Was für Hormone spricht – und was dagegen |
Annette Rößler |
21.11.2024 18:00 Uhr |
Die Estrogenkomponente der HRT besteht heutzutage in der Regel aus 17-β-Estradiol, das transdermal verabreicht wird. / © Getty Images/BSIP/Universal Images Group
In der WHI seien als Estrogenkomponente noch Estrogene aus Stutenurin verwendet worden. Dies sei mittlerweile obsolet und das entsprechende Präparat Presomen® nicht mehr im Handel. »Wir arbeiten seit vielen Jahren überwiegend mit 17-β-Estradiol, das chemisch exakt dem natürlichen Estrogen entspricht«, sagte Schaudig. Dieses werde als Gel, Pflaster oder Spray über die Haut verabreicht – ein weiterer wichtiger Unterschied zu den früheren konjugierten equinen Estrogenen, die geschluckt wurden. Das Thrombose- und Schlaganfallrisiko, das bei oraler Anwendung der Estrogene deutlich erhöht war, steige bei der transkutanen Applikation überhaupt nicht oder nur minimal an.
Bei der Aufklärung zu einer möglichen HRT sei somit nur das mögliche Brustkrebsrisiko zu thematisieren. Dieses habe in der WHI-Studie nach fünf Jahren statistische Signifikanz erreicht: Nach diesem Behandlungszeitraum hatte es in der HRT-Gruppe drei zusätzliche Fälle von Brustkrebs auf 1000 Frauen gegeben. Die Studie wurde daraufhin abgebrochen, aber das erhöhte Risiko habe sich auch nach dem Abbruch weiter fortgesetzt.
Dass die Situation komplex sei, zeige sich jedoch daran, dass in der WHI-Studie bei Frauen ohne Gebärmutter, die ausschließlich Estrogen erhalten hatten, ein signifikant niedrigeres Brustkrebsrisiko festgestellt wurde. »Das lag vermutlich daran, dass in dieser Studie viele Teilnehmerinnen übergewichtig oder adipös waren und man durch eine Estrogentherapie einer Insulinresistenz entgegenwirkt«, sagte Schaudig. »Und wenn wir die Insulinresistenz verbessern, senken wir das Brustkrebsrisiko.« In der aktuell noch gültigen S3-Leitlinie zur Peri- und Postmenopause stehe daher sinngemäß, dass eine HRT das Brustkrebsrisiko leicht oder gar nicht erhöhen kann.
Bei der Abwägung der potenziellen Vor- und Nachteile einer HRT sei daher stets das Gesamtbild zu betrachten. So habe etwa eine schlanke Frau von einer HRT bezüglich der Insulinresistenz keinen Vorteil. Und auch andere Risikofaktoren müssten gesehen und wenn möglich adressiert werden: »Alkoholkonsum, Rauchen, Bewegungslosigkeit und Adipositas erhöhen das Brustkrebsrisiko jeweils viel mehr als eine HRT«, verdeutlichte Schaudig.
Nicht nur die WHI-Studie, sondern alle Studien hätten gezeigt, dass das Brustkrebsrisiko mit Estrogen alleine auf jeden Fall geringer sei, als wenn ein Gestagen dazugegeben wird. »Aber Frauen, die noch eine Gebärmutter haben, brauchen unbedingt Gelbkörperhormon, weil sie sonst ein hohes Risiko für Gebärmutterschleimhautkrebs haben – und da sind wir im Bereich von acht- bis zehnfach erhöhtem Risiko bei Langzeitanwendung«, stellte Schaudig klar. Auch bei den Gestagenen seien heute aber andere Substanzen gebräuchlich als noch zu Zeiten der WHI.
»Wir haben schon relativ viele Daten aus Beobachtungsstudien und wissen daher: Wenn wir als Gestagen mikronisiertes Progesteron einsetzen, das dem natürlichen im Eierstock produzierten Progesteron entspricht, oder Dydrogesteron, das man als kleine Schwester des Progesterons bezeichnen könnte, haben wir in Kombination mit Estrogen ein geringeres Brustkrebsrisiko als mit den alten Gestagenen.« Die absolute Risikoerhöhung sei mangels Daten nicht in konkreten Zahlen auszudrücken. Sicher sei jedoch, dass man die Brust regelmäßig kontrollieren müsse, wenn sich eine Frau für die Anwendung einer HRT entscheide.