Wenn Reisen zum Übel wird |
So manche Anreise mit dem Auto bedarf mehrerer ungeplanter Stopps: Vor allem Kinder leiden unter Übelkeit und Erbrechen. / Foto: Adobe Stock/Daniel Jedzura
Nicht nur während einer Seereise, auch bei einer Flugreise, einer Fahrt mit dem Auto oder der Bahn (vor allem in Zügen mit Neigetechnik) kann es zu einer Bewegungskrankheit (Kinetose) kommen. Häufig tritt sie bei Kindern über zwei Jahren auf; einen Prävalenz-Gipfel beobachtet man bei Kindern im achten Lebensjahr. Wirklich gefeit ist jedoch niemand. Auch wer zuvor keine Beschwerden hatte, kann die entsprechenden Symptome entwickeln. Das gilt auch für Erwachsene.
Schwindel und Schweißausbrüche, Blutdruckschwankungen und Kopfschmerz und vor allem Übelkeit und Erbrechen treten dabei auf. Auch eine Minimalvariante ist heute bekannt. Diese ist gekennzeichnet durch Gähnen, einer Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen und Rückzug/Desinteresse am gegenwärtigen Geschehen. Man spricht hier vom Sopite-Syndrom. Und auch das gibt es: Auch ganz ohne Bewegung kann es bei manchen Computerspielen oder im Flugsimulator zu den Symptomen kommen. Hier spricht man von einer Pseudo-Kinetose.
Als eine mögliche Ursache nimmt man sich widersprechende Informationen über die Lage des Körpers an. Das Gleichgewichtsorgan im Ohr (Vestibularapparat), die Augen, aber auch Rezeptoren etwa in den Gelenken liefern entsprechende Daten an das Gehirn, die dieses jedoch nicht in Einklang bringen kann. Eine Reihe verschiedener Transmitter spielt bei der Entstehung der Beschwerden eine Rolle, darunter auch Histamin.
Gut bewährt haben sich in der Selbstmedikation H1-Antihistaminika wie Diphenhydramin (etwa Emesan®) oder Dimenhydrinat (etwa Vomex A®). Vor der Abgabe gilt es einige Fragen zu klären. Für wen ist das gewünschte Arzneimittel gedacht? Soll es bereits vorbeugend oder nur bei Bedarf anwendet werden? Für Kinder gibt es verschiedene Dosierungen, die sich nach dem Alter beziehungsweise dem Körpergewicht des Kindes richten. Bei Erwachsenen müssen verschiedene Grunderkrankungen und weitere Medikationen berücksichtigt werden. Dazu gehören beispielsweise Herzrhythmusstörungen, ein Engwinkelglaukom oder eine Prostatahyperplasie. Zudem sind etliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln bekannt, zum Beispiel eine Verstärkung der blutdrucksenkenden Wirkungen von Antihypertonika oder eine Verstärkung der sedierenden Wirkung bei gleichzeitiger Anwendung von anderen zentral dämpfenden Arzneimitteln sowie mit Alkohol.
Zu beachten ist außerdem, dass H1-Antihistaminika in Form von Tabletten/Dragees, Zäpfchen oder Saft bereits rund eine halbe bis eine Stunde vor Reisebeginn angewendet werden sollten. Wird eine Anwendung nur »im Fall der Fälle« gewünscht, eignen sich Reisekaugummis (zum Beispiel Superpep®). Gegenanzeigen und mögliche Wechselwirkungen gilt es auch hier zu beachten. Für die Anwendung gilt: Das Kaugummi sollte 30 Minuten lang kräftig und gründlich gekaut werden; danach kann es entsorgt werden. Zu beachten ist außerdem, dass der Fahrende diese Arzneimittel aufgrund der sedierenden Wirkung nicht anwenden darf.
Das pharmazeutische Personal kann häufig von einer Kinetose betroffenen Reisenden außerdem raten, in der Zeit vor der Reise auf Histamin-reiche Speisen zu verzichten. Dazu gehören unter anderem Dosen-Thunfisch, reife Käsesorten oder Sauerkraut, aber auch Bier, Wein und Sekt. Letztere enthalten nicht nur Histamin; der enthaltene Alkohol begünstigt außerdem die Histamin-Freisetzung im Körper.
Eine gewisse antihistaminerge Wirkung spricht man außerdem hochdosiertem Vitamin C zu. Zum Einsatz bei Reisekrankheit gibt es Sea Gum®, ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, das von Erwachsenen und Kindern ab sechs Jahren verwendet werden darf. Brechreiz-mindernd soll sich außerdem das Kauen selbst auswirken.