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Demenz und Depression

Was sie verbindet, was sie unterscheidet

Depression und Demenz zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei älteren Menschen und treten oft gemeinsam auf. Depression ist ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz, kann aber auch eine bestehende Demenz verschlechtern.
Brigitte M. Gensthaler
20.02.2019  08:00 Uhr

»Eine Depression verdoppelt das Risiko für eine Alzheimer-Demenz, kann aber auch ein Frühsymptom sein oder sich als Reaktion auf die Diagnose einstellen«, erklärte Dr. Silke Wunderlich, Klinik für Neurologie des Klinikums rechts der Isar, München, bei der dezentralen Fortbildung der Bayerischen Landesapothekerkammer in München. Demenz und Depression könnten auch zufällig gemeinsam bei einem Patienten auftreten. Depressive Störungen beeinträchtigen die Kognition, Alltagsfunktionen und soziale Kompetenz von Demenzkranken und lassen diese stärker dement erscheinen.

Wenn ausgeprägte kognitive Defizite bei einem depressiven Patienten vorliegen, sprechen Ärzte von einer »depressiven Pseudodemenz«. Die Neurologin nannte Merkmale, die deren Abgrenzung von einer Alzheimer-Demenz ermöglichen. Dazu gehören ein rascher Beginn der Symptome, eine Dauer unter sechs Monaten und das Auftreten der Depression vor kognitiven Defiziten. Aufschlussreich seien die Äußerungen des Patienten, sagte Wunderlich: »Ein depressiver Mensch wird eher über seine Gedächtnisprobleme klagen, während ein Demenzpatient diese eher negiert.«

Deutliche Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit über den Tag mit einem Morgentief sowie Leistungsschwankungen bei kognitiven Tests gleichen Schwierigkeitsgrades sprechen ebenfalls für eine Depression. Anders als bei Demenz könnten depressive Patienten ihren Alltag jedoch bewältigen, betonte die Neurologin. Sie müssten unbedingt antidepressiv behandelt werden.

Keine Trizyklika bei Demenz

Antidepressiva sind bei Patienten mit Demenz in etwa so wirksam wie bei Patienten ohne Demenz, verdeutlichte Apothekerin Dr. Kirsten Dahse von der Johannes-Apotheke, Gröbenzell, und nannte eine Number needed to treat (NNT) von 5. Das bedeutet, dass bei jedem fünften Patienten das Therapieziel mit Antidepressiva erreicht wird.

Trizyklika wie Amitriptylin, Imipramin oder Clomipramin sind bei Demenzkranken unbedingt zu vermeiden, da sie anticholinerg wirken und die geistige Leistungsfähigkeit weiter verschlechtern können. Zu bevorzugen seien SSRI wie Sertralin oder Citalopram sowie neuere Wirkstoffe wie Mirtazapin oder Venlafaxin. Dahse empfahl: Antidepressiva in möglichst niedriger Dosis starten, dann auftitieren und wenn nötig ausschleichen, aber nicht abrupt absetzen.

Schlafstörungen bis hin zur Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus sind ein großes Problem bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz. Laut neueren Studien wirke Mirtazapin bei Demenzkranken nicht sedierend und eigne sich daher nicht zur Behandlung von Schlafstörungen, erklärte die Fachapothekerin für Klinische Pharmazie. Auch Melatonin sei nicht wirksam. Benzodiazepine sind als Schlafhilfen für Demenzpatienten ungeeignet, da sie die Kognition weiter verschlechtern und zudem paradoxe Reaktionen auslösen können.

Aufgrund des günstigen Nebenwirkungsprofils könne man Melperon und Pipamperon in niedriger Dosierung bei Schlafstörungen einsetzen. In der Beratung sollten Apotheker darauf achten, dass die Acetylcholinesterase-Hemmer Donepezil und Rivastigmin Schlafstörungen auslösen, während Galantamin und Memantin Somnolenz hervorrufen können.

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