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Antiadipositum

Amfepramon geht vom Markt

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat sich dafür ausgesprochen, die Zulassung für Abnehmmittel mit dem Wirkstoff Amfepramon zu widerrufen. Als Grund wird ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis genannt.
Annette Rößler
15.06.2022  16:00 Uhr

Amfepramon ist ein Amfetaminderivat, das aufgrund seiner sympathomimetischen Wirkung als Appetitzügler eingesetzt wird. Der Ansatz gilt als veraltet; in der EU sind Amfepramon-haltige Präparate wie Regenon® und Tenuate® außer in Deutschland nur noch in Dänemark und Rumänien auf dem Markt. Sie dürfen adipösen Patienten (BMI ≤ 30) nach erfolglosen anderen Abnehmversuchen zusätzlich für vier bis sechs Wochen und maximal drei Monate verordnet werden.

Damit ist jedoch bald Schluss: Der Pharmakovigilanzausschuss der EMA empfiehlt, die Zulassungen entsprechender Präparate zu widerrufen. Eine Sicherheitsüberprüfung habe ergeben, dass die Mittel häufig länger als drei Monate angewendet würden, wodurch die Gefahr von Nebenwirkungen steige. Diese könnten unter anderem Lungenhochdruck und Abhängigkeit umfassen und potenziell schwerwiegend sein. Auch den offenbar stattfindenden Einsatz von Amfepramon bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen in der Vorgeschichte und in der Schwangerschaft hält die EMA für sehr bedenklich.

Man habe erwogen, zusätzliche Auflagen zu erlassen, um diese Gefahren abzuwenden, jedoch keine ausreichend wirksamen Maßnahmen identifizieren können, teilte die Behörde mit. Die Nutzen-Risiko-Bilanz falle auch deswegen zuungunsten von Amfepramon aus, weil die Wirksamkeit meist nur vorübergehend sei – die Patienten nähmen nach dem Absetzen häufig schnell wieder zu. Abnehmmittel mit Amfepramon sollten daher EU-weit vom Markt genommen werden und Heilberufler sollten für betroffene Patienten andere therapeutische Optionen wählen.

Die EMA-Empfehlung muss nun noch von der zuständigen Stelle bei der EU, der Koordinationsgruppe CMDh, übernommen werden, bevor sie in Kraft tritt. Dies kann jedoch als Formsache gesehen werden, zumal es den Herstellern entsprechender Präparate schwerfallen dürfte, Argumente zu finden, die die EMA dazu bewegen würden, ihre Einschätzung zu ändern.

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