Wohl dosiert zu Interaktionen mit Alkohol beraten |
Daniela Hüttemann |
10.09.2025 09:00 Uhr |
Die Themen Alkoholkonsum und mögliche Interaktionen mit der Medikation sollten in der Beratung in der Apotheke stärker berücksichtigt werden. / © Getty Images/Cecilie_Arcurs
In Deutschland wird regelmäßig und zum Teil auch viel Alkohol getrunken. Laut Jahrbuch Sucht haben 7,9 Millionen Menschen in Deutschland einen gesundheitlich riskanten Alkoholkonsum, schätzungsweise 1,6 Millionen sind alkoholabhängig.
Im Prinzip könne man bei erwachsenen Apothekenkunden grundsätzlich davon ausgehen, dass sie sehr wahrscheinlich zumindest hin und wieder Alkohol trinken, viele auch regelmäßig, sagte AMTS-Expertin Dr. Verena Stahl vergangene Woche beim Fortbildungskongress der Apothekerkammern Niedersachsen und Westfalen-Lippe auf Langeoog.
»Wir haben immer die Polymedikation und ihre möglichen Wechselwirkung im Fokus, sollten Alkohol hier aber stärker berücksichtigen«, riet die Apothekerin aus Herdecke. »Alkohol wirkt zentral dämpfend und damit sedierend, sturzfördernd, schädigt die Schleimhaut im Gastrointestinaltrakt, hemmt die hepatische Gluconeogenese und wirkt hepatotoxisch. Bei chronischem Konsum ist er CYP2E1-Induktor und bei akuter Intoxikation CYP2E1-Hemmer«, zählte Stahl auf. Dementsprechend groß und vielfältig ist das Interaktionsrisiko.
Dr. Verena Stahl / © PZ/Daniela Hüttemann
Alkohol und Arzneimittel seien grundsätzlich keine gute Kombination. Ein kompletter Alkoholverzicht, gerade dauerhaft, sei aber oft nicht realistisch – und auch nicht immer nötig. Oft kommt es auf die individuelle Konstellation des Patienten und den genauen Arzneistoff an.
Ein Beispiel: Viele Arzneistoffe wirken selbst zentral dämpfend, etwa die älteren H1-Antihistaminika, Antidepressiva, Antiepileptika, Hypnotika, Sedativa, bestimmte Neuroleptika, Opioide und Muskelrelaxanzien. In Kombination mit geringen Alkoholmengen kann es unter der Anwendung zu Benommenheit und einer reduzierten Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit kommen. Das kann man noch in Kauf nehmen, wenn man nicht Auto fährt oder Maschinen bedienen muss. »Größere Mengen Alkohol sind in dieser Kombination jedoch verboten – die Sturzgefahr erhöht sich und das Risiko für eine Atemdepression auch«, warnte Stahl.
Ihr pragmatischer Tipp, auch für eine behutsame Kommunikation: »Immer, wenn Sie auf den Effekt des Arzneimittels auf das Autofahren aufmerksam machen, weisen Sie auch auf Wechselwirkungen mit Alkohol hin.« Zum Beispiel so: »Dieses Arzneimittel verträgt sich übrigens nicht gut mit Alkohol. Einige Nebenwirkungen können durch Alkohol verstärkt werden. Zum Beispiel kann es zu verstärkter Benommenheit, Schwindel und Müdigkeit kommen.«
»Sagen Sie aber auch, wenn ein moderater Konsum okay ist«, riet Stahl. Liegt eine absolute Kontraindikation vor, sollte man dagegen seine Autorität als Apotheker nutzen und klar sagen: »Ich empfehle Ihnen, gerade während dieser Therapie auf Alkohol zu verzichten.«
Eine Übersicht zum Mischkonsum von Alkohol und Medikamenten bezogen auf einige häufige Arzneimittelgruppen in der Geriatrie bietet die Zürcher Fachstelle zur Prävention des Suchtmittelmissbrauchs an. Die Broschüre richtet sich an Fachpersonen aus dem Pflegebereich und der Altersarbeit. Dabei zeigt ein Ampelsystem, ob Alkohol grundsätzlich während des Anwendungszeitraums zu meiden ist (rot), geringer und seltener Alkoholkonsum unter Beobachtung der Verträglichkeit vertretbar ist (gelb) oder moderater Alkoholkonsum häufig unproblematisch ist (grün).
Zur roten Gruppe gehören beispielsweise Metformin (Laktatazidose), Acitretin und Zolpidem, zur gelben Gruppe Methotrexat, nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und Antidepressiva, zur grünen Gruppe Glyceroltrinitrat, Phenprocoumon und Ranitidin.