»Wir haben zahlreiche Asse im Ärmel« |
»Die Apotheke vor Ort hat zahlreiche Asse im Ärmel«, sagt die Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, Kerstin Kemmritz. / Foto: Jacob Börner
»Wir haben zahlreiche Asse im Ärmel«, sagte Kemmritz. Sie zeigte sich überzeugt, dass nicht zuletzt die Landflucht der Ärzte und der demografische Wandel die Rolle der Apotheker als Gesundheitsmanager, Gatekeeper und Therapiebegleiter stärken wird. Als umfassend ausgebildete und rund um die Uhr erreichbare Naturwissenschaftler seien sie zudem prädestiniert für die »Übersetzung« digitaler Informationen aus dem Internet für gesunde und kranke Menschen, die Hilfestellung brauchen.
Die Kammerpräsidentin schilderte die Einführung des E-Rezepts und der elektronischen Patientenakte (EPA) als wichtiges Vorhaben zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen in der Medizin und Pharmazie. »Digitale Anwendungen sind jedoch nur Instrumente zur Unterstützung der heilberuflichen Tätigkeit. Sie ersetzen keine Entscheidungen von Ärzten oder Apothekern, sondern erweitern vielmehr deren Handlungsspektrum zum Wohle der Patienten«, betonte sie.
Kemmritz unterstrich, dass das Primat der heilberuflichen Entscheidungs- und Therapiefreiheit erhalten und gestärkt werden muss. Dazu müssten deutschlandweit einheitliche IT-Standards und -Schnittstellen definiert werden. Dringend gewährleistet werden müsse, dass der Datenschutz eingehalten wird und das E-Rezept in der Hoheit des Patienten verbleibt. Aufgabe der Politik sei es zudem, verlässliche finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen zur Sicherung der Vor-Ort-Apotheke und somit der qualifizierten Arzneimittel-Versorgung der Bürger zu etablieren.
Im Dialog: Steffen Kuhnert, Max Müller und Kerstin Kemmritz (v.l.n.r.). / Foto: Jacob Börner
Wie Kemmritz plädierte im weiteren Verlauf der Veranstaltung auch Steffen Kuhnert, Apotheker aus Köln, dafür, den Strukturwandel im Gesundheits- und Apothekenwesen als Chance zu sehen. Mit Hilfe der digitalen Technik könne es gelingen, klassische Apothekenkonzepte zu öffnen und somit eine noch größere Nähe zum Patienten zu erreichen. Dazu, so Kuhnert, müssten sich Apotheker jedoch mehr als bislang als gestaltende Unternehmer begreifen, die in der digitalen Welt den Anschluss halten.
Derzeit, so der auch als Gesundheitsunternehmer tätige Pharmazeut, bleiben viele IT-Entwicklungen »in der Gegenwart stecken«. Trotz verbaler Offenheit sei die Veränderungsstarre insbesondere der Standespolitik oft unübersehbar. »Traditionelle Verbände pflegen Beschwichtigungs-Kommunikation und scheinen vielfach die Fragestellungen von Morgen mit Lösungen von vorgestern beantworten zu wollen«, kritisiert Kuhnert, der mehr Gestaltungskraft fordert. »Wir brauchen unternehmerisch denkende und handelnde Pharmazeuten, die neue Wege ausprobieren. Wir brauchen starke Netzwerke der Apotheken vor Ort, die zusammen mit starken Partnern auf gemeinsamen Plattformen auftreten und dadurch schlagkräftiger werden.« Digitale Transformation gelinge nur, wenn die Menschen lernen, neu zu denken und zu handeln. »Das neue Zeitalter steht für Konnektivität. Alles ist mit allem verbunden«. Und: »Neue Zeiten erfordern neue Antworten«, so Kuhnert, der von der Notwendigkeit eines mentalen Wandels sowie klarer standes- und gesundheitspolitischer Antworten und IT-Lösungen sprach.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.