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Alzheimer durch Herpesviren?

Die Liste der Hypothesen zur Entstehung von Alzheimer ist lang. Eine darunter: Krankheitserreger könnten ursächlich sein. Diese Hypothese stärken nun US-amerikanische Wissenschaftler. Die Infektion von »Mini-Gehirnen« mit dem Herpes-simplex-Virus-1 (HSV-1) rief für Alzheimer typische Veränderungen hervor.
Carolin Lang
08.05.2020  14:38 Uhr

Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichte die Arbeitsgruppe um Professor Dr. David L. Kaplan von der Tufts-Universität in Massachusetts kürzlich in der Fachzeitschrift »Science Advances«. Anhand eines biotechnologisch hergestellten 3D-Hirnmodells stellten sie fest, dass die Infektion dieses Gewebes mit HSV-1 zu Amyloid-Plaque-ähnlichen Formationen sowie zu einer Neuro-Inflammation führt. Beides ist typisch für Alzheimer.

Eine Theorie in der Alzheimerforschung ist, dass diese Plaques als Abwehr gegen Viren und Bakterien fungieren könnten. Wurde das Gewebe mit Valaciclovir behandelt, schien es vor HSV-1-Schäden geschützt zu sein, berichten die Forscher. Ungeklärt bleibt, warum HSV-1 scheinbar bei einigen Menschen ins Gehirn eindringt, bei anderen aber nicht. Personen mit einer altersbedingt oder genetisch bedingten schwächeren Blut-Hirn-Schranke seien möglicherweise stärker gefährdet, so die Erstautorin der Publikation Dr. Dana M. Cairns.

Das Gewebe für das Hirnmodell wurde aus Hautzellen gebildet, die zuvor durch gentechnische Methoden zu Stammzellen umgewandelt wurden. Dies »Tissue-Engineering-System« verfüge über Neuronen mit Axonen und Dendriten, die elektrische Signale senden und empfangen, sowie über Synapsen, an denen sich die Neuronen verbinden, und über »erstaunliche Netzwerke«, erklärt Kaplan laut der wissenschaftlichen online-Plattform »STAT«. Anhand dieses Modells hoffen Cairns und Kollegen nun zu testen, ob auch andere Pathogene eine Plaquebildung in ihren Hirnmodellen verursachen.

Die Neuropathologin Professor Dr. Ruth Itzhaki von der Universität Manchester in England schätze die Ergebnisse als sehr bedeutend ein, heißt es auf der Plattform. Die Professorin erforscht selbst die Rolle von Viren und Bakterien bei der Entstehung von Alzheimer. Die Arbeitsgruppe um Kaplan habe gezeigt, dass die Reaktion des menschlichen Gehirns auf HSV-1 und andere Viren die eigentliche Ursache der Alzheimer-Erkrankung sein könnte. Möglicherweise könne eine Infektion die Erkrankung schon Jahre vor Beginn der Symptome in Gang bringen, und Plaques und andere Pathologien seien lediglich eine Abwehrreaktion auf die wahre Ursache, so Itzhaki. Das könne darauf hindeuten, dass antivirale Medikamente niemals gegen die Symptome der Erkrankung wirksam sein werden: Der Schaden sei dann längst angerichtet.

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