Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Resistenzbildung

Antibiotika-Einsatz bei Covid-19 sollte nicht die Regel sein

Experten sorgen sich, dass ausgerechnet die von einem Virus ausgelöste Pandemie die Resistenzentwicklung bei Bakterien befeuern könnte. Denn es bekommt oder bekam wohl ein großer Teil der Covid-19-Patienten Antibiotika – teils reflexhaft, wie Kritiker sagen.
AutorKontaktPZ
AutorKontaktdpa
Datum 24.02.2021  14:15 Uhr

Eigentlich liegt es auf der Hand: «Covid-19 ist eine reine Virusinfektion, da machen Antibiotika keinen Sinn», stellt Professor Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitäts-Klinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), klar. Der Koordinator der jetzt aktualisierten Behandlungsempfehlungen für hospitalisierte Covid-19-Patienten verweist auch auf Nebenwirkungen und Kosten.

Die Gründe, aus denen die Mittel dennoch eingesetzt werden, sind vielschichtig. Ein Anwendungsfall sind schwer an Covid-19 erkrankte Menschen, die intensivmedizinisch versorgt werden. «Wenn ein Patient länger auf der Intensivstation liegt, mehrere Wochen zum Beispiel, dann hat er in der Regel auch Antibiotika bekommen», erläutert Kluge. Hier geht es nicht darum, Covid-19 zu begrenzen: Während der Behandlung auf der Intensivstation träten oftmals bakterielle Infektionen über Schläuche und Katheter auf, so Kluge.

Das Regionalbüro Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellte im November 2020 und mit Blick auf neun europäische Länder und Regionen fest: Es gebe Hinweise, dass bis zu 15 Prozent der schwer betroffenen Covid-19-Patienten eine bakterielle Koinfektion entwickeln und Antibiotika benötigen könnten, «während 75 Prozent diese tatsächlich erhalten».

Antibiotika zur Vorsorge und rechtlichen Absicherung

Solche Diskrepanzen könnten mit Schwierigkeiten bei der Diagnostik zu tun haben. Bei schwersten Lungenentzündungen lasse sich oftmals nicht klären, welche Erreger im Spiel sind, schildert Dr. Tim Eckmanns, der am Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin das Fachgebiet für Krankenhausinfektionen, Überwachung von Antibiotikaresistenzen und -verbrauch leitet. Um Leben zu retten, werden Antibiotika somit auch in der Hoffnung verabreicht, mutmaßlich auch vorhandene Bakterien zu bekämpfen.

Antibiotika kommen aber nicht nur zum Einsatz, wenn es um Leben und Tod geht. Professor Dr. Jörg Janne Vehreschild koordiniert an der Uniklinik Köln das europäische Fallregister Leoss, in dem bisher rund 7000 vollständige Datensätze zur Behandlung von Covid-19-Patienten dokumentiert sind. Demnach erhielt mehr als jeder Vierte (28 Prozent) der erfassten nicht-sauerstoffpflichtigen Patienten diese Arzneimittel. Vehreschild sagt, es gehe teils um relativ fitte, ambulante Patienten.

Und von den Patienten, die mit Sauerstoff versorgt werden müssen, bekämen nach seinen Daten sogar 80 Prozent Antibiotika. «Ich glaube, wir setzen in der Pandemie viel zu viel Antibiotika ein», meint Vehreschild. Neben der Gefahr der Resistenzentwicklung befürchtet er auch schädliche Folgen für Patienten, unter anderem weil Antibiotika die Immunfunktion schwächten. Frühere Studien hätten gezeigt, dass sie den Verlauf von Virusinfektionen sogar verschlimmern können, das sei auch bei Covid-19 nicht auszuschließen.

Es ist ein Dilemma: «Zum Antibiotikum greift man bei Atemwegsinfektionen leider relativ schnell, weil sich bei bakteriellen Infekten auch eine Sepsis (Blutvergiftung) entwickeln kann», berichtet Kluge. Angesetzt seien die Mittel schnell, aber das Absetzen falle schwer und sei die eigentliche Kunst.

Verschrieben würden die Mittel aus unterschiedlichen Gründen: Ein vorsorglich ausgestelltes Rezept könne rechtlich eine Absicherung sein, sollte es später doch Komplikationen geben, erklärt er. Experten betonten, dass auch die Patienten mit der Erwartung an die Verschreibung zum Arzt gehen. Teils wird so ein Mittel wohl auch schon verschrieben, bevor das PCR-Testergebnis vorliegt. Die WHO berichtete, dass Menschen es auch einnahmen, weil sie fälschlicherweise glaubten, damit einer Coronavirus-Infektion vorzubeugen.

Hoffnungsträger enttäuscht: Azithromycin

Als falsch erwiesen haben sich auch die Hoffnungen bei einem bestimmten Antibiotikum namens Azithromycin. Da es in vitro antiviral wirksam ist, hatten sich Mediziner einen klinischen Effekt erhofft. Doch mittlerweile gelte Azithromycin bei Covid-19 als «nicht wirksam», betont Kluge.

Für Spanien zeigte eine Studie einen Anstieg beim Verbrauch um 400 Prozent allein im März 2020 im Vergleich zum Monat zuvor; und zudem starke Zunahmen beim Verbrauch mehrerer Breitbandantibiotika. Für Deutschland laufe die Datenauswertung zum Antibiotikaverbrauch noch, das Gesamtbild sei daher unklar, sagt Eckmanns.

Zwar zeichne sich ab, dass einige Antibiotika wesentlich mehr gegeben wurden, etwa Azithromycin. Es könne sich bis Ende 2021 aber auch herausstellen, dass der Gesamtverbrauch sogar gesunken ist – da wegen abgesagter Operationen weniger Patienten in Krankenhäusern behandelt wurden.

«Die Resistenzentwicklung ist zwar keine unmittelbare Katastrophe, sondern eine Entwicklung über Jahre», sagt Kluge. «Man kann trotzdem nicht genug darauf hinweisen, dass das ein ernstzunehmendes Problem ist. Wir haben es jetzt mit einer Virus-Pandemie zu tun, aber wir sind ja in den letzten Jahren in Deutschland auch immer wieder mit Ausbrüchen von multiresistenten Bakterien konfrontiert worden.»

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa