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Wechseljahre

Was für Hormone spricht – und was dagegen

Eine Hormonersatztherapie kann Wechseljahresbeschwerden abmildern und darüber hinaus weitere gesundheitliche Vorteile bringen. Doch es gibt auch Argumente, die gegen eine Hormongabe sprechen. Welche Seite überwiegt, ist eine Einzelfallentscheidung.
Annette Rößler
21.11.2024  18:00 Uhr

Die Zeit des Übergangs von der fruchtbaren in die unfruchtbare Lebensphase geht bei vielen Frauen mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Beschwerden einher. Möglich sind zu Anfang vor allem Schlaf- und Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmung, Gelenk- oder Herz-Kreislauf-Beschwerden und Blutungsstörungen, im Verlauf dann auch Schweißausbrüche und Hitzewallungen, Scheidentrockenheit und sexuelle Unlust. Manchen Frauen bleibt dabei kaum etwas erspart, während andere relativ problemlos durch diese Zeit kommen – es ist eben individuell.

Weil das so ist, kann es auch keine Pauschalempfehlung für oder gegen eine Hormonersatztherapie (HRT) geben, wie kürzlich bei einer Online-Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Menopause Gesellschaft (DMG) deutlich wurde. Eine HRT besteht aus einem Estrogen und bei Frauen mit Uterus auch aus einem Gestagen. Die in den Wechseljahren stattfindenden Schwankungen und das Absinken des Estrogenspiegels gleicht eine HRT teilweise aus, was die entsprechenden Symptome abmildert.

Dr. Katrin Schaudig, Präsidentin der DMG und niedergelassene Gynäkologin in Hamburg, legte dar, welche Aspekte bei der Entscheidung für oder gegen eine HRT zu berücksichtigen sind. »Entscheidend ist der Leidensdruck der Frau«, betonte Schaudig. Sei dieser nicht vorhanden, bestehe in den allermeisten Fällen auch kein Anlass, zu einer HRT zu raten. Eine einzige mögliche Ausnahme sei denkbar: Frauen mit Osteoporose, die bereits mit 50 eine sehr geringe Knochendichte haben.

Schutz vor Osteoporose, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Das weibliche Geschlechtshormon Estrogen hält den Knochenauf- und -abbau in der Balance. Eine HRT stellt daher nachgewiesenermaßen einen Schutz vor Osteoporose dar. Auch ein Schutz vor Diabetes durch die HRT sei mittlerweile gut belegt, berichtete Schaudig: »Wir haben gute Daten, dass das Auftreten von Diabetes unter einer HRT um die Hälfte geringer ist.« Auch für einen gewissen Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei einem frühen Beginn einer HRT sei die Datenlage »relativ überzeugend«. Dies seien »gute Sekundäreffekte« einer HRT für Frauen, die unter menopausalen Beschwerden litten.

In der anderen Waagschale befinden sich die Risiken, die mit einer HRT verbunden sind, allen voran ein erhöhtes Brustkrebsrisiko durch die Hormongabe. Dieses trat in der großen Beobachtungsstudie Women’s Health Initiative (WHI), deren Ergebnisse 2002 im Fachjournal »JAMA« veröffentlicht wurden, erstmals zutage (DOI: 10.1001/jama.288.3.321). Allerdings hat sich seitdem die HRT weiterentwickelt, sodass die damaligen Ergebnisse auf die heutige Situation nicht 1:1 übertragbar sind.

Die HRT hat sich weiterentwickelt

In der WHI seien als Estrogenkomponente noch Estrogene aus Stutenurin verwendet worden. Dies sei mittlerweile obsolet und das entsprechende Präparat Presomen® nicht mehr im Handel. »Wir arbeiten seit vielen Jahren überwiegend mit 17-β-Estradiol, das chemisch exakt dem natürlichen Estrogen entspricht«, sagte Schaudig. Dieses werde als Gel, Pflaster oder Spray über die Haut verabreicht – ein weiterer wichtiger Unterschied zu den früheren konjugierten equinen Estrogenen, die geschluckt wurden. Das Thrombose- und Schlaganfallrisiko, das bei oraler Anwendung der Estrogene deutlich erhöht war, steige bei der transkutanen Applikation überhaupt nicht oder nur minimal an.

Bei der Aufklärung zu einer möglichen HRT sei somit nur das mögliche Brustkrebsrisiko zu thematisieren. Dieses habe in der WHI-Studie nach fünf Jahren statistische Signifikanz erreicht: Nach diesem Behandlungszeitraum hatte es in der HRT-Gruppe drei zusätzliche Fälle von Brustkrebs auf 1000 Frauen gegeben. Die Studie wurde daraufhin abgebrochen, aber das erhöhte Risiko habe sich auch nach dem Abbruch weiter fortgesetzt.

Dass die Situation komplex sei, zeige sich jedoch daran, dass in der WHI-Studie bei Frauen ohne Gebärmutter, die ausschließlich Estrogen erhalten hatten, ein signifikant niedrigeres Brustkrebsrisiko festgestellt wurde. »Das lag vermutlich daran, dass in dieser Studie viele Teilnehmerinnen übergewichtig oder adipös waren und man durch eine Estrogentherapie einer Insulinresistenz entgegenwirkt«, sagte Schaudig. »Und wenn wir die Insulinresistenz verbessern, senken wir das Brustkrebsrisiko.« In der aktuell noch gültigen S3-Leitlinie zur Peri- und Postmenopause stehe daher sinngemäß, dass eine HRT das Brustkrebsrisiko leicht oder gar nicht erhöhen kann.

Weitere Risikofaktoren berücksichtigen

Bei der Abwägung der potenziellen Vor- und Nachteile einer HRT sei daher stets das Gesamtbild zu betrachten. So habe etwa eine schlanke Frau von einer HRT bezüglich der Insulinresistenz keinen Vorteil. Und auch andere Risikofaktoren müssten gesehen und wenn möglich adressiert werden: »Alkoholkonsum, Rauchen, Bewegungslosigkeit und Adipositas erhöhen das Brustkrebsrisiko jeweils viel mehr als eine HRT«, verdeutlichte Schaudig.

Nicht nur die WHI-Studie, sondern alle Studien hätten gezeigt, dass das Brustkrebsrisiko mit Estrogen alleine auf jeden Fall geringer sei, als wenn ein Gestagen dazugegeben wird. »Aber Frauen, die noch eine Gebärmutter haben, brauchen unbedingt Gelbkörperhormon, weil sie sonst ein hohes Risiko für Gebärmutterschleimhautkrebs haben – und da sind wir im Bereich von acht- bis zehnfach erhöhtem Risiko bei Langzeitanwendung«, stellte Schaudig klar. Auch bei den Gestagenen seien heute aber andere Substanzen gebräuchlich als noch zu Zeiten der WHI.

»Wir haben schon relativ viele Daten aus Beobachtungsstudien und wissen daher: Wenn wir als Gestagen mikronisiertes Progesteron einsetzen, das dem natürlichen im Eierstock produzierten Progesteron entspricht, oder Dydrogesteron, das man als kleine Schwester des Progesterons bezeichnen könnte, haben wir in Kombination mit Estrogen ein geringeres Brustkrebsrisiko als mit den alten Gestagenen.« Die absolute Risikoerhöhung sei mangels Daten nicht in konkreten Zahlen auszudrücken. Sicher sei jedoch, dass man die Brust regelmäßig kontrollieren müsse, wenn sich eine Frau für die Anwendung einer HRT entscheide.

Progesteron: Orale oder vaginale Anwendung

Zur Anwendung von Progesteron sagte Schaudig: »Das kann man nicht transdermal geben, weil es auf diesem Weg nicht so gut aufgenommen und außerdem in der Haut bereits verstoffwechselt wird.« Deshalb werde Progesteron in aller Regel geschluckt. Bei oraler Anwendung werde der Wirkstoff teilweise hepatisch zu Allopregnanolon verstoffwechselt, das wiederum über zentrale GABA-Rezeptoren schlafanstoßend wirke. Daher erfolgt die Einnahme bevorzugt abends.

Der beste Schutz der Gebärmutterschleimhaut sei allerdings bei vaginaler Anwendung von Progesteron gegeben; diese sei mit den gebräuchlichen Weichkapseln auch möglich, stelle aber einen Off-Label-Einsatz dar. Vielen Frauen sei dies unangenehm, weil es zu Ausfluss führe. »Aber für die Patientin, die eine HRT ›so bio wie möglich‹ haben will, wäre das der Weg: Estrogen über die Haut und Progesteron vaginal.«

Prinzipiell könne Progesteron sequenziell gegeben werden, also jeweils zwei Wochen pro Monat. Dies imitiere den natürlichen Zyklus. Am Ende der Einnahme komme es dann zu einer Blutung. »Alternativ kann man das Gelbkörperhormon durchgehend geben in der Hoffnung, dass es dann keine Blutung gibt. Das klappt aber nicht immer.«

In der Perimenopause sei mit bioidentischen Hormonen oft keine gute Zykluskontrolle möglich. Denn in dieser Zeit sei eigentlich nicht ein Hormonmangel das Problem, sondern die starken Schwankungen der Eierstockfunktion. In dieser Phase führe eine Überstimulation der Eierstöcke durch die Hirnanhangdrüse und den Hypothalamus dazu, dass teilweise mehrere Eizellen hintereinander reifen. »Die Patientinnen haben dann paradoxerweise auch Phasen mit viel zu viel Estrogen, die sich mit Phasen mit viel zu wenig Estrogen abwechseln, während das Progesteron ein bisschen erratisch produziert wird.« Wenn bioidentische Hormone gegeben würden, seien diese Schwankungen weiter vorhanden, nur auf höherem Niveau. Ausgeglichen werden könnten sie in der Perimenopause oft nur durch synthetische Gestagene.

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