Wenn Chlamydien und Zika-Viren ins Auge gehen |
Brigitte M. Gensthaler |
05.10.2020 14:00 Uhr |
Nur scheinbar banal: In seltenen Fällen können exotische virale und bakterielle Erreger schwere entzündliche Prozesse auslösen. Der Gang zum Augenarzt ist Pflicht. / Foto: Getty Images/Srisakorn Wonglakorn/EyeEm
Die Symptome der neuen okulären Infektionskrankheiten sind oft unspektakulär: Rötung oder Brennen der Augen, Druckgefühl oder Pünktchen-sehen. »Doch man muss man rasch handeln, um Spätschäden zu vermeiden«, mahnte Professor Dr. Carsten Heinz vom Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital, Münster, bei der Vorab-Pressekonferenz zum Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG).
Die meisten neuen Augeninfektionen seien viral bedingt, informierte der Augenarzt. Die Viren werden von Tigermücken übertragen, die ursprünglich in Afrika und Asien heimisch waren, sich aber aufgrund des Klimawandels in Südeuropa angesiedelt haben. Ihr Stich kann das Dengue-, Chikungunya-, West-Nil- und Zika-Virus übertragen, die eine Entzündung der Aderhaut im Auge beziehungsweise eine Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut) auslösen können. Die Symptome reichen von einer leichten Entzündung im vorderen Teil des Auges mit Druckgefühl und Rötung bis hin zu einer schweren Netzhaut-Infektion mit dauerhaftem Sehverlust. »Weil die Erkrankung in unseren Breitengraden so selten vorkommt, ist es wichtig, dass Augenärzte daran denken und rasch die Diagnose stellen.«
Betroffen seien bislang vor allem Reiserückkehrer aus Asien und Menschen mit Migrationshintergrund, erläuterte Heinz. Die kürzlich in Ostdeutschland bei Menschen nachgewiesenen West-Nil-Viren seien vermutlich von Zugvögeln mitgebracht worden.
Bisher gebe es keine vorbeugende Impfung oder kausale Behandlung der viralen Infektionen. Die Therapie erfolgt symptomatisch mit Corticoiden, um die Entzündung zurückzudrängen und sekundäre Schäden zu verhindern. Dringender Rat für Reiserückkehrer aus fernen Ländern: »Wenn ein rotes Auge nicht nach einem bis maximal zwei Tagen abklingt, sollte man zum Augenarzt gehen. Bei verschwommenem Sehen oder vielen kleinen Punkten im Blickfeld immer sofort zum Augenarzt!«
Chlamydien sind hierzulande meist bekannt als Erreger von Genitalinfektionen, die auch das Auge befallen können. Doch in Afrika gibt es Serotypen von Chlamydia trachomatis, die eine chronische vernarbende Bindehautentzündung (Konjunktivitis) ohne genitale Beteiligung auslösen. Das sogenannte Trachom ist die weltweit führende Ursache für eine vermeidbare Erblindung. Die bakterielle Erkrankung wird durch direkten Kontakt mit Tränenflüssigkeit oder in Endemie-Regionen durch Fliegen übertragen.
»Wird ein solches Trachom rasch erkannt, hilft eine antibiotische Therapie«, so Heinz. Mittel der Wahl sind Azithromycin, Tetracyclin oder Doxycyclin, in leichten Fällen topisch, oft aber systemisch. »In fortgeschrittenen Stadien kann eine Operation erforderlich sein, um die Erblindung zu verhindern.«
Die Lungenerkrankung Tuberkulose, die über Tröpfcheninfektion übertragen wird, ist auch hierzulande endemisch, spielt aber aufgrund guter Lebens- und Hygienebedingungen eine geringe Rolle. »Durch die Migration aus Risikogebieten, zum Beispiel dem Nahen und Mittleren Osten, Russland und Osteuropa, sehen die Ophthalmologen aber die Lungen- und Augen-Tuberkulose wieder häufiger«, berichtete Heinz.
Am Auge komme es zu einer akuten fulminanten Entzündung der Aderhaut, die irreparable Schäden anrichten kann. Unbehandelt führe die Tuberkulose-assoziierte Uveitis zur Erblindung. Eine umfangreiche tuberkulostatische Therapie ist erforderlich, die jedoch bekanntlich lange dauert und mit zahlreichen unerwünschten Wirkungen behaftet ist.