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Hausarzt/Hausapotheke

Apotheker, Ärzte und Barmer wollen weitermachen

08.04.2008  17:22 Uhr

Hausarzt/Hausapotheke

Apotheker, Ärzte und Barmer wollen weitermachen

Von Daniel Rücker

 

Das Bundessozialgericht hält das Hausarzt- und Hausapothekenmodell nicht für Integrierte Versorgung. Deshalb steht den Beteiligten auch keine Sonderfinanzierung zu. Apotheker, Ärzte und Barmer bedauern dies, lassen sich aber von ihrem Weg nicht abbringen.

 

Lange Zeit kam die Integrierte Versorgung nicht in Schwung. Erst mit der im GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) festgelegten Anschubfinanzierung dachten Krankenkassen und Leistungserbringer über das neue Versorgungskonzept nach. Die meisten abgeschlossenen Integrationsverträge waren jedoch kleinere regionale Vereinbarungen. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Hausarzt- und Hausapothekenvertrag der Barmer. Das gilt jetzt nicht mehr. Das Bundessozialgericht (BSG) hat ihm den Status als Integrationsvertrag abgesprochen.

 

Nach der Entscheidung des BSG vom 6. Februar ist der von der Barmer mit Hausärzten und Apotheken abgeschlossene Vertrag kein Integrationsvertrag. Er sei weder sektorenübergreifend noch interdisziplinär. Die Krankenkasse dürfe deshalb nicht die Kosten des Hausarzt- und Hausapothekenmodells über das Sonderbudget für die Integrierte Versorgung finanzieren. Das gelte besonders für die Honorare der Apotheker und Hausärzte. Das BSG stellt in einer Stellungnahme zu dem Urteil aber auch klar, dass die Entscheidung nicht den Nutzen des Vertrags infrage stellt.

 

In dem Verfahren musste ein Gericht wieder einmal die Arbeit der Politik übernehmen. Die hatte mit dem GMG im Jahr 2004 zwar die Rahmenbedingungen für die Integrierte Versorgung deutlich verbessert, sich aber um eine Definition dieser Versorgungsform herumgedrückt. Diese Aufgabe hatten nun die Richter am BSG zu leisten. Sie kamen dabei zu dem Schluss, dass Integrierte Versorgung nicht nur verschiedene Leistungssektoren oder unterschiedliche Fachgebiete umfassen soll, sondern auch bisherige Leistungen der Regelversorgung ersetzen muss. Zumindest das zweite Kriterium werde vom Barmer-Vertrag nicht erfüllt. Deshalb sei das Hausarzt- und Hausapothekenmodell keine Integrierte Versorgung und die Finanzierung über den Sondertopf nicht rechtens. Die Barmer muss nun bis zu 60 Millionen Euro an die Kassenärztlichen Vereinigungen zurückzahlen.

 

Mit dem GMG hatten die Krankenkassen im Jahr 2004 die Möglichkeit erhalten, integrierte Versorgungsformen parallel zur Regelversorgung auszuprobieren. Sie können dafür bis zu 1 Prozent des Geldes einbehalten, das sie für die Regelversorgung an die Kassenärztlichen Vereinigungen und an die Krankenhäuser zu zahlen hatten, und diese Beträge für Verträge der Integrierten Versorgung verwenden. Apotheker, Hausärzte und die Barmer waren von dem Urteil erwartungsgemäß wenig begeistert, wollen aber deshalb nicht die Flinte ins Korn werfen.

 

Keine Kürzungen geplant

 

Die Barmer kündigte unmittelbar nach dem Urteil an, sie werde das Hausarzt- und Hausapothekenmodell so weiterführen wie bisher. Das BSG habe lediglich entschieden, dass das Modell nicht die Kriterien der Integrierten Versorgung erfülle und somit kein Anspruch auf spezielle Förderung bestehe, sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Barmer, Birgit Fischer. Aus dem Urteil resultierende Kürzungen bei den Leistungserbringern will die Barmer aus eigenen Mitteln ausgleichen. Die Kasse habe bereits entsprechende Rückstellungen gebildet. Gegenüber der PZ erklärte die Sprecherin der Barmer, Susanne Uhrig, es gebe zurzeit keinerlei Gründe für Apotheker oder Ärzte, aus dem Hausarzt- und Hausapothekenvertrag auszusteigen.

 

Es ändere sich bis auf Weiteres nichts, so Uhrig. Die zusätzlichen Kosten der Barmer seien nicht beitragsrelevant. Den mehr als 2 Millionen Teilnehmern werde zunächst weiter teilweise die Praxisgebühr erlassen. Die Barmer sieht in der Zusammenarbeit mit Hausärzten und Apothekern eine wesentliche Qualitätsverbesserung der Versorgung. Beide Berufsgruppen seien wichtige Partner der Barmer.

 

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) bedauerte die Entscheidung des Gerichts, freut sich aber, dass die Barmer trotz der veränderten Vorgaben an dem gemeinsamen Konzept festhält. »Unser gemeinsames Ziel, die Grundlagen für eine bessere Versorgung der Versicherten zu schaffen, ist damit nicht in Frage gestellt«, so DAV-Vorsitzender Hermann S. Keller.

 

Ähnlich sehen es auch die Hausärzte: »Der Deutsche Hausärzteverband bedauert die Entscheidung des BSG. Hiermit erfährt die gemeinsame Leistung von Barmer, 18.000 Apotheken und 38.000 Hausärzten zugunsten einer Integrierten hausärztlichen Versorgung von über zwei Millionen Patienten eine Abfuhr«, kommentierte Verbands-Chef Ulrich Weigeldt das Urteil. Die Patienten müssten jedoch keine Sorge haben, in Zukunft schlechter versorgt zu werden. Die eingeschriebenen Versicherten müssten auf die Vorteile einer gemeinsamen Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheken auch in Zukunft nicht verzichten.

 

Die Siegerin des Verfahrens, die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen, verkniff sich nach dem Urteil den Siegesjubel. Die erste Vorsitzende der KV, Regina Feldmann, freute sich zwar über die grundsätzliche Klärung des Problems und die Rückzahlung der Barmer an die Kassenärzte. Sie machte aber auch deutlich: »Dieses Urteil richtet sich nicht gegen Hausarztverträge, sondern sollte Klarheit in der Frage ihrer Finanzierung schaffen.«

Integrierte Versorgung

PZ / Integrierte Versorgung ist die fachübergreifende Versorgung eines Patienten durch die koordinierte Zusammenarbeit verschiedener ärztlicher und nicht-ärztlicher Leistungserbringer. Voraussetzung ist ein Vertrag zwischen der Krankenkasse und mehreren Leistungserbringern aus unterschiedlichen Sektoren des Gesundheitswesens. Die Verträge werden außerhalb des Sicherstellungsauftrags geschlossen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen nicht beteiligt werden.

 

Die Vertragspartner haben eine weite Gestaltungsfreiheit. Für Patienten ist die Teilnahme freiwillig. Entscheidet sich der Patient jedoch dafür, verpflichtet er sich mit seiner schriftlichen Einwilligung, die vorgesehenen Behandlungsverfahren wahrzunehmen. Den juristischen Rahmen für die Integrierte Versorgung gibt Paragraf 140 a-d des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) vor. Zum Jahresende 2007 waren bei der von Krankenkassen, Kassenärzten und Krankenhausgesellschaft gemeinsam betriebenen Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des § 140 d SGB V 5069 Integrationsverträge gemeldet.

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