Was bleibt, was ist neu beim Screening? |
Brigitte M. Gensthaler |
28.05.2020 08:00 Uhr |
Frauen ab 35 haben jetzt alle drei Jahre Anspruch auf eine erweiterte Früherkennungsuntersuchung auf Gebärmutterhalskrebs. / Foto: Adobe Stock/rh2010
Mit Start des neuen Programms werden gesetzlich versicherte Frauen im Alter von 20 bis 65 Jahren von ihrer Krankenkasse alle fünf Jahre angeschrieben und über die Möglichkeit zur Teilnahme am Krebsfrüherkennungsprogramm informiert. Sie können die Untersuchungen aber auch unabhängig von diesem Anschreiben und über das 65. Lebensjahr hinaus in Anspruch nehmen, betont der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Was bleibt gleich? Alle Frauen ab 20 Jahren haben weiterhin jährlich Anspruch auf eine klinische Untersuchung mit Anamnese, gynäkologischer Tastuntersuchung, Inspektion der genitalen Hautregion und Abtasten der Brust.
Was ändert sich? Die Untersuchung unterscheidet sich nun nach dem Alter der Frau. Frauen zwischen 20 und 34 Jahren können wie bislang einmal jährlich eine zytologische Untersuchung mittels Pap-Test (Dünnschichtzytologie; benannt nach dem griechischen Gynäkologen George Papanicolaou) wahrnehmen. Dabei wird ein Zellabstrich vom Gebärmuttermund und -hals entnommen und auf Dysplasien (Cervical Intraepithelial Neoplasia, CIN) untersucht. Bei auffälligem Befund kann sich weitere Diagnostik anschließen, zum Beispiel eine erweiterte Zytologie, ein Test auf genitale Infektionen mit HP-Viren oder eine Kolposkopie (Spiegelung) des Gebärmutterhalses. Vor allem hochgradige CIN können sich zu einem Zervixkarzinom weiterentwickeln und sollten daher operativ entfernt werden.
Frauen ab 35 Jahren werden künftig nur alle drei Jahre zur »Vorsorge« eingeladen, die aber einen Kombitest umfasst. Bei der Kombinationsuntersuchung wird der vaginale Abstrich sowohl auf HP-Viren (HPV-Test) als auch auf Zellveränderungen (Pap-Test) untersucht. Auffällige Befunde werden weiter abgeklärt, zum Beispiel durch eine weitere Ko-Testung oder eine Spiegelung des Gebärmutterhalses. Der G-BA weist in einer Versichertenbroschüre ausdrücklich darauf hin, dass zusätzliche Tests (IGeL-Leistungen) keine Vorteile bringen, aber das Risiko für Überbehandlungen erhöhen.
Eine Auswertung des »English Cervical Screening Programme« hatte 2019 gezeigt, dass das HPV-basierte Screening im Vergleich zur alleinigen Zytologie die Detektionsraten der zweit- und drittgradigen Krebsvorstufen sowie von Zervixkarzinomen um 40 beziehungsweise 30 Prozent erhöht. Die sehr niedrige Inzidenz von CIN Grad 3 und höher nach drei Jahren begründe ein längeres Screening-Intervall, schreiben die Autoren.
Fast 100 Prozent der Zervixkarzinome werden durch humane Papillomaviren (HPV) verursacht. Die Impfung, eventuell sogar die einmalige Immunisierung, schützt zuverlässig vor einer Neuinfektion. Zudem lässt sich die Entwicklung eines Tumors – ähnlich wie bei Darmkrebs – verhindern, wenn Präkanzerosen (CIN) frühzeitig entdeckt und operativ entfernt werden. Eine besseres Screenings schützt daher auch Frauen, die nicht geimpft sind.
Laut Krebsdaten des Robert-Koch-Instituts erkrankten in Deutschland 2016 etwa 4380 Frauen an einem Zervixkarzinom. Das mittlere Erkrankungsalter beim invasiven Karzinom beträgt 55 Jahre. Das sehr viel häufigere In-situ-Karzinom wird meist bei der Früherkennung bei im Mittel um 20 Jahre jüngeren Frauen entdeckt. Jährlich sterben in Deutschland etwa 1590 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, vor 30 Jahren waren es mehr als doppelt so viele. Die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate nach der Diagnose eines invasiven Tumors liegt derzeit bei 67 Prozent.
Studien und Modellrechnungen zeigen, dass das Ziel der Weltgesundheitsorganisation – die weltweite Eliminierung des Zervixkarzinoms – erreichbar ist. Dazu sollten bis zum Jahr 2030 mindestens 90 Prozent der Mädchen im Alter von 15 Jahren gegen HPV geimpft sein, 70 Prozent der Frauen sollten zweimal in ihrem Leben untersucht worden sein und die Compliance-Rate bei einer Behandlung sollte bei 90 Prozent liegen.