Wechseljahre oder normales Altern? |
Zum Einsatz kommt in Deutschland bei der menopausalen Hormontherapie überwiegend über die Haut verabreichtes Estradiol, um Symptome abzumildern. Ergänzend wird oft Progesteron als Kapsel verschrieben, um die Schleimhaut der Gebärmutter vor übermäßiger Wucherung durch Östrogene zu schützen. / © Getty Images/Anchiy
Wechseljahre oder Klimakterium sind Begriffe für die gesamte Übergangsphase von der reproduktiven Lebensphase zur dauerhaften Unfruchtbarkeit der Frau, die meist 10 bis 15 Jahre dauert. Derzeit sind in Deutschland etwa neun Millionen Frauen in den Wechseljahren, wie es von der Deutschen Menopause Gesellschaft (DMG) heißt. Oft wird der Begriff anders verwendet, tatsächlich bezeichnet »Menopause« aber ausschließlich den Zeitpunkt der letzten Menstruationsblutung und wird rückblickend bestimmt, wenn zwölf Monate keine Periode mehr aufgetreten ist.
Im Mittel tritt die Menopause im Alter von 51 Jahren ein. Der bereits vor der Geburt angelegte Eizellenvorrat ist dann erschöpft. Dieser Zeitpunkt blieb unverändert, auch wenn Frauen heute im Mittel deutlich länger leben und mit 50 meist noch deutlich fitter sind als ihre Altersgenossinnen vor 50 oder 100 Jahren.
»Die meisten Frauen denken, dass sie noch keine Wechseljahressymptome haben, solange ihre Periode halbwegs pünktlich kommt«, sagt DMG-Präsidentin Katrin Schaudig. Doch schon mit Ende 30 oder Anfang 40 können erste Zyklusveränderungen und Beschwerden wie Stimmungsschwankungen auftreten – erste Anzeichen der beginnenden Wechseljahre.
In der sogenannten Perimenopause, meist zwischen 45 und 50 Jahren, wird der Zyklus zunehmend unregelmäßig, es kommt zu Zwischenblutungen und längeren Blutungspausen. Schwankungen beider zyklusbestimmender Hormone (Progesteron und Östrogen) prägen diese Phase. »Das sind dann Springfluten und Tsunamis beim Hormonlevel statt Ebbe und Flut wie zuvor im Zyklus«, sagt Schaudig. Es könne zu psychischen Problemen kommen.
Gegen Ende der Perimenopause sinkt der Östrogenspiegel deutlich. Beschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen häufen sich. Die Postmenopause nach der Menopause ist von zunehmend niedrigen, aber stabileren Spiegeln beider Sexualhormone geprägt. Das Risiko für Herz-Kreislauf- und Knochenerkrankungen erhöht sich, auch andere Langzeitfolgen wie Veränderungen der Haut, Schleimhaut und Körperzusammensetzung sind typisch.
In jeder Phase sind Symptome und Beschwerdeniveau individuell sehr verschieden, wie Experten betonen. Zudem halten die Probleme meist nicht stetig an, sondern flammen periodisch auf. Jeweils etwa ein Viertel der Frauen hat starke, nur leichte, zeitweise deutliche oder gar keine Beschwerden, wie Olaf Ortmann von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Regensburg sagt.
Zudem haben die Wechseljahre eine höchst unangenehme Eigenart: »Je früher die Symptome einsetzen, desto länger halten sie meist an«, erklärt Ortmann. »Es kann drei Jahre dauern – aber auch 15 Jahre.« Manchmal gebe es bestimmte Symptome in abgeschwächter Form sogar lebenslang. »Hitzewallungen sind – extrem selten – auch noch mit 80 möglich.«
Als klassisches mit Änderungen des Hormonspiegels zusammenhängendes Symptom gelten Hitzewallungen, verbunden mit heftiger Schweißbildung, vor allem nachts. Im Mittel haben Frauen in den Wechseljahren mehr als sieben Jahre lang häufig – an mehr als sechs Tagen innerhalb der letzten zwei Wochen – Hitzewallungen, wie es in der von Fachgesellschaften erarbeiteten Leitlinie »Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen« heißt.
Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit, Stimmungsschwankungen, Ängste, sexuelle Probleme und Gelenkbeschwerden sind Symptome, die verschiedene Ursachen haben können, bei denen sich aber Schaudig zufolge eine Häufung und Verstärkung in den Wechseljahren zeigt.
In ihrem Buch »Woman on fire« nennt die Frauenärztin Sheila de Liz auch Depressionen, Wutanfälle, Haarverlust, juckende Haut oder mysteriöse Ekzeme, Kopfschmerzen, häufige Blasenentzündungen, nächtlichen Harndrang, Hörverlust, Gewichtszunahme und Schwindelanfälle als mögliche Wechseljahressymptome.
Vielfach lasse sich nicht klar sagen, was speziell auf die Wechseljahre zurückgehe – die zudem letztlich selbst auch ein Teil des natürlichen Alterungsprozesses seien, sagt der Leitlinienkoordinator Ortmann. Auch Stress und Belastung im Alltag spielen demnach für die Ausprägung von Symptomen eine große Rolle – und können gerade bei Frauen um die 50 erheblich sein.
Stark betroffen sind Experten zufolge oft sozial benachteiligte Frauen, die unter großem Druck stehen und wenig Chancen haben, sich selbst Wohlbefinden und Freiräume zu schaffen. Dazu passt, dass Wechseljahresbeschwerden Studien zufolge in Gesellschaften, in denen ältere Menschen hohes Ansehen genießen – also bei Frauen mit eher großem Wohlbefinden – kaum oder gar keine Rolle spielen.
Nicht generell. In der Perimenopause schwankt der Hormonstatus stark – Experten zufolge teils um das 20-fache – und gibt den Stand innerhalb der Wechseljahre darum nicht gut wieder. »Die verschiedenen Phasen des menopausalen Übergangs können überwiegend anhand klinischer Kriterien diagnostiziert werden«, heißt es in der derzeitigen Leitlinie. »Hormonbestimmungen sind in der Regel nicht erforderlich.«
Bei bestimmten Problemen wie Herzrasen, erhöhtem Blutdruck oder depressiven Verstimmungen könne es aber durchaus sinnvoll sein, den Hormonstatus mit in den Blick zu nehmen, sagt Ortmann. Immer wieder bekommen Frauen mit Schlafproblemen ein Schlafmittel und mit Stimmungstief ein Antidepressivum verschrieben oder landen mit Gelenkschmerzen beim Orthopäden oder Rheumatologen, ohne dass an die Wechseljahre gedacht wird.
Experten betonen, dass sich Beschwerden gut über Ernährung, Sport, achtsames Verhalten und gezielte Entspannungsübungen vermindern lassen. »Es gibt viele Dinge, die man selbst tun kann«, sagt Ortmann. Auch pflanzliche Mittel würden von vielen Nutzerinnen als hilfreich bewertet. »Wenn erhebliche Symptome vorhanden sind, ist mit pflanzlichen Mitteln aber nicht viel zu bewirken«, betont Ortmann.
Gerade Hitzewallungen alle paar Stunden oder wochenlang anhaltender Schlafmangel könnten derart quälend sein, dass Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit erheblich leiden. Manche Frauen gingen deswegen sogar früher als geplant in Rente, sagt Schaudig. Mit der richtigen Hormontherapie ließe sich das vielfach vermeiden. »Die Lebensqualität vieler Frauen ist unnötig schlecht.«
Die Wirksamkeit der Menopausalen Hormontherapie (MHT) ist demnach gerade bei Hitzewallungen und Schlafproblemen hoch. Der Begriff ist noch recht neu, über Jahrzehnte war die Behandlung als Hormonersatztherapie (HRT) bekannt. Die neue Bezeichnung soll den normalen Hormonabfall in den Wechseljahren stärker in den Fokus rücken und das Missverständnis vermeiden, es müssten Hormone ersetzt werden, die eigentlich da sein sollten, wie Ortmann erklärt. Das sei zum Beispiel bei einer Schilddrüsenunterfunktion der Fall, aber eben nicht bei den Wechseljahren.
Zum Einsatz kommt in Deutschland überwiegend über die Haut verabreichtes Estradiol, um Symptome abzumildern. Ergänzend wird oft Progesteron als Kapsel verschrieben, um die Schleimhaut der Gebärmutter vor übermäßiger Wucherung durch Östrogene zu schützen. Zudem können damit Schlafstörungen gemildert werden.
Eine Fehlinterpretation der WHI-Studie (Women's Health Initiative) sorgte dafür, dass die davor sehr breitflächig genutzte Hormontherapie jahrzehntelang deutlich weniger verschrieben wurde. Noch immer gebe es Ärzte, die – auch wegen des hohen Beratungsaufwands – sehr zögerlich mit Verschreibungen seien, sagt Schaudig. »Allerdings auch solche, die das sehr leichtfertig geben.«
Nachfolgende Auswertungen zeigten, dass bei frühzeitigem Therapiebeginn – maximal zehn Jahre nach der Menopause beziehungsweise im Alter von maximal 60 – die günstigen Effekte die potenziellen negativen Folgen oft übertreffen.
Seit der WHI-Studie gab es Experten zufolge weniger Forschung auf dem Gebiet – was ein Grund dafür ist, dass viele Zusammenhänge nur vermutet werden, aber nicht als gesichert gelten. Zum Beispiel gebe es, von Brustkrebs abgesehen, kaum belastbare Informationen zu Wechselwirkungen der Hormontherapie mit bestehenden Erkrankungen. Die voraussichtlich bis Ende des Jahres abgeschlossene Überarbeitung der Leitlinie wird MHT bei vorbestehenden Erkrankungen als neues Kapitel mit aufnehmen.
Nachweislich sinke durch eine Menopausale Hormontherapie das Risiko für Osteoporose sowie für koronare Herzkrankheiten und Herzinfarkte, erklärt Ortmann. Für einen Zusammenhang mit einem verminderten Diabetesrisiko gibt es Hinweise, aber bisher keinen klaren Nachweis. Die Lebenserwartung steigt unter Hormontherapie nicht an und es gibt auch keine belastbaren Hinweise auf ein vermindertes Demenzrisiko.
Sollten dann nicht alle Frauen eine Hormontherapie machen? Tatsächlich gibt es Bücher und Beiträge zum Thema, die das propagieren. Als Lifestyle-Produkt tauge die Hormontherapie nicht, warnen Fachleute wie Schaudig und Ortmann. Von einer generellen, rein prophylaktischen Hormontherapie sei absolut abzuraten. Die Risiken seien ernstzunehmen.
Schwerwiegendere Risiken sind Ortmann zufolge vor allem bei Bluthochdruck sowie bestimmten bestehenden Herzkreislauf- und Tumorerkrankungen bekannt. Betroffenen werde in den meisten Fällen von einer Hormontherapie abgeraten.
Propagiert werden zurzeit auch die bioidentischen Hormone im Gegensatz zu den früher üblicherweise eingesetzten equinen Östrogenen aus Stutenurin. »Sie sind nicht schlechter als die bioidentischen und haben bei gleichem Einnahmeweg auch keine höheren oder anderen Risiken«, betont Ortmann.
Einen Unterschied macht Experten zufolge vor allem, ob die Wirkstoffe als Tablette oder über die Haut – per Gel, Pflaster oder Spray – verabreicht werden. Mit der transdermalen Aufnahme werde eine erste Verarbeitung in der Leber vermieden, der sogenannte First-Pass-Effekt: Eine orale Östrogengabe fördert dort die Bildung von Gerinnungsfaktoren, was wiederum das Risiko venöser Thrombosen und Schlaganfälle erhöht, wie Ortmann erklärt.
Allerdings gilt auch für andere Prozesse, dass die über die Leber vermittelten Effekte stärker sind – womöglich auch für die erwünschten Wirkungen, wie Experten zu bedenken geben. In der Summe fallen zwar die Langzeit-Nebenwirkungen geringer aus als bei Tabletten – aber vermutlich auch die Wirkung etwa auf das Osteoporose-Risiko, wird befürchtet. Die Therapie solle so lange durchgeführt werden, wie sie mit Blick auf moderate oder schwere Wechseljahressymptome erforderlich sei.