Warum die Forschung weiter auf Naturstoffe setzen sollte |
Daniela Hüttemann |
22.04.2025 18:00 Uhr |
In jeder heimischen Bodenprobe lassen sich noch neue Bakterienarten und Naturstoffe entdecken. / © Getty Images/Cavan Images
Antibiotika wie das Penicillin werden oft als erstes genannt, wenn es um Naturstoffe geht, die als Arzneistoffe genutzt werden. Sie sind allerdings größtenteils schon ziemlich in die Jahre gekommen. Zuletzt hat die Forschung bei den Antibiotika eher variiert als gänzlich neue Wirkstoffklassen entwickelt. Bei einem Workshop der Paul-Martini-Stiftung empfahlen Forschende, für die Suche nach neuen therpeutisch nutzbaren Substanzen wieder mehr auf Naturstoffe zu setzen.
»Bakterien hatten zwei Milliarden Jahre lang die Erde ganz für sich allein«, erklärte Professor Dr. Helge Bode. »Sie hatten alle Zeit der Welt, alle möglichen Substanzen zu entwickeln und zu optimieren.« Bode ist Direktor der Abteilung »Naturstoffe in organismischen Interaktionen« am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg.
Die Erde ist etwa 4,6 Milliarden Jahre alt. Bakterien entstanden vermutlich vor etwa 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahren und blieben erst einmal gut 2 Milliarden Jahre allein, bevor die ersten Mehrzeller entstanden. Wie immens diese Zeitspanne ist, verdeutlichte Professor Dr. Helge Bode anhand eines Zollstocks. Der Homo sapiens tritt darauf übrigens weniger als Millimeter vor dem Ende auf. / © PZ
Was wir heute als Naturstoffe bezeichnen, haben Bakterien schon früh produziert, um sich gegen ihre Konkurrenz durchzusetzen und sich an ihren Lebensraum anzupassen. Vielfach sei die Funktion von Naturstoffen noch nicht verstanden – und die Stoffe könnten daher auch nicht genutzt werden, so Bode. Dieser Theorie nach könnte es jeden brauchbaren Wirkstoff schon geben – der Mensch ist nur noch nicht in der Lage, ihn zu finden.
»In der Vergangenheit haben wir vor allem dort gesucht, wo es einfach ist, gewissermaßen dort, wo Licht ist. Entweder brauchen wir also mehr Licht oder wir müssen andere Methoden verwenden.« Bode glaubt, dass Forschende sich mehr mit mikrobieller Ökologie beschäftigen sollten – wie leben die Organismen, in welchen Gemeinschaften, wozu produzieren sie welche Stoffe? »Das klingt vielleicht nicht sexy, ist aber Grundlagenforschung mit absoluter Relevanz für jedes Lebewesen.«
Manche Substanzen bildeten Organismen nur in ganz bestimmten Situationen, etwa zur Verteidigung oder zur Kommunikation untereinander. Auch sei bei manchen Bakterienarten zu berücksichtigen, dass sie in der Natur in Symbiosen leben, etwa mit bodenlebenden Fadenwürmern, mit denen zusammen sie beispielsweise Insektenlarven töten. Diese Stoffe könnten vielversprechende Immunsuppressiva gegen entzündliche Erkrankungen darstellen.