Arzneimittel für alle – aber wie? |
Cornelia Dölger |
05.08.2021 09:00 Uhr |
Pogge schlägt vor, Pharmafirmen anders für ihre kostspieligen und aufwändigen Forschungen zu entlohnen. Geschehen soll dies mit dem so genannten Health Impact Fund, einem von ihm mitbegründeten alternativen Anreizsystem für die Pharmaforschung. Der Fonds wurde von der US-amerikanischen gemeinnützigen Organisation Incentives for Global Health (IGH) entwickelt, in deren Internationalem Beirat laut IGH-Website Persönlichkeiten wie der weltbekannte Linguist Noam Chomsky oder auch die ehemalige Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sitzen.
Die Idee dahinter ist, dass Pharmafirmen sich künftig nach anderen Anreizen ausrichten als nur nach Patenten und Märkten, nämlich indem sie für die nachweisbaren Gesundheitsgewinne bezahlt werden, die ihre Präparate bei Reichen wie bei Armen erzielen. Anders gesagt: Je mehr Menschen gesundheitlich davon profitieren, desto mehr Geld bekommt das Unternehmen. Dafür sollten die Firmen auf ihre Monopolrechte verzichten, dürften aber ihre Patente auf die Substanzen behalten – ein Aspekt, der auf Kritik stieß, während die Idee des Fonds an sich oft als vielversprechend gewertet wurde. Kurz nach dem Start der Initiative vor mehr als zehn Jahren holte die Bundes-SPD den Health Impact Fund sogar auf ihre Agenda.
Finanziert werden soll das Ganze demnach von Staaten, internationalen Steuern oder auch wohltätigen Geldgebern. Seit der Gründung hätte der Fonds zudem mehrmals öffentliche Fördergelder für die weitere Ausarbeitung des Konzepts erhalten, zuletzt etwa zwei Millionen Euro von der Europäischen Forschungsgemeinschaft, erklärte Pogge. Damit der Plan auch umgesetzt werden könne, brauche es aber mehr: »Wirklicher Erfolg erfordert einen Piloten mit etwa 100 Millionen Euro Ausstattung«, erklärte Pogge. Dies sei aber mehrmals abgelehnt worden, zunächst von China, dann von Deutschland. »Jetzt liegt der Vorschlag beim US-Kongress, wo wir ihn mithilfe von USAID hoffentlich werden durchführen können«, sagte der Wissenschaftler.
Für das Prämiensystem könnten die Pharmafirmen sich freiwillig anmelden. Nach diesem Prinzip, erklärte Pogge, sei es für die Unternehmen reizvoller, an Mitteln zur Ausrottung von Krankheiten zu forschen – essenziell wichtig insbesondere bei Pandemien. »Die Firmen hätten ganz andere Anreize: Sie würden für Gesundheitsgewinne unter Armen genauso gut bezahlt wie für solche unter Reichen und sie erzielten den größten Gewinn, wenn sie eine Krankheit ganz ausmerzen könnten, auch wenn sie nach Erreichen dieses Ziels nichts mehr zu tun hätten«, sagte Pogge. Denn die Belohnungen liefen demnach bis zu zehn Jahre weiter. »Die Erfinderfirma würde weiterhin bezahlt für Abwendung des Schadens, den die Pandemie ohne ihr Eingreifen angerichtet hätte«, erklärte Pogge.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.