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Wettbewerbsrecht

Rx-Abgabe ohne Rezept unzulässig

14.01.2015  10:26 Uhr

Von Ev Tebroke / Die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments durch einen Apotheker ohne Vorlage eines Rezepts ist wettbewerbsrechtlich unzulässig. Das entschied vergangene Woche der Bundesgerichtshof (BGH). Das Urteil schiebt eventuellen Wettbewerbsvorteilen einiger Apotheker durch uneinheitliche Prozedere bei der Rx-Abgabe einen Riegel vor.

Wer gut und schnell bedient wird, der kommt wieder. Man kann daher durchaus von einem Wettbewerbsvorteil einer Apotheke sprechen, wenn Patienten dort ein verschreibungspflichtiges Medikament zunächst auch ohne Rezept erhalten, und dieses dann vom Arzt nachgereicht wird. Mit seiner Entscheidung, dass in solch einem Fall ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vorliegt, gab der BGH der Klage eines Apothekers gegen eine Kollegin statt.Damit stellte er das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts (LG) Ravensburg wieder her, wenn auch in abgeänderter Form.

 

Die Verschreibungspflicht gemäß Paragraf 48 Arzneimittelgesetz (AMG) diene dem Schutz der Patienten vor gefährlichen Fehlmedikationen und damit gesundheitlichen Zwecken, so der BGH. Verstöße gegen das Marktverhalten regelnde Vorschriften, die den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung bezwecken, beeinträchtigten die Verbraucherinteressen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets spürbar.

 

Verstoß gegen das AMG

 

Im konkreten Fall hatte ein Apotheker eine Kollegin verklagt, weil sie eine Rx-Arznei ohne Vorlage eines Rezepts ausgehändigt hatte. Darin sah er einen Verstoß gegen das im AMG geregelte Verbot, Rx-Medikamente ohne Vorlage einer ärztlichen Verschreibung abzugeben. Nach erfolgloser Abmahnung hatte der Kläger von der Konkurrentin Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung der Abmahnkosten gefordert. Die Apothekerin hatte jedoch entgegengehalten, sie habe sich telefonisch bei einer ihr bekannten Ärztin über die Verschreibung rückversichert und das Rezept sei nachgereicht worden.

Grundsätzlich dürfen Apotheker nur in streng geregelten Ausnahmefällen Rx-Medikamente auch ohne Rezept abgeben. Nach Paragraf 4 der Arzneimittel-Verschreibungsverordnung (AMVV) ist der Apotheker dazu berechtigt, wenn die Anwendung keinen Aufschub erlaubt. In solch einem Fall kann laut AMVV »die verschreibende Person den Apotheker in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten«. Der Arzt hat die Verschreibung aber unverzüglich nachzureichen, entweder schriftlich oder per E-Mail. Eine Dringlichkeit sah der BGH in diesem Fall aber nicht gegeben. »Da zum Zeitpunkt des Besuchs der Apotheke der Beklagten keine akute Gesundheitsgefährdung bestand, war der Patientin auch zuzumuten, den ärztlichen Notdienst im Nachbarort aufzusuchen«, so der BGH.

 

Ursprünglich hatte das LG Ravensburg dem Apotheker recht gegeben. Die Beklagte ging jedoch erfolgreich in Berufung. So argumentierte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, die Apothekerin sei zwar im Sinne der AMVV nicht zur Abgabe ohne Rezept berechtigt gewesen, weil keine Dringlichkeit vorgelegen habe. Jedoch sei der einmalige Gesetzesverstoß der Beklagten aufgrund der damaligen besonderen Situation, insbesondere wegen ihres geringen Verschuldens, nicht geeignet gewesen, Verbraucherinteressen spürbar zu beeinträchtigen.

 

Schadenersatz fällig

 

Das sieht der BGH offenbar anders und hob das OLG-Urteil wieder auf. Wie eine Sprecherin des BGH mitteilte, muss die Beklagte dem Kläger nun Auskunft darüber geben, seit wann und in welchem Umfang Verstöße begangen wurden, unter genauer Angabe der Bezeichnung und Menge des Arzneimittels aufgeschlüsselt nach Monaten. Zudem muss die Apothekerin dem Kläger 1099 Euro Schadenersatz und die seit dem 27. August 2011 angefallenen Zinsen daraus zahlen. Auch die Kosten der beiden Rechtsmittelverfahren hat sie zu tragen. /

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