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Experten: Gegenwärtiger Medikationsplan bringt nichts

Der vor einem Jahr eingeführte schriftliche Medikationsplan für Patienten mit Polymedikation bringt wenig bis gar nichts. Das hat eine Untersuchung des Bremer Instituts für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG) im Auftrag der hkk Krankenkasse ergeben. 324 Versicherte wurden dafür befragt, alle mit Anspruch auf einen solchen Plan. Er muss seit Einführung des E-Health-Gesetzes 2016 all jenen Patienten angeboten werden, die dauerhaft drei oder mehr systemisch wirkende Arzneimittel einnehmen.

 

Trotz des gesetzlich festgelegten Anspruchs hatten jedoch nur 38 Prozent der befragten Patienten tatsächlich einen Medikationsplan bekommen. Und selbst von jenen, die einen erhalten hatten, gaben 25 Prozent an, gar nicht oder nur unzureichend über den Sinn des Papiers aufgeklärt worden zu sein. 21 Prozent erklärten, ihr Arzt habe sie weder über den Nutzen ihrer Medikamente informiert noch darüber, wie und wann sie eingenommen werden sollen.

 

Ein Mitwirken von Apothekern am schriftlichen Medikationsplan hatte das E-Health-Gesetz nicht vorgesehen. Die Folgen zeigen sich nun: Obwohl auch verschreibungsfreie Medikamente zu Wechselwirkungen mit anderen Präparaten führen können, erklärte mehr als die Hälfte (51 Prozent) der befragten Versicherten, ihr Arzt habe sie nicht gefragt, ob sie zusätzlich rezeptfreie Mittel einnehmen. 43 Prozent hatte ihr Mediziner auch nicht erklärt, dass sie den Plan beim Besuch anderer Ärzte mitnehmen und gegebenenfalls ergänzen lassen müssen.

 

«Das Ziel, die Arzneimitteltherapiesicherheit für multimorbide, von Polypharmazie betroffene Patienten zu erhöhen, wurde nur für eine Minderheit erreicht», so die Bilanz von BIAG-Studienleiter Bernhard Braun. Man müsse viele konzeptionelle Mängel beheben, damit der Medikationsplan vollständig, verständlich und steuerungsfähig werde.

 

Bislang sei etwa nicht verbindlich festgelegt, ob und wie sich Ärzte darüber informieren müssen, welche Arzneimittel ihre Patienten von anderen Ärzten erhalten haben, kritisierte Braun. Außerdem räumten die Bestimmungen zum Medikationsplan mit Formulierungen wie «sofern möglich» oder «in der Regel» Ärzten einen zu großen Gestaltungsspielraum ein. «Wir müssen sie präzisieren und verpflichtend machen», so Braun.

 

Es ist ein offenes Geheimnis, dass selbst Fachleute den Sinn des schriftlichen Medikationsplans auf Papier inzwischen bezweifeln. Er soll ab 2018 durch einen elektronischen Medikationsplan abgelöst werden. Auf diesen sollen auch Apotheker zugreifen können – wie genau, ist aber noch unklar. (ap)

 

02.10.2017 l PZ

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