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Unerwünschte Effekte

Antibiotika und das Darmmikrobiom

Schäden gehen über den Darm hinaus

Schäden gehen über den Darm hinaus

»Eine solche Dysbiose hat Folgen weit über das Intestinum hinaus«, betonte der Mediziner, zum Beispiel wird sie mit Adipositas, Diabetes, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und sogar Krebs in Verbindung gebracht.

Wer mehr als drei Antibiotika-Therapien bekommt, hat zudem ein um 55 Prozent erhöhtes Risiko, an Clostridioides-difficile-Infektionen (CDI) mit sehr starken Durchfällen zu erkranken, die wiederum selbst mit Antibiotika (Metronidazol, Vancomycin oder Fidaxomicin), einem Antikörper (Bezlotoxumab) oder einer Stuhltransplantation behandelt werden müssen. Fidaxomicin als relativ neues Schmalspektrum-Antibiotikum greife dabei die Diversität weniger an als Vancomycin. Zudem sei die Rezidivrate geringer. Daher sei Fidaxomicin direkt zur Erstlinientherapie bei CDI avanciert, während Metronidazol nur noch gegeben werden sollte, wenn die anderen Therapieoptionen nicht verfügbar sind.

Komedikation als Schutzschild

Es werde auch probiert, andere Substanzen zusätzlich zu Antibiotika zu geben, um die »kommensalen« Bakterien nicht abzutöten, zum Beispiel Benzbromaron, Dicumarol oder Tolfenaminsäure, berichtete Solbach. »Das hat in ersten Versuchen zusätzlich zu Erythromycin oder Doxycyclin funktioniert.« Ebenfalls positiv verlief eine Phase-II-Studie mit 223 Patienten, die zusammen mit einem Chinolon ein besonders formuliertes Granulat auf Aktivkohlebasis (DAV132) erhalten hatten, das erst im Dickdarm freigesetzt wird und die dortigen Bakterien schützt. »Die Patienten hatten deutlich niedrigere Konzentrationen der Fluorchinolone im Stuhl, eine weniger beeinträchtigte Diversität des Mikrobioms und es traten weniger CDI auf«, fasste Solbach die Ergebnisse zusammen.

Hilfreich könne auch eine Supplementierung mit kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) und Probiotika sein, doch fehle hier noch die Evidenz für eine klare Empfehlung – auch weil sich die Präparate teils deutlich in ihrer Zusammensetzung unterscheiden.

Die fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) müsse noch weiter optimiert und vor allem auch hinsichtlich ihrer Risiken untersucht werden, damit nicht beispielsweise ein immunsupprimierter Patient eine Spende mit für ihn gefährlichen Bakterien bekommt. Tatsächlich gab es hier vereinzelte Todesfälle – neben vielen teils spektakulären Erfolgsmeldungen.

Die FMT könne tatsächlich eine »One pill fits it all«-Option bezüglich verschiedener Erkrankungen sein, hofft Solbach, aber bis dahin sei es noch ein weiter Weg. »Grundsätzlich muss jede Therapie das Ziel haben, die Eubiose zu bewahren und eine Dysbiose schnell zu korrigieren«, so der Oberarzt. Dazu gehöre auch ein sehr gezielter und möglichst sparsamer Antibiotika-Einsatz.

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