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Arzneiformen
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Was sich für ­Senioren eignet

Die korrekte Handhabung der ­verschiedenen Arzneiformen stellt Senioren aufgrund funktionaler Einschränkungen häufig vor Probleme. Oftmals kann die betreuende Apotheke einen Wechsel zu einer anderen, leichter zu handhabenden Darreichungs­form ­initiieren. Auch die zusätzliche Abgabe mechanischer Hilfsmittel kann zur Problemlösung beitragen.
AutorKontaktWolfgang Kircher
Datum 08.12.2019  08:00 Uhr

Intraorale Arzneiformen

Eine weitere Alternative bei Schluckproblemen bieten intraorale Formen, also Sublingual-, Buccal- und Kautabletten, sowie Schmelztabletten, also orodispersible Tabletten und orale Lyophilisate (Tabelle 2). Orodispersible Tabletten unterscheiden sich von konventionellen Tabletten zur Anwendung in der Mundhöhle vor allem durch ihre sehr kurze Zerfallszeit im Speichel. Auch orale Lyophilisate zeigen diese Eigenschaft.

Arzneiform Präparatebeispiele
Fertigarzneimittel, Arzneiform Wirkstoff(e) Aroma
Sublingual- und Buccaltabletten
Effentora®* Buccaltabletten Fentanylcitrat nein
Lendormin® Tabletten Brotizolam nein
Temgesic®* sublingual Tabletten Buprenorphin-HCl nein
orodispersible Tabletten
Donepezil HCl 1 A Pharma® Schmelztabletten Donepezil Pfefferminze
Nurofen® 200 mg Schmelztabletten Ibuprofen Lemon
Remergil® SolTab® 15 mg* Mirtazapin Orange
Zolmitriptan Hexal® 2,5 mg Schmelztabletten Zolmitriptan Orange
orale Lyophilisate
Imodium® lingual Tabletten Loperamid-HCl Pfefferminze
Oxygesic® Dispersa 5 mg* Schmelztabletten Oxycodon-HCl Krauseminze
Tavor® 1,0 Expidet® lyophilisierte Plättchen Lorazepam nein
Zofran® Zydis® lingual Schmelztabletten 4 mg* Ondansetron Erdbeere
Kautabletten (mit Wirkstoffen, die überwiegend in fester peroraler Form eingesetzt werden)
Aspirin® Direkt Kautabletten Acetylsalicylsäure nein (Süßgeschmack)
Singulair® Junior Kautabletten Montelukast Kirsche
Sortis® Kautabletten Atorvastatin Traube
Tabelle 2: Besonders seniorengeeignete Arzneiformen zur intraoralen Anwendung (Auswahl); *in verschiedenen Wirkstoffstärken im Handel

Im Gegensatz zu anderen Ländern ist derzeit in Deutschland kein Arzneimittel mehr auf der Basis orodispersibler Filme im Handel. Diese Arzneiform könnte aber künftig unter anderem in der geriatrischen Pharmazie für niedrig dosierte Arzneistoffe an Bedeutung ­gewinnen. Auch für die Apotheken­rezeptur birgt diese Zubereitungsform vielfältige Perspektiven (6).

Bei der Anwendung von intraoralen Arzneiformen ist stets zu bedenken, dass nur relativ wenige Wirkstoffe in therapierelevantem Umfang von den Mundschleimhäuten absorbiert werden (Tabelle 3).

Wirkstoff Fertigarzneimittel (Beispiele), Arzneiform
Asapinmaleat Sycrest® Sublingualtabletten*
Buprenorphin-HCl Temgesic® sublingual Tabletten* und Generika
Desmopressin Minirin® Lyophilisat zum Einnehmen*
Fentanylcitrat Abstral® Sublingualtabletten*, Effentora® Buccaltabletten*
Glyceroltrinitrat Corangin® Nitrospray, Nitrolingual Spray, Nitronal 0,8 mg Zerbeißkapseln
Isosorbiddinitrat Isoket® 5 mg Sublingualtabletten/-Spray
Midazolam Buccolam® Lösung*
Nicotin Nicopas Lutschtabletten*, Nicorette® Kaugummi*/-Spray, Nicotinell® Lutschtabletten*/-Kaugummi*, Niquitin® Mini Lutschtabletten*
Vardenafil Levitra® 10 mg Schmelztabletten
Tabelle 3: Von den Mundschleimhäuten in therapierelevantem Umfang absorbierte Wirkstoffe; *in verschiedenen Wirkstoffstärken im Handel

Bei diesen Arzneistoffen ist es sinnvoll, den wirkstoffbeladenen Speichel eine gewisse Zeit vor dem Schlucken im Mund zu bewegen. Bei Wirkstoffen, die neben einer guten oromucosalen Aufnahme eine geringe gastrointestinale Verfügbarkeit haben, zum Beispiel Buprenorphin mit hohem First-Pass-Effekt, sollte der Patient den arzneistoffhaltigen Speichel möglichst lange auf der Mundschleimhaut behalten. Bei intraoralen Arzneiformen mit anderen Wirkstoffen können Speichel und Arzneiformenreste kontinuierlich geschluckt werden. Eventuell sollte mit Wasser nachgespült werden.

Ein Problem kann sich bei der Langzeitanwendung einer aromatisierten Zubereitung ergeben, wenn der Patient im Lauf der Zeit eine Aversion gegen das ursprünglich als angenehm empfundene Aroma entwickelt. Ist ein Präparatewechsel nicht möglich, kann man Flüssigkeiten gekühlt einnehmen. Ein nachträgliches »Umaromatisieren« von Säften, wie es teilweise von US-amerikanischen Apotheken praktiziert wird (zum Beispiel FlavoRx), ist ohne Vorgaben des pharmazeutischen Unternehmers problematisch.

Der Vollständigkeit halber sei noch auf die rektale und transkutane Wirkstoffzufuhr sowie die subkutane (Selbst-)Injektion bei Dysphagie-Patienten hingewiesen. Diese Zufuhrwege werden auch in der Palliativversorgung gewählt, teilweise unter Verwendung von Rezepturarzneimitteln, zum Beispiel Leve­tiracetam-haltigen Zäpfchen (7).

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