Was man zu Myokarditis nach Coronaimpfung bisher weiß |
Theo Dingermann |
23.12.2022 16:30 Uhr |
Foto: Adobe Stock/Pixel-Shot
Eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) beziehungsweise eine Herzbeutelentzündung (Perikarditis) sind sehr seltene Nebenwirkung der Covid-19-Impfungen. Darauf weist die Deutsche Herzstiftung in einer Mitteilung hin, in der sie den aktuellen Wissensstand zu den Risiken zu den Krankheitsbildern zusammenfasst. Unter Berücksichtigung vieler neuer Daten bestätige sich, dass die Risiken für diese im Zusammenhang mit einer Impfung für männliche Patienten und vor allem nach der zweiten Impfdosis erhöht seien. Im Fokus stehen mRNA-Impfstoffe.
Die Zeichen einer Herzmuskelentzündung träten im Durchschnitt wenige Tage nach der Impfung auf, wobei die meisten Patienten stationär behandelt würden. Eine Auswertung von 854 Fällen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen zwölf und 20 Jahren zeige, dass bei etwa jedem vierten Betroffenen eine Intensivpflege erforderlich war, hauptsächlich zur Überwachung von Herzrhythmusstörungen. In dieser Gruppe gab es keine Todesfälle und nach im Mittel drei Tagen konnten die Patienten die Klinik wieder verlassen.
Zur Frage nach langfristigen Folgen einer impfbedingten Myokarditis wurden in einer weiteren Studie die Daten von 104 Patienten ab zwölf Jahren über 180 Tage ausgewertet, bei denen innerhalb von 28 Tagen nach Impfung mit Comirnaty®, dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer, eine Myokarditis diagnostiziert wurde. Verglichen wurden die Krankengeschichten mit einer historischen Patientengruppe, bei denen eine Myokarditis im Zusammenhang mit einer Virusinfektion (noch vor Beginn der Coronapandemie) festgestellt worden war. Covid-19-bedingte Myokarditiden waren von der Analyse ausgeschlossen.
Unter diesen Patienten wurde ein Todesfall (1 Prozent) festgestellt, verglichen mit 84 Todesfällen (11 Prozent) bei den 762 Patienten mit infektionsbedingter Myokarditis. Ebenso gab es nur einen Fall (1 Prozent) von dilatativer Kardiomyopathie, einer krankhaften Erweiterung des Herzmuskels, und 2 Fälle (1,9 Prozent) von Herzinsuffizienz in der Impfgruppe, verglichen mit 28 (3,7 Prozent) beziehungsweise 93 (12,2 Prozent) in der Gruppe mit virusbedingter Myokarditis.
Eine interessante Frage ist zudem, ob es sich bei den vermehrten Meldungen zu einer Myokarditis/Perikarditis tatsächlich um eine Zunahme der Häufigkeit infolge der Covid-19-Impfungen handelt oder ob diese vielleicht eher auf verbesserte Meldesysteme zurückzuführen sind. Dazu wurden Daten von über 400 Millionen Covid-19-Impfungen mit mRNA-Vakzinen ausgewertet.
Insgesamt betrug hier die Häufigkeit für eine Myokarditis/Perikarditis bei mRNA-Vakzinen18 Fälle pro einer Million Impfungen. Die Auswertung von zehn Millionen Impfungen mit verschiedenen Nicht-Coronaimpfstoffen zeigte, dass die Häufigkeit einer Myokarditis/Perikarditis bei der Lebendimpfung gegen Pocken deutlich höher war als nach einer Covid-19-Impfung. Nach einer Impfung gegen Influenza oder andere Krankheitserreger lag die Häufigkeit einer Myokarditis/Perikarditis auf einem vergleichbaren Niveau wie nach einer Covid-19-Impfung.
Auch Forschende am Karolinska-Institut in Stockholm stufen eine Herzmuskelentzündung auf der Basis von Impfungen an 23 Millionen Menschen als insgesamt seltenes Phänomen, auch unter jungen Männern, ein. Bei Männern unter 30 Jahren, die zwei Dosen des gleichen Präparats erhalten hatten, gab es nach einer Impfung mit Spikevax binnen 28 Tagen nach der zweiten Dosis 9 bis 28 zusätzliche Fälle pro 100.000 Geimpfte als ohne Impfung zu erwarten gewesen seien. Nach einer Impfung mit Comirnaty seien es 4 bis 7 Fälle mehr gewesen.
Die Frage nach der Ursache für eine Herzmuskelentzündung bleibt der Deutschen Herzstiftung zufolge noch unbeantwortet. Studien eines Wissenschaftsteams des Universitätsklinikums des Saarlandes lassen vermuten, dass Autoantikörper gegen den Interleukin-1-Rezeptor-Antagonist (IL-1Ra) für die Pathologie verantwortlich sein könnten. Dieses Molekül hemmt normalerweise überschießende durch IL-1 vermittelte Immunreaktionen. Solche Autoantikörper wurden auch bei Patienten mit einem schweren Covid-19-Verlauf und bei Kindern mit dem Multisystemischen Entzündungssyndrom (MIS-C) gefunden.
Bei aktuellen Obduktionen von Personen, die nach einer mRNA-Impfung gestorben waren, wurde bei vier von ihnen eine akute Myokarditis festgestellt , ohne dass eine andere signifikante Erkrankung oder Gesundheitskonstellation vorlag, die einen unerwarteten Tod verursacht haben könnte. Die Herzgewebeuntersuchung der Verstorbenen zeigte bei allen ähnliche Entzündungszeichen verbunden mit einer leichten Schädigung der Herzmuskelzellen. In drei von 25 Fällen folgerten die Wissenschaftler auf der Basis der Autopsiebefunde, dass die Impfung die wahrscheinliche Ursache der Myokarditis war. Diese könnte zu Herzrhythmusstörungen geführt und über Kammerflimmern oder Herzstillstand den Tod bewirkt haben.
Aber auch in dieser Arbeit verweisen die Autoren darauf, dass impfbedingte Herzmuskelentzündungen selten und in der Regel milde sind. Dennoch scheine es bei einigen prädisponierten Patienten auch zu einer kritischen Immunantwort zu kommen, die eine Myokarditis fördert. Zudem lassen die Daten die Annahme zu, dass eine versehentliche Injektion des Impfstoffs in ein Blutgefäß anstelle des Muskels die Komplikation mitverursacht haben könnte.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.