Apothekern droht Regelungslücke bei Abgaberegeln |
Bei Nicht-Verfügbarkeit dürfen Apotheken seit der Pandemie auch andere, wirkstoffgleiche Präparate abgeben. Diese Regelung droht nun ohne Nachfolgeregelung auszulaufen. / Foto: IMAGO/Eibner Europa
Seit Monaten arbeitet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) an einem sogenannten Generikagesetz – mit dem Vorhaben will die Ampel-Koalition insbesondere auf die Lieferengpass-Krise reagieren. Mitte Dezember hatte Minister Lauterbach erstmals einen Entwurf noch vor Weihnachten angekündigt. Eine Woche später präsentierte der Minister dann allerdings lediglich Eckpunkte, die mit dem Gesetz geregelt werden könnten. Unter anderem soll es für Apotheken eine Engpass-Pauschale von 50 Cent geben – allerdings nur für bestimmte Arzneimittel, die auch beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) offiziell als Engpass gemeldet sind, und auch nur nach Rücksprache mit dem Arzt.
Zudem ist in den Eckpunkten eine Verstetigung der während der Coronavirus-Pandemie eingeführten Sonderregeln enthalten. Zur Erinnerung: Mit der Sars-Cov-2-Arzneimittelversorgungsverordnung hatte der Verordnungsgeber unter anderem festgelegt, dass Apotheken auch nicht-rabattierte Arzneimittel abgeben dürfen, wenn die Rabattarzneimittel nicht verfügbar sind. Mit dem Generikagesetz will die Ampel-Koalition diese Regeln verstetigen – allerdings ebenfalls nur für offiziell beim BfArM gelistete Engpässe. Doch trotz mehrerer Ankündigungen des Ministers liegt ein offizieller Entwurf des Gesetzes weiterhin nicht vor. Nach Informationen der PZ befindet sich das BMG weiterhin in der Ressortabstimmung mit anderen Ministerien. Eine Ministeriumssprecherin hatte zuletzt gegenüber der PZ bestätigt, dass man die Ressortabstimmung erst im Februar gestartet habe – bis der erste Entwurf bekannt wird, könnten also noch Wochen vergehen.
Durch diese Verzögerungen drohen den Apotheken ab dem 7. April allerdings mehrere Regelungslücken. Schließlich läuft die Sars-Cov-2-Arzneimittelversorgungsverordnung samt ihrer Ermächtigungsgrundlage im Infektionsschutzgesetz an diesem Tag aus. Steht bis dahin keine per Gesetz etablierte Nachfolgeregelung, gelten automatisch wieder die strikteren Abgaberegeln, die die Apotheken vor der Pandemie beachten mussten. Somit wären nicht nur die Aut-simile-Abgaben bei Nicht-Verfügbarkeit, sondern auch gelockerte Regulierungen für die BtM-Abgabe von einer Apotheke an eine andere Apotheke. (Hier sehen Sie alle Inhalte der Verordnung.)
Selbst wenn das BMG den Gesetzgebungsprozess beschleunigt und wider Erwarten schon in den kommenden Tagen einen abgestimmten Entwurf präsentiert, wäre eine Implementierung der Nachfolgeregelung bis zum 7. April nicht mehr zu schaffen. Schließlich müsste der Entwurf noch in die Fachanhörung, die erste Lesung im Bundestag. Auch der Bundesrat müsste sich mit dem Vorhaben beschäftigen, bis es zu einer zweiten Lesung und einem Beschluss im Bundestag kommen könnte. Aus Koalitionskreisen erfuhr die PZ, dass auch die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker von SPD, Grünen und FDP derzeit nicht mehr damit rechnen, dass das Generikagesetz noch vor dem Sommer beschlossen wird.
Aus Apothekensicht stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie das anstehende Regelungschaos verhindert werden könnte. Rein theoretisch wäre es beispielsweise möglich, dass die Ampel-Koalition das sogenannte Gesetz zur Errichtung einer Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) nutzt, um in einem fachfremden Antrag die Verstetigung der gelockerten Abgaberegeln schon vor dem Generikagesetz umzusetzen – das UPD-Gesetz könnte schon im April oder Mai im Bundestag beschlossen werden. Letztlich bestünde auch noch die Möglichkeit einer Friedenspflicht. In der Engpass-Krise hatte Minister Lauterbach die Kassen und Kassenärzte beispielsweise per Brief zuletzt darum gebeten, die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für Rezeptur-Verordnungen zu lockern, damit Ärzte häufiger Rezepturen verordnen. Eine ähnliche Initiative wäre auch hier denkbar: Lauterbach könnte die Krankenkassen bitten, auf Retaxierungen zu verzichten, bis das neue Gesetz gilt.
Ganz unabhängig davon, wie die neuen Abgaberegeln umgesetzt werden, ist die ABDA mit den Inhalten der ersten Eckpunkte ohnehin nicht zufrieden. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte zuletzt mehrfach darauf hingewiesen, dass es aus Apothekensicht nicht praktikabel sei, nur nach einer Arzt-Rücksprache die Engpass-Pauschale abzurechnen. Auch eine Beschränkung auf die beim BfArM gelisteten Arzneimittel lehnt die Standesvertretung ab. Zudem fordert die ABDA eine höhere Vergütung für das Engpass-Management.
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