Pharmazeutische Zeitung online
Kommentierende Analyse

Was ist los bei Noventi?

Beim Apotheken-Dienstleistungskonzern Noventi kriselt es. Die Kunden sind wegen Gebührenerhöhungen erzürnt, zahlreiche Führungskräfte inklusive der Konzernspitze mussten gehen und im Kerngeschäft gibt es Grundsatzfragen. Der Konzern muss sich neu aufstellen, denn die Apotheken brauchen eine starke Noventi, meint PZ-Chefredakteur Benjamin Rohrer.
Benjamin Rohrer
06.09.2022  12:30 Uhr

Der apothekereigene Dienstleistungskonzern Noventi erlebt schwere Zeiten. Erst am vergangenen Wochenende wurde bekannt, dass der Konzern zahlreiche Gebühren erhöht und eine neue Energiekostenpauschale einführt. In den Apotheker-Gruppen auf Facebook und Co. sorgte dies für schlechte Stimmung. In der PZ erklärte der Konzern dazu, dass die Apotheken im Schnitt lediglich mit 70 Euro pro Monat mehr belastet würden. Bei vielen Apothekerinnen und Apothekern sorgte aber genau diese Aussage für noch mehr Ärger. Ein Inhaber aus Hessen mit einem Filialverbund (4 Standorte) rechnet gegenüber der PZ vor, dass sein Verbund mit rund 560 Euro mehr pro Monat rechnen müsse. Auch eine Apothekerin aus Schleswig-Holstein (zwei Apotheken im Verbund) erklärte, dass insbesondere die neue Energiekostenpauschale hohe Mehrkosten verursache. Denn neben dem Fixbetrag von knapp 13 Euro gilt ab November eine Handlingpauschale (2 Cent pro Rezept), die insbesondere ihre Filiale mit hohem Rx-Umsatz treffe. Der Pharmazeutin zufolge fallen alleine für ihre Filiale und die neue Energie-Pauschale monatliche Mehrausgaben von rund 190 Euro an.

Zahlreiche Entlassungen auf Spitzenebene

Der Ärger der Pharmazeuten über die Preiserhöhungen und die misslungene Kommunikation hatte sich noch nicht ganz gelegt, da sorgte der Noventi-Konzern am gestrigen Montagabend erneut für Schlagzeilen. Der langjährige CEO Hermann Sommer und sein Finanzchef Victor Castro verlassen das Unternehmen wegen »unüberbrückbarer Differenzen« mit dem Aufsichtsrat. Das Ausscheiden Sommers und Castros wäre nicht so auffällig, wenn es ein Einzelfall wäre. Vielmehr aber haben sich die Entlassungen auf Spitzenebene der Noventi in den vergangenen Monaten gehäuft: Im Frühjahr verließ Vorstand Sven Jansen den Konzern, wenig später folgte der Software-Bereichsvorstand und für die Awinta-Reihe zuständige Mathias Schindl. Aber damit noch nicht genug: Auch Chef-Lobbyistin Manuela-Andrea Pohl, erst kurz zuvor von der Gehe gekommen, ist nicht mehr im Konzern tätig.

Neuausrichtung dringend nötig

Natürlich kann es sein, dass all diese Entlassungen auf Einzelfallentscheidungen zurückgehen. In dieser geballten Menge und in diesem kurzen Zeitraum können sie aber auch darauf hinweisen, dass es im Konzern gärt und dass an einer Neuausrichtung gefeilt wird. Hört man sich im Unternehmensumfeld der Noventi um, wird auch schnell klar, dass es gleich mehrere Gründe für eine solche Neuausrichtung gibt. Erstens leidet die Noventi derzeit gewissermaßen unter demselben E-Rezept-Kater, unter dem auch beispielsweise der Schweizer Zur-Rose-Konzern leidet. Gemeinsam mit anderen Unternehmen im Markt hat die Noventi Millionenbeträge in die Entwicklung von Produkten und Marketing-Aktivitäten investiert, die allesamt ein Thema fokussieren: das E-Rezept. Alleine im vergangenen Jahr hat der Konzern einen zweistelligen Millionenbetrag in die Plattform gesund.de investiert, die mit Blick auf die E-Rezept-Einführung eine der meistgenutzten Smartphone-Apps im Gesundheitsmarkt werden sollte. So lautete jedenfalls die Vision. Die Realität sieht aber anders aus: In Westfalen-Lippe testen gerade einmal 200 Praxen das neue Verordnungssystem mit Papierausdrucken. Davon, dass Millionen Menschen in Deutschland Apps zur Rezept-Einlösung verwenden, sind wir meilenweit entfernt.

Probleme im Kerngeschäft

Zweitens hat die Noventi in den vergangenen Jahren gleich mehrere Probleme im Kerngeschäft hinzubekommen. Die Integration vieler ehemaliger AvP-Kunden hat zwar gut funktioniert und konnte den Umsatz kurzfristig steigern. Aber im Hintergrund formieren sich schon die Direktabrechner, die das Geschäft der Rechenzentren grundsätzlich in Frage stellen und mit immer mehr Krankenkassen Verträge abschließen. Vor dem Hintergrund des steigenden Kostendrucks wäre es nicht verwunderlich, wenn immer mehr Apotheken sich künftig für diesen Weg entscheiden. Im PZ-Interview sagte Ex-CEO Hermann Sommer dazu, dass man den Apotheken künftig Sofort-Auszahlungen anbieten möchte, um auf den Konkurrenzdruck der Direktabrechner zu reagieren. Aber reicht das?

Zu hohe Investitionen ins Thema E-Rezept

Ähnlich verzwickt ist die Lage im Software-Bereich (Awinta). Die Noventi hatte versucht, die verschiedenen Awinta-Software-Linien zu verinheitlichen – ein Versuch, der scheiterte. Die Apotheken wollten schlichtweg an ihren Produkten festhalten. Dabei ist der Gedanke dahinter nachvollziehbar: Es ist einfach zu kostenintensiv, Entwickler für mehrere Software-Linien zu beschäftigen, wenn die Anforderungen an die Produkte alle ähnlich sind und sich in einer Sammel-Lösung zusammenfassen ließen. Hinzu kommen auch hier Herausforderungen mit dem E-Rezept: Der von Sommer vorgegebene E-Rezept-Schwerpunkt hat die Noventi auch in Sachen Software quasi per Zwang zum Innovationsvorreiter gemacht. Alle betriebenen E-Rezept-Projekte und -Tests haben Entwicklungszeit, Arbeitszeit und somit Geld gekostet. Man denke nur an die Entscheidung, allen Nicht-Awinta-Apotheken separate Laptops zur Verfügung zu stellen, nur damit diese am E-Rezept-Projekt der TK teilnehmen konnten. Wirklich Geld verdient hat die Noventi mit diesem Aufwand wahrscheinlich wenig.

Neue Doppelspitze muss Erfolg haben

Insofern dürfte es ein Ansinnen des Aufsichtsrates sein, dass sich die Unternehmensführung wieder darauf besinnt, Erfolg im Kerngeschäft herbeizuführen. Aus Apothekersicht kann man der neuen Doppelspitze Mark Böhm, schon vorher im Vorstand für Markt- und IT-Themen zuständig, und Frank Steimel (neuer CFO) viel Erfolg dabei wünschen. Denn Tausende Apotheken und somit ein gutes Stück der Arzneimittelversorgung in Deutschland hängen davon ab, dass die Noventi funktioniert. Der AvP-Niedergang hat gezeigt, welche immensen Auswirkungen der Zusammenbruch eines Dienstleisters haben kann – auf kleiner Ebene. Die Noventi sollte also schnellstmöglich Stabilität im Unternehmen anstreben, um die Apotheken nicht zu gefährden.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa