Zulassung für Sepiapterin |
Brigitte M. Gensthaler |
07.08.2025 07:00 Uhr |
Angeborene Stoffwechselstörungen wie eine Phenylketonurie werden heute in der Regel beim Neugeborenen-Screening entdeckt. / © Adobe Stock/Kati Finell
Sepiapterin (Sephience™, PTC Therapeutics International) aus der Klasse der Pteridine ist zugelassen zur Behandlung der Hyperphenylalaninämie bei Erwachsenen und Kindern mit Phenylketonurie (PKU). Dies ist eine seltene angeborene Erkrankung des Aminosäurestoffwechsels, bei der die essenzielle Aminosäure Phenylalanin aufgrund eines Mangels an Phenylalanin-Hydroxylase nicht zu Tyrosin verstoffwechselt werden kann.
In der Folge kommt es zu einer neurotoxischen Ansammlung von Phenylalanin, die zu schweren und irreversiblen Symptomen wie geistige Behinderung, Krampfanfälle, Entwicklungsverzögerungen, Gedächtnisverlust sowie Verhaltens- und Emotionsstörungen führt. Die Diagnose wird in der Regel beim Neugeborenen-Screening gestellt. Weltweit leben schätzungsweise 58.000 Menschen mit PKU.
Die Patienten müssen meist lebenslang eine streng eiweißarme Diät einhalten. Seit 2009 ist Sapropterin (Kuvan®), ein synthetisch hergestelltes Tetrahydrobiopterin zugelassen, das aber nicht die Diät ersetzt. Im Jahr 2019 kam die pegylierte, rekombinante Form des Enzyms Phenylalanin-Ammoniaklyase, Pegvaliase (Palynziq®), als erste Enzymersatztherapie für Patienten ab 16 Jahren auf den Markt.
Sepiapterin ist als Pulver zum Einnehmen (Beutel mit 250 mg und 1000 mg) im Handel. Die empfohlene Tagesdosis hängt vom Alter und vom Körpergewicht ab und beträgt bei Patienten ab zwei Jahren 60 mg/kg/Tag. Dies ist zugleich die empfohlene Höchstdosis. Die Fachinformation enthält umfangreiche Tabellen für die individuelle Dosierung.
Das Medikament sollte einmal täglich zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden. Vorher wird das Pulver mit Wasser, Apfelsaft oder einer kleinen Menge weicher Nahrung wie Apfelmus oder Marmelade vermischt und gut durchgerührt. Kleinen Kindern kann man die Flüssigkeit mit einer Dosierspritze geben. Das Pulver kann nach dem Vermischen mit Wasser auch über eine enterale Ernährungssonde verabreicht werden.
Sepiapterin ist eine Vorläuferverbindung von Tetrahydrobiopterin (BH4), die rasch absorbiert und intrazellulär in BH4 umgewandelt wird. BH4 ist ein wichtiger Kofaktor für das Enzym Phenylalanin-Hydroxylase (PAH). Zudem wirkt Sepiapterin als pharmakologisches Chaperon, das die Stabilität und Aktivität der defekten PAH verbessert.
Das Medikament wirkt also auf zwei Wegen: Es verbessert die Konformationsstabilität von fehlgefalteter PAH und erhöht die intrazellulären Konzentrationen von BH4. In der Folge sinken die Phenylalanin-(Phe-)Spiegel im Blut deutlich.
Wirksamkeit und Sicherheit von Sepiapterin wurde in mehreren Studien getestet. Im offenen Teil der internationalen, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie APHENTIY mit rund 150 Patienten sprachen 73 Prozent der Patienten (n = 114) auf den Wirkstoff an. Bei ihnen fiel der Phe-Spiegel im Blut um mehr als 15 Prozent gegenüber dem Ausgangswert ab. Im zweiten Studienteil erhielten 98 Responder sechs Wochen lang entweder Placebo oder Verum mit einer Dosissteigerung alle zwei Wochen (20, 40 und 60 mg/kg täglich). Nach sechs Wochen Sepiapterin (n = 49) war die Phe-Konzentration im Blut signifikant abgefallen (–63 Prozent versus –1 Prozent unter Placebo).
In einer randomisierten, offenen Zweifach-Crossover-Studie der Phase II wurde Sepiapterin verglichen mit Sapropterin bei 24 PKU-Patienten, die in sechs Gruppen mit je vier Patienten aufgeteilt waren. Jede Gruppe erhielt sieben Tage lang Sepiapterin 20 oder 60 mg/kg/Tag oder Sapropterin 20 mg/kg/Tag, jeweils gefolgt von einer siebentägigen Auswaschphase. Die Behandlung mit Sepiapterin reduzierte die Phe-Konzentrationen im Blut gegenüber Baseline statistisch signifikant und es kam unabhängig von der Dosis bei einem größeren Teil der Patienten zu Plasmaspiegel-Reduktionen von mindestens 10, 20 und 30 Prozent als unter Sapropterin. Zudem erreichten mehr Patienten mit Sepiapterin 60 mg/kg/Tag normale Phe-Konzentrationen im Plasma (< 120 µmol/l) und Konzentrationen im Zielbereich (≤ 360 µmol/l).
In einer laufenden Phase-III-Studie werden Sicherheit und Phe-Toleranz in der Langzeitbehandlung bei 169 Patienten geprüft. Nach vorläufigen Daten können die Patienten täglich mehr von der Aminosäure aufnehmen und die Phe-Spiegel bleiben dennoch im Zielbereich. Dies deutet darauf hin, dass Patienten unter Sepiapterin ihre sehr restriktive Ernährungsweise lockern könnten.
In den Studien wurde der neue Wirkstoff gut vertragen. Nach gepoolten Daten aus zwei Studien traten Infektionen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Probleme (Durchfall, Bauchschmerzen) sehr häufig auf; Hypophenylalaninämie und Stuhlverfärbungen waren häufig.
Vorsicht ist geboten bei der gleichzeitigen Anwendung von Sepiapterin mit Arzneistoffen, die über eine Beeinflussung des Stoffwechsels oder der Wirkung von Stickstoffmonoxid (NO) vasodilatierend wirken. Dazu gehören klassische NO-Donatoren ebenso wie Phosphodiesterase-(PDE-)5-Hemmer. Bei gleichzeitiger Therapie mit Levodopa muss man vorsichtig vorgehen, um neurologische Störungen wie Verschlimmerung von Krämpfen, erhöhte Erregbarkeit und Reizbarkeit sowie Krampfanfälle zu vermeiden.
Aus Vorsichtsgründen soll das Medikament in der Schwangerschaft vermieden werden. Bei stillenden Frauen ist eine sorgsame Nutzen-Risiko-Abwägung nötig.
Neben strikter Phenylalanin-armer Diät sind die Therapieoptionen bei Phenylketonurie bisher begrenzt. Die Enzymersatztherapie mit Pegvaliase ist erst ab einem Alter von 16 Jahren zugelassen. Das nun neu eingeführte Sepiapterin ist wie das seit Jahren verfügbare Sapropterin bei Patienten jeden Alters zugelassen und ein neuer oral verfügbarer Wirkstoff, der einmal täglich eingenommen wird.
Auch beim Wirkprinzip gibt es Parallelen zwischem dem Neuling und Sapropterin. Letzteres ist die synthetisch hergestellte Kopie von Tetrahydrobiopterin (BH4), Sepiapterin ein natürlicher Vorläufer von BH4. Beide Wirkstoffe sorgen letztlich dafür, dass die PAH-Aktivität erhöht wird. Zusätzlich hat Sepiapterin einen zweiten, unabhängigen pharmakologischen Effekt, indem es selbst an PAH bindet, das Enzym stabilisiert und so dessen Funktion verbessert. Vorteile hat Sepiapterin Untersuchungen zufolge auch in Sachen Bioverfügbarkeit und ZNS-Gängigkeit. Ob dies von klinischer Relevanz ist, muss sich allerdings in der Praxis noch zeigen. Eine kleine Phase-II-Studie fand Vorteile von Sepiapterin im Vergleich zu Sapropterin.
Zusammen mit dem erweiterten Wirkmechanismus rechtfertigt auch dieser Aspekt die vorläufige Einstufung des Neulings bei den Schrittinnovationen. Gespannt darf man auf Ergebnisse einer größeren Phase-III-Studie warten, die aktuell die beiden Pharmakotherapien miteinander vergleicht. Die vorläufige Einstufung von Sepiapterin wird man danach bestätigt wissen oder womöglich revidieren müssen.
Sven Siebenand, Chefredakteur