Wechseljahre oder normales Altern? |
Nicht generell. In der Perimenopause schwankt der Hormonstatus stark – Experten zufolge teils um das 20-fache – und gibt den Stand innerhalb der Wechseljahre darum nicht gut wieder. »Die verschiedenen Phasen des menopausalen Übergangs können überwiegend anhand klinischer Kriterien diagnostiziert werden«, heißt es in der derzeitigen Leitlinie. »Hormonbestimmungen sind in der Regel nicht erforderlich.«
Bei bestimmten Problemen wie Herzrasen, erhöhtem Blutdruck oder depressiven Verstimmungen könne es aber durchaus sinnvoll sein, den Hormonstatus mit in den Blick zu nehmen, sagt Ortmann. Immer wieder bekommen Frauen mit Schlafproblemen ein Schlafmittel und mit Stimmungstief ein Antidepressivum verschrieben oder landen mit Gelenkschmerzen beim Orthopäden oder Rheumatologen, ohne dass an die Wechseljahre gedacht wird.
Experten betonen, dass sich Beschwerden gut über Ernährung, Sport, achtsames Verhalten und gezielte Entspannungsübungen vermindern lassen. »Es gibt viele Dinge, die man selbst tun kann«, sagt Ortmann. Auch pflanzliche Mittel würden von vielen Nutzerinnen als hilfreich bewertet. »Wenn erhebliche Symptome vorhanden sind, ist mit pflanzlichen Mitteln aber nicht viel zu bewirken«, betont Ortmann.
Gerade Hitzewallungen alle paar Stunden oder wochenlang anhaltender Schlafmangel könnten derart quälend sein, dass Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit erheblich leiden. Manche Frauen gingen deswegen sogar früher als geplant in Rente, sagt Schaudig. Mit der richtigen Hormontherapie ließe sich das vielfach vermeiden. »Die Lebensqualität vieler Frauen ist unnötig schlecht.«
Die Wirksamkeit der Menopausalen Hormontherapie (MHT) ist demnach gerade bei Hitzewallungen und Schlafproblemen hoch. Der Begriff ist noch recht neu, über Jahrzehnte war die Behandlung als Hormonersatztherapie (HRT) bekannt. Die neue Bezeichnung soll den normalen Hormonabfall in den Wechseljahren stärker in den Fokus rücken und das Missverständnis vermeiden, es müssten Hormone ersetzt werden, die eigentlich da sein sollten, wie Ortmann erklärt. Das sei zum Beispiel bei einer Schilddrüsenunterfunktion der Fall, aber eben nicht bei den Wechseljahren.
Zum Einsatz kommt in Deutschland überwiegend über die Haut verabreichtes Estradiol, um Symptome abzumildern. Ergänzend wird oft Progesteron als Kapsel verschrieben, um die Schleimhaut der Gebärmutter vor übermäßiger Wucherung durch Östrogene zu schützen. Zudem können damit Schlafstörungen gemildert werden.
Eine Fehlinterpretation der WHI-Studie (Women's Health Initiative) sorgte dafür, dass die davor sehr breitflächig genutzte Hormontherapie jahrzehntelang deutlich weniger verschrieben wurde. Noch immer gebe es Ärzte, die – auch wegen des hohen Beratungsaufwands – sehr zögerlich mit Verschreibungen seien, sagt Schaudig. »Allerdings auch solche, die das sehr leichtfertig geben.«
Nachfolgende Auswertungen zeigten, dass bei frühzeitigem Therapiebeginn – maximal zehn Jahre nach der Menopause beziehungsweise im Alter von maximal 60 – die günstigen Effekte die potenziellen negativen Folgen oft übertreffen.
Seit der WHI-Studie gab es Experten zufolge weniger Forschung auf dem Gebiet – was ein Grund dafür ist, dass viele Zusammenhänge nur vermutet werden, aber nicht als gesichert gelten. Zum Beispiel gebe es, von Brustkrebs abgesehen, kaum belastbare Informationen zu Wechselwirkungen der Hormontherapie mit bestehenden Erkrankungen. Die voraussichtlich bis Ende des Jahres abgeschlossene Überarbeitung der Leitlinie wird MHT bei vorbestehenden Erkrankungen als neues Kapitel mit aufnehmen.