Nase notorisch in Not |
19.01.2010 15:09 Uhr |
Von Bettina Sauer, Berlin / Mindestens 5 Prozent der Menschen in Deutschland leiden an einer chronischen Entzündung der Nasennebenhöhlen. Die Ursachen sind komplex und längst noch nicht vollständig erforscht. Doch aus dem bisherigen Wissen könnten sich neue Therapien ableiten.
Die Nase ist dauernd verstopft oder läuft ständig, in ihrer Umgebung und im Kopf drückt oder schmerzt es, der Geruchssinn nimmt ab – und das länger als drei Monate, womöglich ein Leben lang. Solche Beschwerden deuten auf eine chronische Rhinosinusitis hin, heißt es in einer S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde zum Thema.
Von einer chronischen Entzündung spricht man, wenn diese länger anhält oder es zu mehr als vier Krankheitsepisoden pro Jahr kommt, ohne dass dazwischen symptomfreie Intervalle liegen.
Foto: Helios
Dabei entwickelt sich in den Schleimhäuten, die die Wände der Nasennebenhöhlen auskleiden, eine dauerhafte Entzündung, die in der Regel auf die Nasenhöhle übergreift und im ganzen System die Luftzirkulation und den Transport von Nasensekreten beeinträchtigt.
Die Symptome ähneln denen der akuten Nasennebenhöhlenentzündung, wenn auch meist in schwächerer Ausprägung. »Dennoch ist die Krankheit keinesfalls banal, sondern sie schränkt den allgemeinen Gesundheitszustand, die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Betroffenen mitunter erheblich ein«, sagte Professor Dr. Werner Hosemann, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten am Universitätsklinikum Greifswald, beim interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer diesen Monat in Berlin.
Bislang lägen zur Häufigkeit in Deutschland keine eindeutigen Daten vor. Doch litten hierzulande schätzungsweise mindestens 5 Prozent aller Menschen an chronischer Rhinosinusitis. Bei knapp der Hälfte der Betroffenen fänden sich zusätzlich Polypen. Dabei handelt es sich um gutartige Schleimhautwucherungen, die in den Nasennebenhöhlen entstehen, in die -haupthöhle einwachsen und dadurch Nasenatmung und Riechsinn beeinträchtigen. Entsprechend unterscheidet die Leitlinie der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte zwischen der polypösen und der nicht-polypösen chronischen Rhinosinusitis.
Ursachen weitgehend unbekannt
Beiden Formen liegen Hosemann zufolge komplexe und bislang höchstens ansatzweise bekannte Entstehungsmechanismen zugrunde. Als mögliche Ursachen gelten der viral oder bakteriell bedingte sowie der allergische Schnupfen, asthmatische Erkrankungen, anatomische Besonderheiten im Nasenraum, eine Unverträglichkeit gegen nicht steroidale Schmerzmittel, in manchen Fällen wohl auch eine Besiedlung der Nasenschleimhäute mit Pilzen. »Den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge scheinen bestimmte Typen von Staphylococcus aureus zur Entstehung der polypösen chronischen Rhinosinusitis beizutragen und nachfolgend das Risiko für asthmatische Erkrankungen zu erhöhen«, sagte Hosemann. Demnach fänden sich bei vielen Betroffenen entsprechende Bakterien, und die von diesen freigesetzten Enterotoxine stimulierten das menschliche Immunsystem zur Bildung von Immunglobulin E (IgE). Diese Antikörper spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Allergien und Asthma. Beteiligt an der Immunreaktion auf die Bakteriengifte sind Hosemann zufolge Typ-2-T-Helferzellen und die von ihnen ausgeschütteten immunologischen Botenstoffe, unter anderem Interleukin 5 (IL5).
Im Einklang mit diesen Beobachtungen gebe es erste Hinweise auf eine Wirksamkeit der monoklonalen Antikörper Omalizumab (gegen IgE) und Mepolizumab (gegen IL5) bei polypöser chronischer Rhinosinusitis. Doch stehe die Sicherung dieser Ergebnisse durch große klinische Studien noch aus. Grundsätzlich hält es Hosemann durchaus für möglich, dass es irgendwann zielgerichtete Therapien gibt, die sich nach dem zuvor getesteten immunologischen Profil der Patienten richten.
Derzeit empfiehlt die Leitlinie der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte zur Diagnose eine genaue Befragung des Patienten bezüglich der Art, Schwere und Dauer der Beschwerden, kombiniert mit einer endoskopischen Untersuchung der Nasenhöhle. Mit Letzterer lassen sich gegebenenfalls entzündliche Schleimhautveränderungen und Polypen erkennen. Zusätzlich können computertomografische Aufnahmen einen Einblick in die Nasennebenhöhlen gewähren. Beim Hinweis auf Allergien oder Schmerzmittel-Unverträglichkeiten empfiehlt die Leitlinie die Überprüfung durch entsprechende Tests.
Erst Medikamente, dann OP
»Bei allergischen und polypösen Formen der chronischen Rhinosinusitis zeigt die Therapie mit Glucocorticoiden in der Regel eine gute Wirksamkeit«, sagte Hosemann. Die Präparate sollten aber möglichst nur örtlich, zum Beispiel als Nasenspray, zum Einsatz kommen, um die Nebenwirkungsrate gering zu halten. Auch Nasenspülungen oder -sprays mit hypertonen Kochsalz-Lösungen eigneten sich vielfach zur Linderung der Symptome, da sie eine Verflüssigung und damit den Abtransport angestauter Nasensekrete bewirkten. »Bei nicht-polypösen Formen verordnen Ärzte meist ein Antibiotikum über mehrere Wochen«, sagte Hosemann und empfahl diesbezüglich Doxycyclin oder Makrolide, da diese Substanzen die Funktionen des Immunsystems normalisierten. Insgesamt unterscheidet sich die Therapie deutlich von der der akuten Nasennebenhöhlenentzündung, bei der vor allem abschwellende Nasensprays und -tropfen, Präparate mit ätherischen Ölen sowie Wärmeinhalationen Verwendung finden.
Wenn die medikamentösen Maßnahmen die chronischen Beschwerden nicht hinreichend bessern, empfiehlt die Leitlinie der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte eine operative Behandlung. Diese erfolgt meist endoskopisch durch die Nasenöffnung. Unter anderem können Chirurgen die Nasenscheidewand begradigen, Polypen entfernen oder entzündete Schleimhaut abtragen. Als neue Methode steht ihnen seit 2008 die Ballon-Sinuplastie zur Verfügung. Dabei werden Ballonkatheter endoskopisch in den Nasenraum eingeführt, an Engstellen im System platziert und kurz aufgepumpt. Der Druck, der dabei entsteht, weitet die verengten Regionen nachhaltig und macht die Passage für Luft und Nasensekrete wieder möglich. Erste Studien zeigen gute Erfolge, allerdings fehlen noch Langzeitdaten. »Insgesamt lässt sich durch das Spektrum der medikamentösen und operativen Therapien vielen Patienten mit chronischer Rhinosinusitis helfen«, sagte Hosemann. Menschen, die schon wochenlang an verdächtigen Symptomen leiden, dürfte also der Hinweis nützen, sich an den Haus- oder Hals-Nasen-Ohrenarzt zu wenden. /