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Apothekenteam

Warum eine gemeinsame Fehlerkultur so wichtig ist

Fehler sind menschlich, können im Arzneimittelbereich aber mitunter fatal sein. Um Fehler zu vermeiden, erfordert es kollektive Achtsamkeit, sowohl zwischen Apotheke und Arztpraxis als auch innerhalb des Apothekenteams.
Daniela Hüttemann
03.11.2022  16:00 Uhr
Warum eine gemeinsame Fehlerkultur so wichtig ist

Fehler können passieren, auch im Gesundheitswesen. »Derselbe Fehler sollte nur nicht zweimal passieren«, erklärte Mark Friedrich, kaufmännischer Geschäftsführer der Ärztekammer Westfalen-Lippe, den Grundgedanken des »Critical Incident Reporting Systems« beim CIRS-NRW-Gipfel am gestrigen Mittwoch in Münster.

Das CIRS-Netzwerk NRW besteht nun seit zehn Jahren. Seit 2019 sind auch die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe offiziell dabei – »aus ärztlicher Sicht ein großer Gewinn«, betonte Friedrich bei der gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung. Denn Fehler im Gesundheitswesen passierten oft an Schnittstellen wie stationär und ambulant oder auch Arztpraxis und Apotheke. »Wichtig ist, transparent und ohne Schuldzuweisung mit solchen Fehlern umzugehen, und zwar sektoren- und berufsgruppenübergreifend«, so Friedrich. Genau das ist die Zielsetzung des CIRS-Netzwerks: Gemachte Fehler anonym melden, damit alle daraus lernen können. »Das ist nichts für Einzelkämpfer, hier sind Teamplayer gefragt«, betonte der Ärztevertreter.

Anfangs hatte es aber wohl Bedenken gegeben, die Apotheker mit ins Boot zu holen, berichtete Dr. Hannes Müller, Vorstandsmitglied der AKWL, in einem Grußwort. Die Mediziner fürchteten, die Apotheker würden das CIRS-Portal zu intensiv für Beschwerden über Ärzte nutzen – »das war aber nicht der Fall«, betonte Müller. 2016 errichteten die beiden Apothekerkammern NRWs zunächst ihr eigenes Portal »CIRS Pharmazie«. Als die Ärzte sahen, dass auch dort durchaus konstruktiv und reflektiert gemeldet wurde, beschloss man, die Apotheker doch in ein gemeinsames CIRS-Netzwerk zu integrieren.

Besser hinsehen und nachfragen

»Ich erlebe jeden Tag, wie wichtig der offene Austausch über Fehler ist«, erzählte Müller aus seinem Alltag als Filialleiter. »Wir müssen uns bewusst sein, dass Fehler überall möglich sind, und uns darüber austauschen, ob im Apothekenteam oder mit anderen Akteuren.« Müller habe selbst schon durch das Lesen der Fallberichte gelernt und nannte zwei Beispiele:

  1. Ein Arzt verordnet 100 mg Torasemid, bislang hat der Patient aber laut Apotheken-Kundendatei immer 10 mg des Diuretikums erhalten. Hier hatte sich eine Null zu viel eingeschlichen und durch Nachfragen der Apotheke konnte eine zehnfache Überdosis verhindert werden.
  2. »Aber auch wir Apotheker sind nicht frei von Fehlern«, so Müller zu seinem zweiten Beispiel: Eine Patientin wollte ein nicht verschreibungspflichtiges Mittel gegen Husten. Daraufhin verkaufte die Apotheke ohne groß nachzuhaken einen Hustenlöser. Später kam die Patient mit einem Rezept für einen Protonen-Pumpen-Inhibitor – der Hustenreiz war durch einen Säurereflux ausgelöst worden. »Hier hätte man in der Beratung genauer nachfragen müssen«, befand Müller.
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