Wie viel Bildschirmzeit ist zu viel? |
Brigitte M. Gensthaler |
15.05.2025 11:00 Uhr |
Wenn Kinder täglich mehrere Stunden auf Handy oder Tablet schauen, fördert das die Entwicklung von Kurzsichtigkeit. Das kindliche Auge passt sich anatomisch an die Herausforderung »Nahsehen« an. / © Adobe Stock/Westend61
Warum »Naharbeit«, also zum Beispiel konzentriertes Schauen auf Display oder Bildschirm, das Sehvermögen beeinflusst, erklärte Professor Dr. Norbert Pfeiffer, Vorstandsmitglied der Stiftung Auge, bei einer Online-Pressekonferenz der Stiftung.
»Unser Auge ist für das Leben draußen und für das Sehen in die Ferne, das heißt ab Entfernungen von etwa 5 Metern, gemacht. Dann blickt das Auge entspannt«, erklärte der Augenarzt. Nahsehen sei mit Anstrengung verbunden: Ein ringförmiger Muskel, an dem die Linse aufgehängt ist, muss sich zusammenziehen, sodass die Augenlinse kugeliger wird, das Licht stärker bricht und Gegenstände, die nah vor dem Auge sind, scharf abbildet.
»Wenn man viel in die Nähe schaut, muss sich der Muskel permanent anstrengen. In der Folge wächst das Auge in die Länge, um die Anstrengung für den Muskel, der die Linse trägt, zu verringern«, erklärte der Direktor der Augenklinik der Universitätsmedizin Mainz. Dann könne man in der Ferne nicht mehr scharf sehen, sei also kurzsichtig (myop) geworden. Kurzsichtigkeit könne man zwar durch Brille oder Kontaktlinse ausgleichen, aber diese sei ein Risikofaktor für andere Augenerkrankungen, zum Beispiel Glaukom, Netzhautablösung oder altersabhängige Makuladegeneration.
Aber wie viel Naharbeit ist unbedenklich? Die Mainzer Gutenberg-Health-Study (DOI: 10.1016/j.ophtha.2014.04.017) habe bereits 2014 einen Zusammenhang zwischen der Zeit an der Schule und dem Risiko für Kurzsichtigkeit gezeigt, berichtete Pfeiffer. Während rund 27 Prozent der Hauptschulabsolventen kurzsichtig waren, lag die Rate bei Abiturienten fast doppelt so hoch (51 Prozent).
Eine kürzlich publizierte Metaanalyse aus 45 Studien (DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2024.60026) mit rund 335.000 Teilnehmern im mittleren Alter von neun Jahren ergab, dass bei einer täglichen Bildschirmzeit von einer bis vier Stunden die Rate an Kurzsichtigkeit steil anstieg. Bis zu eine Stunde Bildschirmzeit am Tag rufe wahrscheinlich wenig Myopie hervor, aber bei zwei Stunden war das Risiko schon um 21 Prozent erhöht. Besonders ausgeprägt war dies bei Kindern zwischen zwei und sieben Jahren. Wer täglich länger als vier bis fünf Stunden vor dem Display saß, für den »spielt es fast keine Rolle mehr, wie lange er darauf schaut«, sagte der Arzt.
Die koreanischen Studienautoren sehen eine Stunde Bildschirmnutzung als potenziell sicher zur Begrenzung des Myopierisikos. In der Studie blieben jedoch andere Tätigkeiten im Nahsichtbereich unberücksichtigt. »Je mehr Naharbeit man macht, umso kurzsichtiger wird man«, brachte es Pfeiffer auf den Punkt. »Dieser Zusammenhang gilt für junge Menschen, aber vermutlich nicht für Erwachsene ab 25 oder 28 Jahren.«