Apotheker helfen Erdbebenopfern |
19.01.2010 15:54 Uhr |
Von Daniela Biermann und Brigitte M. Gensthaler / Die internationale Hilfe für Haiti läuft endlich. Die deutschen Apotheker sind mit zwei Organisationen im Karibikstaat vertreten. »Apotheker ohne Grenzen« und »Apotheker helfen« kümmern sich um die Arzneimittelversorgung in der Hauptstadt Port-au-Prince.
Beide Apothekerorganisationen arbeiten in Haiti mit Humedica zusammen. »Apotheker helfen – Hilfswerk der Bayerischen Apotheker« unterstützte dabei das erste Team der humanitären Organisation aus Kaufbeuren. Es startete kurz nach der Katastrophe in die Karibik. Die Ärzte und Krankenpfleger nahmen ein Erste-Hilfe-Medikamentenpaket, ein sogenanntes Medi-Kit, mit auf die Karibikinsel. Die Kosten teilten sich das Hilfswerk und das deutsche Medikamentenhilfswerk Action Medeor.
Die Menschen in Haiti sind dringend auf Hilfe angewiesen. Gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen kümmern sich Apotheker um die medizinische Versorgung der Erdbebenopfer.
Foto: dpa
Ein Medi-Kit enthält Arzneimittel, Verbandstoffe und einfaches medizinisches Material für die Erstversorgung von 3000 Menschen und reicht etwa drei Wochen. Da es nach WHO-Leitlinien standardisiert ist, kann es im Katastrophenfall weltweit eingesetzt werden.
Das Humedica-Team erreichte vergangenen Freitag die Hauptstadt und fand mit dem Krankenhaus der Organisation »Fondation pour les enfants d’Haiti« einen Einsatzort in erstaunlich gutem Zustand. Nach dem Beben war das Krankenhaus aufgrund von Personal- und Materialmangel vorübergehend geschlossen worden. Vier Chirurgen haben den OP-Saal in Betrieb genommen. Nach eigenen Angaben sind die Humedica-Ärzte mittlerweile an drei Stellen in Port-au-Prince im Einsatz. »Apotheker helfen« unterstützt ihre Arbeit finanziell.
Apothekerin Dr. Julia Micklinghoff vor ihrem Abflug in das Erdbebengebiet.
Foto: AoG
Mit dem zweiten Humedica-Team machte sich dann am Montag Apothekerin Dr. Julia Micklinghoff von »Apotheker ohne Grenzen« auf den Weg nach Haiti. Micklinghoff wird den Ärzten von Humedica dabei helfen, die Erdbebenopfer mit Arzneimitteln zu versorgen. »Apotheker haben einen besseren Überblick über die vorhandenen Medikamente und können den Ärzten den Rücken freihalten«, sagte Steffi Krüger von »Apotheker ohne Grenzen« der Pharmazeutischen Zeitung. Die 30-jährige Micklinghoff aus Hannover wird zusammen mit lokalen Helfern und Dolmetschern unter anderem Arzneimittel an die Bevölkerung abgeben. Wie lange der Einsatz dauern wird, ist noch offen. »Es fehlt an Infrastruktur und Gesundheitsversorgung«, erklärte Krüger die Zustände in dem Karibikstaat. »Der Bedarf ist riesengroß in dem dicht besiedelten Land. Von unserem Hurrikan-Einsatz 2008 haben wir kein besonders positives Bild. Das Land leidet sowohl unter Naturkatastrophen als auch unter Korruption. Wir werden so lange bleiben, wie nötig.« Bei dem Einsatz soll Micklinghoff auch einheimisches Personal schulen, um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen.
Medikamente und Verbandsstoffe
Das bayerische Hilfswerk arbeitet in Haiti mit weiteren Organisationen zusammen. Zu den Kooperationspartnern gehört auch das Kinderhilfswerk »Unsere kleinen Brüder und Schwestern«, das seit mehr als 20 Jahren auf der Karibikinsel tätig ist. Es unterhält dort neben einem Kinderdorf und Schulen auch Therapieeinrichtungen und ein modernes Krankenhaus. Inzwischen wird das Erdgeschoss der Klinik St . Damien wieder genutzt, doch die meisten Patienten müssen im Freien behandelt werden. Die bayerischen Apotheker unterstützen die Arbeit der Ärzte mit Medikamenten, chirurgischen Instrumenten und Verbandstoffen.
Die medizinische Versorgung der Erdbebenopfer kommt in Gang. In den kommenden Tagen wollen die Hilfsorganisationen ihr Engagement weiter ausbauen und noch mehr Helfer, Arzneimittel und Verbandstoffe nach Haiti schicken.
Fotos: Die kleinen Brüder und Schwestern
»Neben Nadeln, Fäden, Arterienklemmen, Pinzetten und Scheren sind Skalpelle in allen Größen dringend nötig«, berichtet Geschäftsführer Dr. Gerhard Gensthaler. Gleiches gelte für Antibiotika, Analgetika, Anästhetika und Desinfizientien. Ein großvolumiger Dampfsterilisator zur Sterilisation von OP-Besteck samt Kerosinkocher löste helle Begeisterung bei den Ärzten aus.
Der Vorstand von »Apotheker helfen« hatte spontan zugestimmt, die Opfer der Naturkatastrophe zu unterstützen. »Für diese armen Menschen werden wir erhebliche finanzielle Mittel einsetzen«, sagte der Vorsitzende Thomas Benkert zu. Mehrere pharmazeutische Großhandlungen in Bayern haben bereits Hilfe zugesagt.
Schon bei früheren Katastrophen hatte das Hilfswerk mit Humedica zusammengearbeitet. »Da Humedica in den vergangenen Jahren kontinuierlich Nothilfe in Haiti geleistet und gute Kontakte im Land aufgebaut hat, kommen unsere Medikamente tatsächlich bei den Opfern an und werden fachgerecht eingesetzt«, sagt Geschäftsführer Gensthaler.
Das Erdbeben mit der Stärke 7,0 ist das schlimmste je gemessene Beben in der Karibik. Es hat die Hauptstadt Port-au-Prince und die Umgebung weitgehend in ein Trümmerfeld verwandelt. Die Schätzungen reichen von 50 000 bis 200 000 Toten; die Zahl der Verletzten ist wesentlich höher.
Betroffen sind laut UNO drei bis vier Millionen Menschen. Die ohnehin schlechte medizinische Versorgung in dem ärmsten Land der westlichen Hemisphäre ist zusammengebrochen. Es fehlt an Medikamenten und Verbandstoffen, und vor allem an sauberem Wasser.
Den Transport der Hilfsgüter übernimmt die Flughafenfeuerwehr München. Die Experten unter Leitung von Dr. Thomas Geiner bringen eine Wasseraufbereitungsanlage und eine mobile Krankenhauseinheit in die Karibik und baten das Apotheker-Hilfswerk um Unterstützung bei der Bereitstellung von Arzneimitteln, Verbandstoffen und OP-Bedarf. »Wir konnten den Feuerwehr-Ärzten circa eine Tonne Material mit auf den Weg geben«, sagt Gensthaler. Außerdem bekamen sie eine Million Wasserentkeimungstabletten, denn die Wasserversorgung ist in Port-au-Prince komplett zusammengebrochen. Die Stromversorgung steht vor dem Aus.
Emergency Kits für Carrefour
Eine weitere Kooperation wird derzeit mit I.S.A.R. Germany (International Search and Rescue) vorbereitet, mit der das Hilfswerk bereits nach dem Erdbeben in Sumatra zusammengearbeitet hat. Ein zweites Einsatzteam der von der UN zertifizierten Organisation, die sich auf die Suche nach verschütteten Menschen und deren Versorgung spezialisiert hat, fliegt dieser Tage nach Haiti. Die Notärzte und Rettungssanitäter, die in Carrefour, der zweitgrößten Stadt Haitis, arbeiten, baten das Apotheker-Hilfswerk um Finanzierung eines Emergency-Health-Kits. Mit diesem von der WHO standardisierten Versorgungspaket können etwa 30 000 Menschen vier Wochen lang medizinisch versorgt werden.
Auch »Apotheker ohne Grenzen« plant weitere Unterstützung für die Menschen in Haiti. Micklinghoffs Einsatz in Hait ist erst der Auftakt des Engagements der deutschen Pharmazeuten. Im Laufe der Woche wird Verstärkung eintreffen. Die Apotheker ohne Grenzen schicken weiteres Personal und ein Emergency Health Kit in den Karibikstaat. »Auf den Umgang mit den Emergency-Health-Kits und die Arbeit unter diesen schwierigen Bedingungen bereiten wir unsere Einsatzkräfte mit Schulungen vor«, berichtet Andreas Portugal, Projektkoordinator der Apotheker ohne Grenzen. »Gerade bei einer Katastrophe von einem solchen Ausmaß ist es wichtig, dass wir uns als Fachleute effizient um die Arzneimittelversorgung kümmern.« Die Apotheker ohne Grenzen planen, ihr Engagement für die leidgeprüfte Bevölkerung Haitis auszuweiten und so lange wie notwendig fortzusetzen. /
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