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Retrospektive

25 Jahre PZ-Innovationspreis

Der PZ-Innovationspreis wird in diesem Jahr beim Pharmacon-Kongress in Meran zum 25. Mal vergeben. Das Jubiläum nimmt die PZ zum Anlass, alle Preisträger Revue passieren zu lassen, und beleuchtet kritisch, ob sie sich in den Therapiealltag integrieren ließen beziehungsweise welche neuen Therapierichtungen sie induziert haben.
Theo Dingermann
15.01.2019  11:18 Uhr

Der erste Gewinner des PZ-Innova­tionspreises im Jahre 1995 hieß Abciximab (ReoPro®). Auch wenn dies nun schon ein Viertel Jahrhundert her ist, ist der Wirkstoff nicht in Vergessenheit geraten, obwohl er zu einem Zeitpunkt zugelassen wurde, als das zentrale Zulassungsverfahren für rekombinante Wirkstoffe bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA noch gar nicht etabliert war. Abciximab ist daher einer von 19 rekombinanten Wirkstoffen, für die kein European Public Assessment Report (EPAR) verfügbar ist. Aber auch ohne Report lassen sich alle relevanten Informationen finden. So wird der 1995 von Lilly zugelassene Wirkstoff beispielsweise immer noch in allen relevanten Leitlinien gelistet und ist somit eine wichtige Option für eine anti­thrombotische Therapie.

Erster zugelassener rekombinater Antikörper

Aus pharmakologischer Sicht war Abciximab ein lupenreiner innovativer Wirkstoff. Er war der erste Vertreter einer Gruppe von zwischenzeitlich drei molekular sehr verschiedenen Wirkstoffen, die mit dem GPIIb/IIIa-Rezeptor auf der Oberfläche von Thrombo­zyten ein damals neues Target adressierten. Dadurch werden die Thrombozytenaggregation sowie die nachfolgende Thrombose verhindert.

Womöglich noch beeindruckender war Abciximab aus pharmazeutischer Sicht. Es war der erste rekombinante Antikörper, der als Therapeutikum zugelassen wurde. Um immunologisch verträglich zu sein, war der zunächst in der Maus entwickelte monoklonale ­Antikörper mithilfe gentechnischer Methoden derart modifiziert worden, dass alle konstanten Regionen durch entsprechende Regionen eines humanen Antikörpers ersetzt worden waren. Abciximab war also der erste murin/human-chimäre Antikörper, dem etliche weitere folgen sollten.

Zum Erstaunen der damaligen Fachöffentlichkeit wurde zudem nicht etwa das komplette Antikörpermolekül, sondern ein von dem Antikörper abgeleitetes Fab-Fragment zugelassen. Dies war konsequent und im Sinne der Sicherheit des Wirkstoffs weise, da das Interventionsprinzip nur eine funktionelle Blockade des Rezeptors erforderte. Durch die Bindung eines kompletten IgG1-Moleküls auf der Thrombozyten­oberfläche wäre eine über den Fc-Teil vermittelte, komplement­abhängige Zerstörung der Zellen mit dadurch bedingter Thrombozytopenie nicht auszuschließen gewesen.

Bis heute ohne Konkurrenz

Ein Blockbuster ist ReoPro, das heute von Janssen-­Cilag vertrieben wird, nie gewesen. Das lag unter anderem da­ran, dass das Antikörperfragment zu einem Zeitpunkt zugelassen wurde, als die Preise für Innovatorprodukte noch nicht derart Schwindel erregende Größenordnungen erreichten, wie das heute der Fall ist. Zudem ist Abciximab kein Wirkstoff, der routinemäßig eingesetzt werden konnte. Sein Einsatz erfordert einen Klinikaufenthalt, bei dem der Wirkstoff über zwölf Stunden mit einer Rate von 0,125 µg/kg/min kontinuierlich intravenös infundiert wird; eine Infusionsrate von 10 µg/min darf nicht überschritten werden. Vielleicht auch aus diesem Grund sind bis heute keine von Abciximab abgeleiteten Biosimilars zugelassen, sodass Abciximab auch noch nach 25 Jahren konkurenzlos »innovativ« ist. 

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