Wie ist die Datenlage für Kinder und Jugendliche? |
Maske rechnet mit einer Stiko-Entscheidung erst im nächsten Jahr. Früher könnte eine Empfehlung kommen für Kinder mit Vorerkrankungen und schwer kranken Angehörigen. «Wir wollen eine sichere Impfung und das wollen ja auch die Eltern», sagte Maske. Kinder infizierten sich, dass sie schwer erkranken, sei aber die absolute Ausnahme, betont der Pädiater aus Berlin. Die Nutzen-Risiken-Abwägung müsse bei Kindern daher eine andere sein als bei Erwachsenen: «Weil das Risiko sehr klein ist, muss der Nutzen sehr groß sein.» Daher müssten für mögliche Nebenwirkungen noch viel strengere Kriterien gelten. «Wenn die Krankheitslast sehr gering ist, muss die Impfung noch viel sicherer sein.»
Laut STIKO-Mitglied Zepp wird das Gremium «zeitnah in den nächsten Wochen» darüber beraten. Eine Entscheidung könnte abhängig vom Zeitpunkt der Zulassung noch im November fallen, sagte der Mainzer Kinderarzt. Er persönlich hält es für möglich, dass es eine Empfehlung zunächst für Kinder mit einem erhöhten Risiko aufgrund von Vorerkrankungen geben könnte, wie das auch zunächst bei Impfungen für 12- bis 17-Jährige der Fall war.
Dürfen Kinderärzte dann trotzdem Kinder unter 12 Jahren impfen? Ja, erklärt Jakob Maske: «Das ist eine freie ärztliche Entscheidung.» Sogar vor der Zulassung des Impfstoffs für diese Altersgruppe ist es nicht illegal, kleinere Kinder zu impfen – der Fachbegriff dafür lautet Off-Label-Use. Maske hält die Zahl der Kinderärzte, die bisher unter 12-Jährige geimpft haben, für klein. Wenn die EMA-Zulassung vorliegt, werden sich mehr Kinderärzte dazu bereit erklären, die Impfung anzubieten, glaubt Maske. Das könnte zu Diskussionen in den Praxen führen. «Aber dafür sind wir ja da», sagt Maske.
Kinder gegen eine Infektionskrankheit zu impfen, die sie meist unkompliziert und ohne Komplikationen überstehen, sei immer «eine schwierige Entscheidung», sagt Kinderarzt und STIKO-Mitglied Zepp. «Man muss die Risiken einer SARS-CoV-2-Infektion den möglichen seltenen Risiken einer Impfung gegenüberstellen.» Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass man unterschiedliche Gruppengrößen vergleicht: «Wenn ich alle Kinder einer Altersgruppe impfe, setze ich alle zunächst dem sehr geringem Risiko einer Impfnebenwirkung aus. Die Risiken einer Covid-19 Erkrankung sind größer, aber wir wissen nicht wie viele Kinder sich tatsächlich infiziert hätten und erkrankt wären.»
Autoren der Studie im «New England Journal of Medicine» argumentieren mit einem direkten und einem indirekten Nutzen: Eine Impfung schütze Kinder vor einem – wenn auch seltenen – schweren Verlauf oder Spätfolgen einer Covid-Erkrankung. Indem man sie schütze, schütze man auch Menschen in ihrem Umfeld, die ein Risiko für einen schwereren Krankheitsverlauf hätten. Ungeimpft könne diese Altersgruppe Überträger werden auch für neu entstehende Varianten des Virus.
In der Debatte gibt es Zepp zufolge verschiedene Parameter: Das eine sei die Krankheitslast des einzelnen Kindes, das andere der Nutzen für die gesamte Gesellschaft. Möglicherweise sei es in einer Pandemie auch sinnvoll, Kinder zu impfen, um für die Gemeinschaft mehr Teilhabe, eine bessere Lebensführung zu ermöglichen. Hingegen hat die Impfung von Kindern nur einen geringen Effekt auf die Übertragung des Virus zwischen Erwachsenen.
Man dürfe nicht vergessen: «Ein großer Teil unseres Problems sind ungeimpfte Erwachsene. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht wieder eine Stellvertreter-Diskussion zum Nachteil von Kindern haben», sagt Zepp. Die wichtigste Maßnahme zur Überwindung der Pandemie bleibt unverändert möglichst viele, am besten alle Erwachsenen durch Impfung zu schützen.»