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Patentschutz

Geistiges Eigentum und Ethik

29.01.2007  11:32 Uhr

Patentschutz

Geistiges Eigentum und Ethik

PZ / Der Schutz von Patenten genießt bei forschenden Pharmaherstellern höchste Priorität. Und so ist man dankbar für eine Initiative der Bundesregierung. Trotzdem bleibt ein fahler Beigeschmack, wenn Hersteller ihre Rechte gegen Länder der Dritten Welt durchsetzen wollen.

 

In der vergangenen Woche hatte das Bundeskabinett den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums beschlossen. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Umsetzung der EG-Richtlinie vom 29. April 2004 vornehmen, die von der Industrie schon lange erwartet wird.

 

Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), begrüßte den Gesetzentwurf: »Die geplante Neueinführung des Auskunftsanspruchs gegen Dritte ist ein wichtiger Schritt in Richtung auf einen wirksamen Schutz geistigen Eigentums.« Der effektive Schutz geistigen Eigentums schaffe erst die Voraussetzung dafür, dass Unternehmen Kapital in Forschung und Entwicklung (F&E) einsetzten. Yzer: »Gäbe es ihn nicht, wären die Resultate aufwendiger industrieller Forschung mangels Investitionsschutz wertlos.«

 

Wenige Tage später schlug die Klage des Novartis-Konzerns gegen die indische Regierung hohe Wellen. Die Hilfsorganisation Oxfam forderte den Schweizer Pharmariesen auf, seine Klage zurückzuziehen, denn diese gefährde »den Zugang von Millionen armer Menschen zu bezahlbaren Medikamenten«.

 

Novartis hat zwei Gerichtsverfahren gegen Indien angestrengt, nachdem das Land ein Patent auf das Krebsmittel Glivec abgelehnt hatte. Nicht nur ficht Novartis die Glivec-Entscheidung an, sondern auch einen Absatz im indischen Patentgesetz, der die Produktion von Generika fördern soll. Solche Generika ermöglichen laut Oxfam armen Menschen, die sich patentierte Medikamente nicht leisten können, überhaupt erst eine medikamentöse Behandlung.

 

Das Gesetz gestattet es Indien, ein Patent auf geringfügige Weiterentwicklungen eines bereits bekannten Medikaments abzulehnen. In Ländern wie den USA haben Unternehmen alte Medikamente leicht verändert und wieder patentiert, um ihr Monopol zu verlängern und so Generika vom Markt fernzuhalten. Indiens Gesetz stellt hingegen sicher, dass diese Praxis nicht den Zugang zu erschwinglichen Generika blockiert. Die meisten Menschen in Indien bezahlen Medikamente aus eigener Tasche. Für sie seien preiswerte generische Alternativen lebensnotwendig. Oxfam ist der Auffassung, dass Indiens Patentgesetz ein wichtiges Schutzinstrument für die öffentliche Gesundheit darstellt, das den Vereinbarungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) entspricht. Bisher hat kein Land innerhalb der WTO die Rechtmäßigkeit der indischen Gesetzgebung angezweifelt.

 

Indische Generika seien außerdem entscheidend für die Gesundheitsversorgung auch in anderen Entwicklungsländern. Indien ist der weltgrößte Produzent und Exporteur von Generika. »Novartis behauptet, es wolle lediglich sein geistiges Eigentum auf ein einziges Medikament schützen. Aber in Wahrheit ist dies ein direkter Angriff auf Indiens souveränes Recht, die öffentliche Gesundheit zu schützen«, so Corinna Heineke, Koordinatorin der Medikamentenkampagne bei Oxfam Deutschland.

 

Allein der Glivec-Fall könne gravierende Auswirkungen auf Tausende Krebskranke in Indien haben, die zukünftig möglicherweise keine bezahlbaren generischen Versionen des Medikaments mehr bekommen können. Das Markenmedikament Glivec kostet in Indien 27.000 Dollar pro Patient und Jahr, die generische Version hingegen nur 2000 Dollar. Novartis erklärt, dass es Glivec gratis an arme Patienten abgibt. Oxfam reicht das nicht.

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