Bodenbakterien sind multiresistent |
31.01.2006 10:55 Uhr |
Bodenbakterien sind multiresistent
von Helga Anton-Beitz, Tübingen
Die Entwicklung neuer Antibiotika ist kein lohnendes Geschäft, denn schnell heben Resistenzen der Krankheitserreger ihre Wirksamkeit auf. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass auch Bodenbakterien eine Vielzahl von Resistenzen aufweisen. Dieses Wissen könnte helfen, Antibiotika mit längerer Lebensdauer zu entwickeln.
Bodenbakterien der Art Streptomyces sind für die pharmazeutische Forschung seit Jahrzehnten ein lohnendes Reservoir auf der Suche nach antibiotischen Substanzen. Es bildet die Basis für mehr als die Hälfte aller zur Verfügung stehenden Antibiotika. Streptomyceten produzieren diese Substanzen, um sich Konkurrenten vom Leib zu halten. Aber sie entwickeln auch Resistenzmechanismen, um sich zu schützen. Das Auftreten dieser Resistenzmechanismen wird zusätzlich durch die Zunahme von Antibiotika in unserer Umwelt gefördert. Eine Forschergruppe am Antimicrobial Research Centre der McMaster University in Ontario, Kanada, untersuchte den Resistenzstatus von Streptomyces-Keimen in Bodenproben. Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift »Science« (311, Seite 374 bis 377) veröffentlicht wurden, sind alarmierend, könnten aber auch sinnvoll in die Entwicklung neuer Antibiotika eingebunden werden.
Die Wissenschaftler isolierten 480 unabhängige Streptomyces-Stämme, kultivierten diese und testeten sie auf ihr Resistenzverhalten gegenüber 21 Antibiotika. Unter diesen Substanzen waren sowohl neueste Entwicklungen, als auch seit Jahrzehnten angewandte Antibiotika, natürliche Substanzen sowie semisynthetische und vollsynthetische antibiotische Wirkstoffe. Die Auswahl der Substanzen deckte überdies die häufigsten Wirkmechanismen ab. Ausnahmslos jeder der 480 Streptomyces-Stämme war multiresistent, wobei es nahezu 200 unterschiedliche Kombinationen gab. Am häufigsten traten Sieben- beziehungsweise Achtfach-Resistenzen auf, zwei Stämme zeigten sich sogar gegen 15 der 21 Antibiotika unempfindlich. Ein beunruhigendes Ergebnis, umso mehr, als auch neue Antibiotika und Reserveantibiotika von diesen Resistenzen betroffen waren. So zeigten sich fast alle Stämme resistent gegen das erst 2003 zugelassene Daptomycin, für das bislang überhaupt nur von einem Resistenzfall berichtet wurde. Fünf Stämme waren hoch resistent gegen Vancomycin, der oft letzten Hoffnung im Kampf gegen Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus. Viele der 480 Stämme hatten überdies neue Wege gefunden, um sich der Antibiotika zu erwehren. Zumeist handelte es sich dabei um enzymatische Inaktivierungen, die in resistenten humanpathogenen Keimen bislang nicht beobachtet wurden.
Alle Gene, die für Resistenzmechanismen verantwortlich sind, zusammengenommen bezeichnen die Autoren der Studie als »Resistom«. Die einzelnen Gene können Bakterien durch horizontalen Gentransfer untereinander austauschen. Prinzipiell ist damit die Möglichkeit gegeben, dass sie von Bodenbakterien auf humanpathogene Keime übergehen können. Es gibt Hinweise dafür, dass die Vancomycin-Resistenz von Krankheitserregern auf einen solchen Austausch zurückzuführen ist. Das Resistom muss also als Bedrohung der Wirksamkeit unseres Antibiotikaarsenals angesehen werden. Es gibt uns aber andererseits die Möglichkeit, drohenden Resistenzen von Krankheitserregern eine gute Nasenlänge voraus zu sein. Dann nämlich, wenn die Resistenzmechanismen von Umweltkeimen in der Entwicklung neuer Antibiotika von Anfang an Berücksichtigung fänden.