Wie viel Impfstoff fehlt im ersten Quartal 2022? |
Begehrtes Vakzin: Vor allem der Biontech-Impfstoff Comirnaty könnte Deutschland im Januar fehlen. / Foto: Imago Images/ZUMA Wire
Es ist eine Inventur, die ganz Deutschland in Aufruhr versetzt hat. Direkt nach seinem Amtsantritt hatte sich Bundesgesundheitsminister Lauterbach eine Übersicht über den Bestand der Covid-19-Impfstoffe verschafft. Das Ergebnis: Im ersten Quartal 2022 fehlen Vakzine, um die Impfkampagne im gleichen Tempo auch im neuen Jahr weiterzufahren.
Wie groß die Lücke allerdings ist, darüber schweigt sich die neue Bundesregierung bislang aus und verweist stattdessen auf laufende Gespräche mit den Impfstoffherstellern über mögliche Nachlieferungen. Auf »sämtlichen Kanälen« sei der Minister dabei, zusätzliche Impfdosen nach Deutschland zu bringen, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) heute in Berlin. Aber: »Wie viel Impfstoff im Januar zur Verfügung stehen wird, kann ich Stand jetzt nicht sagen.«
Klar scheint bislang nur, dass in den ersten drei Monaten des neuen Jahres deutlich weniger Impfstoffe nach Deutschland kommen als es aktuell der Fall ist. Tatsächlich hatte der Bund zuletzt Lieferungen auf den Dezember vorgezogen, um noch vor Weihnachten möglichst viele Booster-Impfungen stemmen zu können. Auch das sei nun ein Grund für den Mangel im ersten Quartal, so der BMG-Sprecher.
Bis zum Jahreswechsel hatte sich die Politik zuletzt 30 Millionen Auffrischimpfungen zum Ziel gesetzt. Diese Zahl könne in jedem Fall erreicht werden, heißt es im BMG. Dafür allerdings gibt es noch einiges zu tun. So sind aktuell rund 20 Millionen Menschen in Deutschland bereits zum dritten Mal geimpft, das geht aus dem sogenannten Impfdashboard von BMG und Robert-Koch-Institut (RKI) hervor. Auch im Januar stehen dann viele Booster auf dem Programm. So hatten im Juli 2021 ganze 12 Millionen Menschen ihre Zweitimpfung bekommen. Für sie würde nun sechs Monate später die Auffrischung anstehen.
Ob es dafür ausreichend Impfdosen gibt, hängt auch von möglichen Puffern in Praxen und Impfzentren ab. Laut Impfdashboard haben die Ärzte bei Weiten nicht alle ausgelieferten Vakzine bereits zum Einsatz gebracht. Rund 13 Millionen Dosen könnten demnach noch unverimpft in den Kühlschränken lagern. Unklar ist allerdings, ob die Anzahl der gemeldeten Impfungen tatsächlich dem aktuellen Stand entspricht. So erfasst das Meldesystem die Impfungen dem RKI zufolge nicht zu 100 Prozent. Abweichungen können daher möglich sein.
Bereits rund um die Feiertage könnten Ärzte derweil auf Impfstoff-Vorräte zurückgreifen müssen. So liefern insbesondere Biontech und Pfizer in den Kalenderwochen 51 und 52 deutlich weniger Dosen aus als derzeit. Dennoch dürften zum Jahreswechsel noch Reserven verfügbar sein, davon geht auch das BMG aus. »Man kann damit rechnen, dass noch Impfstoff übrig bleibt aus diesem Jahr«, so der Ministeriumssprecher.
Genauere Zahlen könnte der Lauterbach bereits am morgigen Donnerstag präsentieren. Dann hat der neue Gesundheitsminister seinen ersten Auftritt vor der Bundespressekonferenz in Berlin. Sein Amtsvorgänger hatte bis zuletzt stets betont, dass ausreichend Impfdosen zur Verfügung stehen. Konkrete Zahlen lieferte das BMG allerdings nur für das laufende Jahr. FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus sprach nun von ein enttäuschender Bilanz. »Statt verantwortungsvoll vorzusorgen, hinterlässt die Vorgängerregierung leere Vorratslager«, sagte sie.
Die Union wehrt sich gegen Anschuldigungen und warf Lauterbach indes Scheinheiligkeit vor. Schließlich sei die SPD seit Februar Teil der für Impfstoffe zuständigen Taskforce und über das Thema daher informiert, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Tino Sorge (CDU). »Mit seiner Inventur inszeniert der neue Bundesgesundheitsminister nun einen dramatischen Mangel, um sich in einigen Wochen als Retter in der Not zu feiern.«
Unklar ist noch, wie sich ein möglicher Engpass auf die Apotheken auswirken könnte. Die sollen ebenso wie Zahn-und Tierärzte ab Januar Covid-19-Impfungen übernehmen können. Ein Mangel an Vakzinen könnte den Start theoretisch verzögern und erneut zu Zwist mit den Ärzten führen. Die sind nicht gerade begeistert von der Impfung in Apotheken. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) jedenfalls drängt bereits auf verbindliche Lieferzusagen für die Praxen. »Es kann nicht sein, dass die wöchentliche Impfstoffauslieferung ein Glücksspiel ist, bei dem die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen nie wissen, ob sie das erhalten, was sie auch bestellt haben«, sagte KBV-Chef Andreas Gassen.