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Zika-Virus

Viele Fragen offen

03.02.2016  09:47 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Bis vor Kurzem galt das Zika-Virus als harmlos, da es nur leichte Erkrankungsbilder verursacht. Doch jetzt löste der Erreger, der sich rasch in Mittel- und Südamerika ausbreitet, einen weltweiten Gesundheitsnotstand aus. Das Virus wird mit schwerwiegenden Schädelfehlbildungen bei Feten in Verbindung gebracht. Belegt ist der Zusammenhang nicht.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat wegen der Ausbreitung des Zika- Virus und dessen möglicher Verbindung mit Schädelfehlbildungen den globalen Gesundheitsnotstand erklärt. Ein 18-köpfiges Expertengremium hatte zu diesem Schritt geraten. Es bestehe ein »starker Verdacht«, dass eine Zika-Infektion in der Schwangerschaft eine Mikrozephalie beim ungeborenen Kind verursachen kann. 

 

Der wissenschaftliche Beweis stehe zwar noch aus. Aber »wenn wir bis zum wissenschaftlichen Beweis warten, werden die Menschen uns Untätigkeit vorwerfen«, sagte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan in einer Mitteilung. Dass keine Impfung und verlässliche Schnelltests auf Zika existieren und die Bevölkerung keine Immunität gegen diesen neuen Erreger besitzt, seien weitere Gründe zur Sorge.

 

Nun müsse die internationale Zusammenarbeit verstärkt werden, um den Zusammenhang zwischen Zika- Infektion und Mikrozephalie sowie dem ebenfalls gehäuft auftretenden Guillain-Barré-Syndrom aufzuklären. Das Expertengremium rät zu verstärkter Überwachung des Virus und der übertragenden Stechmücken sowie zur Identifizierung von Fehlbildungen bei Neugeborenen. Zudem müssten die Überträgermücken bekämpft und die Entwicklung von Impfstoffen und Schnelltests vorangetrieben werden. Brasilien, das am stärksten von der Infektion betroffene Land, begrüßte den WHO-Beschluss. Die Ausrufung des Gesundheitsnotstands ermögliche die notwendige internationale Zusammenarbeit, um dem Ausbruch der Krankheit entgegenzuwirken, heißt es in einer Erklärung des brasilianischen Gesundheitsministeriums.

 

Explosionsartige Verbreitung

 

Im Mai trat in Brasilien die erste Infek­tion mit dem Zika-Virus auf und seither hat sich der Erreger in dem Land und in 22 weiteren in Süd- und Mittelamerika ausgebreitet. Chan sprach von einer »explosionsartigen« Verbreitung des Zika-Virus. Schätzungen zufolge gebe es allein in Brasilien bereits 1,5 Millionen Zika-Fälle. In ganz Amerika könnte es ohne energische Gegenmaßnahmen zu 3 bis 4 Millionen Ansteckungen kommen, befürchtet die WHO. Für Angst oder gar Panik bestehe aber kein Grund. »Zika ist nicht Ebola«, sagte der zuständige WHO-Direktor und Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten, Marcos Espinal. Die Krankheit verläuft in der Regel mild oder asymptomatisch. Todesfälle sind ausgesprochen selten.

 

Das Zika-Virus gehört zur Familie der Flaviviridae, Gattung Flavivirus, zu der auch Erreger von Krankheiten wie Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber, Gelbfieber und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zählen. Entdeckt wurde es erstmals 1947 bei einem Affen aus dem Zika-Wald in Uganda. Der Erreger wird von Stechmücken der Gattung Aedes übertragen, wobei die in den Tropen verbreitete Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) als Hauptüberträger gilt. Ob auch andere Spezies wie die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) als Vektor fungieren, ist noch unklar. Zusätzlich kann das Virus vermutlich auch direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden. So ist es in Blut und Sperma nachweisbar und es gibt Fallberichte zu sexueller Übertragung.

 

Die Erkrankung verläuft im Vergleich zu Dengue- oder Gelbfieber eher mild. Nach einer Inkubationszeit von etwa drei bis sieben Tagen setzen bei 20 Prozent der Infizierten grippeähnliche Symp­tome ein. Charakteristisch sind Fieber, Kopfschmerzen, makulopapulöser Ausschlag, Konjunktivitis, Muskel- und Gelenkschmerzen, die nach etwa einer Woche wieder verschwinden. Die Mehrheit der Infektionen verläuft asymp­tomatisch. Da keine kausale Therapie existiert, werden die Symptome der Infek­tion mit NSAR behandelt.

 

Sorge bereitet das Virus daher nicht wegen der ausgelösten Symptomatik, sondern wegen des möglichen Zusammenhangs der Infektion von Schwangeren und dem Auftreten der Mikrozephalie. Diese soll in Brasilien massiv angestiegen sein. Von mehr als 4000 Verdachtsfällen seit Oktober ist in verschiedenen Medien zu lesen. Nach offiziellen Angaben des brasilianischen Gesundheitsministeriums wurden insgesamt 732 dieser Mikrozephalie-Verdachtsfälle untersucht. Von diesen wurden 270 bestätigt, in sechs Fällen besteht eine Beziehung zum Zika-Virus.

 

Brasilianische Experten, die mit der Erfassung von angeborenen Missbildungen befasst sind, mahnen zur Zurückhaltung. Zum jetzigen Zeitpunkt sei nicht abzuschätzen, wie groß das Ausmaß der Mikrozephalie-Welle wirklich ist, schreiben Jorge Lopez-Camelo und Ieda Maria Orioli von der Lateinamerikanischen Untersuchungsgruppe zu angeborenen Defekten ECLAMC in einem Bericht. Der Anstieg könne auch auf eine verstärkte Aufmerksamkeit der Ärzte in den betroffenen Regionen bei der Diagnosestellung zurückzuführen sein. Außerdem erfülle ein erheblicher Anteil der Verdachtsfälle die Diagnosekriterien für Mikrozephalie nicht. Große prospektive Studien seien nötig, um die Epidemiologie exakter abzu­bilden.

Mikrozephalie

Unter Mikrozephalie versteht man eine Fehlbildung des Schädels, bei der dieser eine vergleichsweise geringe Größe aufweist. Der Kopfumfang liegt dabei unterhalb des dritten Perzentils. Das bedeutet, dass von 100 Menschen desselben Alters und Geschlechts 97 einen größeren Kopfumfang haben. Die Fehlbildung kann zu neurologischen Schäden führen, die umso schwerwiegender sind, je kleiner der Kopf ist.

Kausalzusammenhang wahrscheinlich

 

Andere Experten gehen davon aus, dass der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Zika-Virus und der Mikrozephalie nur noch eine Frage der Zeit ist. Entsprechend äußerte sich zum Beispiel der Tropenmediziner Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg im »Deutschlandfunk«. Er rechnet mit einer Bestätigung des Verdachts innerhalb von Tagen bis Wochen, da mit Hochdruck Proben ausgewertet werden. Zudem ist ein Zusammenhang plausibel: So gelten auch Infektionen mit Röteln- oder Zytomegalieviren in der Schwangerschaft als Auslöser der Mikrozephalie.

 

Obwohl der Zusammenhang noch nicht geklärt ist, sollten sich Schwangere in den Ländern, in denen sich das Zika-Virus derzeit verbreitet, mit konsequenter Mückenprophylaxe schützen. Schwangere aus anderen Ländern sollten von Reisen in die betroffenen Gebiete derzeit aus Sicherheitsgründen absehen. /

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