Angst vor Cholera und anderen Seuchen im Erdbeben-Gebiet |
Ein Zeltdach über dem Kopf, aber keine oder zu wenige sanitäre Anlagen: Das ist ein Problem in den Erdbebengebieten und erhöht die Seuchengefahr. / Foto: Imago/Depo Photos
Während die unmittelbaren gesundheitlichen Bedürfnisse nach den Beben vor allem mit Traumata und der unterbrochenen Gesundheitsversorgung zusammenhingen, könnten Infektionserkrankungen in den kommenden zwei bis vier Wochen Anlass zur Sorge geben, teilte die EU-Behörde ECDC am Montag in Stockholm mit. Krankheiten, die durch Lebensmittel und Wasser übertragen werden, sowie Atemwegsinfektionen und durch Impfung vermeidbare Infektionen stellten in der kommenden Zeit ein Risiko dar, erklärte die Behörde. Sie hätten das Potenzial, Ausbrüche zu verursachen, insbesondere wenn Überlebende in provisorischen Unterkünften unterkämen.
Die beschädigte Infrastruktur etwa von Wasser- und Stromleitungen verursache unter anderem einen begrenzten Zugang zu sauberem Wasser, unzureichende Sanitäranlagen und mangelnde Kühlung für Lebensmittel, schrieb das ECDC. Dies könne zum Auftreten und zur Verbreitung von Krankheiten führen, die sich über Nahrung und Wasser übertragen. Es sei möglich, dass die Zahl der Cholera-Fälle in den betroffenen Gebieten in den kommenden Wochen ansteige, wobei Cholera im vom Bürgerkrieg heimgesuchten Nordwesten Syriens ohnehin schon ein Problem darstelle.
Im Nordwesten Syriens seien die Menschen aufgrund von Krieg und Vertreibung seit langem medizinisch unterversorgt, sagte die stellvertretende Vorsitzende von Ärzte ohne Grenzen, Parnian Parvanta, der Deutschen Presseagentur. «Schon vor den Erdbeben gab es in dieser Region Fälle von Cholera.»
Laut UN gibt es derzeit in Nordwestsyrien 47.000 Verdachtsfälle sowie 20 Todesfälle, die womöglich im Zusammenhang mit Cholera stehen. Im vergangenen Jahr starben in Syrien Dutzende an der Durchfall-Erkrankung. Eigentlich ist Cholera leicht zu behandeln – wenn Betroffene Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Cholera kann laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch erheblichen Flüssigkeitsverlust zu Nierenversagen oder gar zum Tod führen.
«Die Situation könnte außer Kontrolle geraten», sagt auch der für Syrien zuständige UN-Nothilfekoordinator Muhannad Hadi. Er sieht auch in der Türkei die Gefahr für einen Cholera-Ausbruch, vor allem wenn die Temperaturen wieder steigen.
Der Chef der Ärztekammer Adana, Selahattin Mentes, erkennt in der Türkei aktuell zwar noch keine Anzeichen dafür, warnt aber: Sichere Unterkünfte wie Container, Versorgung mit fließendem Wasser, Hygiene und Müllentsorgung seien nun das Drängendste, um Infektionskrankheiten zu vermeiden. Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen fordert eine rasche Notfallversorgung mit Wasser und Sanitäranlagen im Erdbebengebiet.