war die Schaufenster-Ausstellung der Apotheke am Klemensplatz.
Das Museum habe für jeden etwas zu bieten, nicht nur für Leute vom Fach, ist Büttner überzeugt. »Mit der Krankenpflege verhält es sich ähnlich wie mit der Schulbildung. Beides sind gesellschaftliche Bereiche, zu denen nahezu jeder Mensch einen Bezug durch persönliches Erleben hat«, so die Archivarin. Wie lange pflegen die Menschen schon ihre Mitmenschen? Wer sind die vielen Frauen und Männer, die täglich Kranke und Ältere pflegen? Wie wird die Pflege der Zukunft aussehen? Und warum helfen wir eigentlich? Auf diese Fragen lassen sich im Pflegemuseum Antworten finden – und sie laden zur persönlichen Auseinandersetzung ein.
Alt werden in Würde
Eine Puppe in dunkelblau-weiß-getupfter Diakonissen-Tracht, aufwendig mit Rüschen verzierte Kopfbedeckungen, mit denen die unverheirateten, helfenden Frauen »unter die Haube« kamen wie die bürgerlichen Ehefrauen, Blutdruckmessgerät, Arzttasche oder Schnabeltassen aus Porzellan: Die Exponate der Apotheken-Ausstellung erinnerten – vor allem ältere Kunden – an vergangene Zeiten, als die Diakonissen noch das Straßenbild von Kaiserswerth prägten.
Wunderwerk der Technik: Alter Inhalationsapparat mit elektrischer Heizung und Zerstäuber für Patienten mit Atemwegs- erkrankungen.
Sie gaben aber auch medizinhistorische Einblicke in die Entwicklung von Hilfsmitteln. Beispielsweise gelang es erst 1881, den Blutdruck »unblutig« zu messen. Für Hecker stehen speziell die Schnabeltassen mit Zwiebelmuster und Blumendekor für einen würdevollen Umgang mit alten Menschen: »Die Tassen als Bestandteil eines schön gestalteten Porzellan-Services waren eine Wertschätzung für alle diejenigen, die keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen konnten«, sagt die Apothekerin, die täglich viele Fragen zur Pflege in der Offizin beantwortet – zur Ernährung ebenso wie zur Inkontinenz- und Hilfsmittelversorgung oder bei der Suche des passenden Pflegeheims: »Wir sind eng eingebunden in das Thema Pflege, nicht nur bei der Arzneimittelversorgung.«
Die Kultur-Kooperation zwischen Museum und Apotheke ist zwar beendet. Aber in einem der Häuser der Fliedner-Kulturstiftung schlummert noch eine alte Apotheke, die darauf wartet, wieder ans Tageslicht geholt zu werden. »Die schaue ich mir demnächst mal an«, so Hecker lachend. /