Ärzte kritisieren Apotheken-Impfungen zwischen den Zeilen |
Geht es nach den Ärzten, würden sie die Booster-Impfungen gerne alleine stemmen. Allenfalls die Zahnärzte könnten in ihren Augen aushelfen, nicht aber die Apotheker. / Foto: Imago Images/Marc John
Über Monate hatten sich viele Ärzte zuletzt in einem erbitterten Grabenkampf verloren. Impfungen in Apotheken gehen gar nicht aus ihrer Sicht. Genau das ist jedoch möglich seit dem vergangenen Herbst. Bundesweit gibt es inzwischen verschiedene Pilotprojekte, in deren Rahmen Apotheker die Grippeimpfung übernehmen. Mit scharfen Worten hatte etwa die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) diese Modelle in den zurückliegenden Monaten immer wieder kritisiert. Demnach fehle den Apothekern schlichtweg die fachliche Kompetenz für diese Aufgabe.
Die Politik allerdings scheint da ganz anderer Meinung zu sein. In Zukunft sollen nun auch Apotheker ebenso wie Zahnärzte gegen Covid-19 impfen können. Möglich machen wollen die Ampel-Parteien das über eine Ergänzung im Infektionsschutzgesetz. Grund ist die vierte Welle der Pandemie, die laut Experten allein mit mehr Impfungen zu brechen ist.
Gegen diese Argumente kam auch die Ärzteschaft zuletzt nicht mehr an. Der große Aufschrei angesichts der Ampel-Pläne jedenfalls ist bislang ausgeblieben. Zwischen den Zeilen allerdings wird dennoch Kritik laut. So hat die KBV eilig eine Rechnung zum Impffortschritt in Deutschland aufgestellt. Demnach können die Praxen die gewünschten 30 Millionen Booster-Impfungen bis Jahresende weitgehend alleine stemmen. 17,4 Millionen Impfungen stünden bis Weihnachten noch aus, ganze 75 Prozent davon könnten die Praxen übernehmen, schreibt die KBV und beruft sich auf die Statistiken zu täglich verabreichten Dosen. »Steuert der Öffentliche Gesundheitsdienst die weiteren 25 Prozent hinzu, ist das Impfziel zu schaffen.« Die Botschaft dieser Rechnung ist recht eindeutig: Weitere Berufsgruppen braucht es für die Covid-19-Impfung schlichtweg nicht.
Zumindest Apotheken sind aus Sicht der Ärzte überflüssig für diese Aufgabe. Das hatte die KBV zuletzt indirekt auch über ein Lob der Zahnärzteschaft deutlich gemacht. Diese Mediziner in die Impfungen einzubeziehen, können die Kassenärzte immerhin nachvollziehen, »denn die notwendige Kompetenz liegt bei ihnen vor«, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. Schließlich gehe es bei einer Impfung um mehr als nur einen Piks. Dass die Politik ebenso die Offizinen mit einbinden will, ließ Gassen geflissentlich unkommentiert.
Offene Kritik an den Apothekern fällt den Ärzten offenbar zunehmend schwer vor dem Hintergrund der dramatischen Corona-Fallzahlen. Im Streit um Impfungen in der Offizin haben sie ihre Polemik jedenfalls deutlich heruntergefahren. Auch in Baden-Württemberg ist es ruhiger geworden. Dort wollte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) bereits im Oktober eine Petition für das Dispensierrecht im Notdienst auf den Weg bringen, als Reaktion auf die Grippeimpfung in Apotheken. Bislang allerdings hat die KV das Projekt erst einmal zurückgestellt.
Derweil haben die Ärzte einen ganz anderen Hebel gefunden, um gegen die Impfung in der Offizin zu argumentieren. So können Ärzte den in Deutschland beliebtesten Impfstoff Comirnaty®(Biontech/Pfizer) derzeit nur kontingentiert bestellen. Hintergrund sind die schwindenden Rücklagen des Bundes. Damit reichten die Vakzine noch nicht einmal für alle Praxen, schreibt die KV Berlin. »Da haben wir null Verständnis dafür, dass jetzt auch noch Apotheken mitimpfen sollen.« Auch die KBV forderte noch einmal verlässliche Zusagen der Politik. »Die Impfstoffmengen müssen ausreichend hoch bemessen sein, die Ärzte müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Bestellungen auch vollständig und rechtzeitig ausgeliefert werden«, sagte KBV-Vize-Chef Stephan Hofmeister. Für Spikevax® von Moderna sowie Vaccine Janssen® gibt es derzeit allerdings keinen Bestelldeckel. Einen handfesten Impfstoff-Engpass erlebt Deutschland jedenfalls nicht.
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