Wann und wie Alzheimer diagnostiziert wird |
Christina Hohmann-Jeddi |
20.09.2024 16:20 Uhr |
»Die Alzheimer-Diagnostik ist sehr umfangreich und aufwendig«, sagt Thienpont. Meist seien mehrere Termine notwendig. Zuerst werden in einem anamnestischen Gespräch der Allgemeinzustand des Patienten, die neurologischen Symptome, körperlichen Beschwerden und die aktuelle Medikation erfasst. Um die kognitiven Funktionen zu prüfen, gibt es verschiedene neuropsychologische Tests.
Üblich ist etwa der sogenannte Uhrentest, bei dem Patienten das Ziffernblatt mit einer bestimmten Uhrzeit aufmalen sollen und der die Visuokonstruktion prüft. Etwas aufwendiger ist der Demtect-Test, der in knapp zehn Minuten das Gedächtnis, die Wortflüssigkeit und die Aufmerksamkeit untersucht. »Die Aufgaben sind für gesunde Personen sehr einfach, Patienten mit Demenzerkrankungen bereiten sie aber Schwierigkeiten.« Für den Untersuchenden ist es auch hilfreich, wenn Angehörige eine Fremdeinschätzung etwa zur Alltagskompetenz oder möglicher Verhaltensänderungen des Betroffenen geben können.
Um andere Ursachen für kognitive Defizite auszuschließen, werden in einem weiteren Schritt verschiedene Parameter aus dem Blut bestimmt. Zu nennen sind hier etwa der Blutzucker, Vitamin-B12-Spiegel, die Schilddrüsenwerte und Elektrolyte. So können etwa Probleme mit der Schilddrüsenfunktion, ein Diabetes oder Vitamin-B12-Mangel, die ebenfalls die kognitiven Funktionen stören können, ausgeschlossen werden. Zur Abgrenzung einer Depression, die klinische Ähnlichkeiten aufweist, bietet sich ein spezieller Depressionsfragebogen an. Auch die Medikation wird geprüft, um mögliche arzneimittelbezogene Probleme zu erkennen.
Weisen die Ergebnisse der neuropsychologischen Tests auf eine mögliche Demenz hin und wurden andere Ursachen für kognitive Defizite ausgeschlossen, werde immer eine Bildgebung durchgeführt, also eine Aufnahme des Kopfes mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT). In diesen Aufnahmen ließen sich weitere mögliche Ursachen für Aufmerksamkeits- oder Gedächtnisprobleme wie Durchblutungsstörungen oder Hirntumoren erkennen und charakteristische Auffälligkeiten für eine Demenzerkrankung identifizieren. Für Alzheimer seien etwa ein Volumenrückgang des Hippocampus und die Ausweitung der Hohlräume (Ventrikel) im Gehirn typisch.
Bislang nicht erstattet wird eine Positronen-Emissions-Tomografie (PET), die schädliche Proteinablagerungen wie die für Alzheimer typischen Amyloid-Plaques oder Anhäufungen von α-Synuclein-Protein, die auf die Lewy-Körperchen-Demenz hinweisen, sichtbar machen kann. In der S3-Leitlinie »Demenz« werden die PET-Scans zur Abklärung unklarer Fälle bereits empfohlen.
Dr. Linda Thienpont ist stellvertretende Geschäftsführerin der Alzheimer Forschung Initiative. / Foto: Sabrina Weniger
Zur Sicherung der Diagnose Alzheimer könne noch eine Lumbalpunktion durchgeführt, also Liquor aus dem Rückenmark entnommen werden, berichtet Thienpont. Im Nervenwasser bestimme man die Konzentrationen der für die Alzheimer-Pathologie charakteristischen Proteine β-Amyloid und Tau, was Rückschlüsse auf deren Spiegel im Gehirn ermöglicht.
Das Gesamtbild all dieser Untersuchungen führe dann am Ende zu einer relativ sicheren Diagnose, so die Expertin. »Während man noch vor 15 oder 20 Jahren sagte, dass eine Alzheimer-Erkrankung erst nach dem Tod – anhand von Gehirnobduktionen – sicher diagnostiziert werden kann, ist das heute nicht mehr der Fall.« Die Diagnoseverfahren seien in den vergangenen Jahren deutlich verbessert worden.
Bei der Übermittlung der Diagnose sei es ausgesprochen wichtig, einfühlsam auf den Patienten einzugehen. Gegebenenfalls könne eine medikamentöse Therapie mit Antidementiva gestartet werden, die zwar nicht die Neurodegeneration stoppen können, aber die kognitiven Funktionen stärken sollen. Zudem kann über nicht medikamentöse Optionen wie Ergotherapie, Logopädie oder Musiktherapie beraten werden.