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Biomedizin

Alter als Entzündung

12.02.2014  11:34 Uhr

Faltenbildung, graue Haare und Muskelschwund sind äußere Zeichen des Alterns. Doch was passiert auf molekularer Ebene, wenn wir in die Jahre kommen? Die biomedizinische Alternsforschung ist das Fachgebiet von Professor Dr. Beatrix Grubeck-Loebenstein aus Innsbruck. Sie gab einen Überblick über den Stand des Wissens.

Gesund Altern – diesen Wunsch hat wohl jeder Mensch. Doch lange nicht für jeden geht er in Erfüllung. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Osteoporose und Demenz sind nur einige Beispiele für Krankheiten, die im höheren Lebensalter deutlich häufiger auftreten als im jungen. Die biomedizinische Alternsforschung untersucht altersbedingte Veränderungen in Molekülen, Zellen und Organen. »Das Verständnis dieser Vorgänge kann eine Erklärung dafür liefern, wie Altern zum prädisponierenden Faktor für bestimmte Erkrankungen wird«, erklärte Grubeck-Loebenstein. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung könnten zukünftig möglicherweise als Basis zur Entwicklung neuer Therapieansätze dienen.

Ein altersabhängiger Umbauprozess im Körper, dessen Einfluss auf altersassoziierte Erkrankungen noch nicht vollständig verstanden ist, ist die Rückbildung des Thymus. Dieses Organ verliert im Laufe des Lebens nahezu vollständig seine Funktion als Reifungsort der T-Zellen. Die sogenannte Involution des Thymus, also der Umbau in Fettgewebe, beginnt unmittelbar nach der Geburt und ist im Alter zwischen 40 und 50 Jahren abgeschlossen. »Das bedeutet, dass dann keine neuen T-Zellen mehr heranreifen können«, so Grubeck-Loebenstein. Die vorhandenen T-Zellen werden immer wieder repliziert. Dabei altern sie und werden zu sogenannten seneszenten Abwehrzellen, die im höheren Lebensalter das T-Zell-Repertoire dominieren.

 

T-Zellen triggern Altersentzündung

 

Seneszente T-Zellen haben besondere Eigenschaften: Sie produzieren große Mengen an proinflammatorischen Substanzen wie Interferon (IFN) γ und stimulieren auch andere Zellen, entzündungsfördernde Moleküle zu exprimieren. Daraus resultiert ein latenter entzündlicher Prozess, den Biogerontologen als Inflamm-Aging bezeichnen, die Entzündung des Alters. »Diese leichten Entzündungsprozesse sind ubiquitär – in der Haut, im Darm, im Gehirn. Man bemerkt sie aber gar nicht«, sagte die Referentin.

 

Laboruntersuchungen liefern eine plausible Erklärung dafür, dass das Inflamm-Aging beispielsweise die Alzheimer Demenz begünstigen kann. So zeigten Mitarbeiter aus Grubeck-Loebensteins Arbeitsgruppe vor einigen Jahren im Fachjournal »Neurobiology of Disease«, dass Neuronen in Zellkultur nach der Behandlung mit pro­inflammatorischen Substanzen wie IFNγ mehr β-Amyloid produzieren als ohne (doi: 10.1006/nbdi.2001.0451). Interessanterweise ließ sich dieser Effekt mit dem nicht steroidalen Antirheumatikum Ibuprofen verhindern. Folgt da­raus also, dass entzündungshemmende Medikamente die Entstehung von Alzheimer verhindern oder verzögern könnten? »Diese Frage können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten«, sagte Grubeck-Loebenstein.

 

Freiwillig weniger essen

 

Selbstverständlich hat auch die Ernährung einen entscheidenden Einfluss darauf, wie Organismen altern. Dabei spielt nicht nur die Auswahl an Lebensmitteln eine Rolle, sondern vor allem auch die Menge. Untersuchungen an diversen Modellorganismen haben gezeigt, dass eine kalorische Restriktion um etwa 30 Prozent das Leben verlängert, die Häufigkeit von DNA-Schäden, Krebs- und Infektionsraten senkt und generell vor altersbedingten Krankheiten schützt. Welche Effekte die kalorische Restriktion beim Menschen hat, ist mangels Freiwilliger nicht erforscht – noch nicht, denn in den USA gibt es laut Grubeck-Loebenstein Gruppen, die seit Jahren unter wissenschaftlicher Beobachtung auf ein knappes Drittel der täglichen Kalorienration verzichten. Eventuelle Auswirkungen zeigen sich jedoch vermutlich erst nach mehreren Jahrzehnten.

 

Für die meisten Menschen dürfte diese Dauerdiät ohnehin keine lockende Option sein. Alternsforscher beschäftigen sich daher mit den Auswirkungen der kalorischen Restriktion auf molekularer Ebene, um diese eventuell mithilfe von Wirkstoffen nachzuahmen. Mögliche Ansatzpunkte sind die sogenannten Sirtuine, Histon-Deacetylasen, die unter Kalorienres­triktion vermehrt freigesetzt werden, sowie der mTOR-Signalweg, der herunterreguliert wird.

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