»Wir müssen der Politik Lösungen anbieten« |
Daniela Hüttemann |
04.09.2024 17:00 Uhr |
Die größte Gefahr für unser Gesundheitssystem sieht der Hamburger Kammerpräsident in den hochpreisigen Arzneimitteln, deren Absatz und Umsatz in den letzten Jahren steil angestiegen ist. Bereits jetzt verursachen 0,5 Prozent der Packungen mehr als ein Drittel der Arzneimittelkosten.
»Wir können es uns nicht leisten, alle, die dafür infrage kommen, mit Ozempic und CAR-T-Zelltherapie zu versorgen«, so die unbequeme Wahrheit. Entweder müssten die Beiträge drastisch steigen oder es muss demnächst priorisiert werden – beides extrem unpopuläre Maßnahmen.
Auch hier gebe es keine einfachen Lösungen, aber die Apotheken könnten beitragen, indem sie stärker dafür eingesetzt werden, dass die teuren Arzneimittel richtig und konsequent angewendet werden. Die so gesparten Arzneimittelkosten würden locker reichen für eine angemessene Vergütung adhärenzfördernder pharmazeutischer Dienstleistungen.
Zudem bräuchten die Apotheken Unterstützung und Anreize, um die Patienten mit Hochpreisern zu versorgen – zum Beispiel eine Retaxsicherheit durch eine elektronische Vorabgenehmigung der Krankenkasse und eine unverzügliche Erstattung. »Hier sind sehr dicke Bretter zu bohren, aber wir müssen diese Diskussionen führen«, betonte Gnekow. »Wir müssen zeigen: Wir sind nicht nur dagegen, sondern Teil der Lösung.«
Auch Gesundheitsökonom Professor Dr. David Matusiewicz, Dekan der FOM Hochschule für Ökonomie und Management in Essen, traut den Apotheken deutlich mehr zu. »Wo sonst treffe ich so niederschwellig und ohne Termin einen Akademiker für fachlichen Rat?« Beratung und Einordnung werde immer wichtiger, gerade in Zeiten von Google und ChatGPT, sagte er in seinem Gastvortrag »Apotheke der Zukunft«. Was bedeutet zum Beispiel die Warnung meiner Smartwatch? Wie sind die Werte zu interpretieren?
Der Trend gehe »über die Pille« hinaus und »um den Kunden herum«, um ihm möglichst ganzheitliche Lösungen für seine Gesundheit, insbesondere auch die Prävention zu bieten. Apotheken könnten zum Beispiel Patienten digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) erklären und dafür honoriert werden.
Mit Gesundheitsökonom Professor Dr. David Matusiewicz (rechts) diskutierten die Hamburger Apothekerinnen und Apotheker über die Zukunft der Apotheken. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Statt sich vor Digitalisierung und KI zu fürchten, sollte man sie nutzen; zum Beispiel analysieren, welche Patienten den dringendsten Bedarf für eine Intervention haben, Botendienstrouten mit KI planen, Beratungsgespräche aufzeichnen und dokumentieren oder für die Kommunikation nutzen – ob in automatisierten Chats oder als direkte Übersetzungshilfe bei Patienten mit anderer Sprache. Es gebe bereits viele intelligente Lösungsansätze und technische Möglichkeiten.
Matusiewicz glaubt, dass Apotheken erste Anlaufstellen und Primärquelle für Gesundheit für die Menschen bleiben, zusätzlich aber mit digitalen Möglichkeiten auch zu den Patienten kommen müssen. Nicht zuletzt sei der Apotheker selbst ein potenter Wirkstoff. Matusiewicz konnte in einer Studie nachweisen, dass die apothekerliche Beratung die Chance, dass eine Therapie nicht abgebrochen wird, um den Faktor 9,4 erhöht.