Wann bekommt wer einen Migräne-Antikörper? |
Daniela Hüttemann |
16.12.2019 15:00 Uhr |
Standard der medikamentösen Migräne-Prophylaxe waren und sind Betablocker, Calciumkanalblocker, Antikonvulsiva und Amitriptylin, betonen die Fachgesellschaften. »Viele Patienten sind gut mit den herkömmlichen Therapien einzustellen und erleiden unter der Medikation deutlich weniger Migränetage«, erklärt DGN-Pressesprecher Professor Dr. Hans-Christoph Diener. Es sei wenig sinnvoll, diese Patienten auf neue Präparate umzustellen, nur weil sie neu sind. »Im Vergleich zu den herkömmlichen Therapieoptionen sind die Antikörper nicht wirksamer, verschaffen also prinzipiell nicht mehr anfallsfreie Tage, auch addieren sich die Wirkungen von verschiedenen Substanzklassen nicht auf«, so Diener.
Darüber hinaus hätten die neuen Antikörper das Manko, dass fast ein Drittel der Migränepatienten von vorneherein gar nicht auf sie ansprechen. Bei den Patienten, die darauf ansprechen, wirkten sie jedoch sehr gut und seien auch gut verträglich, wie die Zulassungsstudien gezeigt hätten. Ärzte sollten aber regelmäßig hinterfragen, ob die Weiterverordnung noch angemessen sei.
»Nach sechs bis neun Monaten sollte die Antikörpertherapie pausiert und eine Fortführung erst wieder erwogen werden, wenn sich eine Verschlechterung einstellt«, so Migräneexperte Diener. Die neue Leitlinienergänzung enthalte einen klaren Therapiealgorithmus, der allen Behandlern eine rasche Orientierung biete und dafür sorge, dass bei bestmöglicher Wirtschaftlichkeit jeder Patient optimal versorgt ist.
Die Antikörper können eine Option für Migränepatienten mit Komorbiditäten sein, bei denen die herkömmlichen Medikamente zur Prophylaxe kontraindiziert sind. So sollten laut DGN und DMKG Betablocker zum Beispiel nicht bei Menschen mit Asthma eingesetzt werden. Calciumkanalblocker seien bei Schwangerschaft oder Depressionen kontraindiziert. Antikonvulsiva dürften nicht bei Leberfunktionsstörungen oder Niereninsuffizienz verordnet werden. Amitriptylin sei kontraindiziert bei Herzinsuffizienz, Grünem Star oder gutartiger Vergrößerung der Prostata.
»Die Behandlung mit Botulinumtoxin, die noch relativ neu ist und nur bei Patienten mit chronischer Migräne zur Prophylaxe angezeigt ist, kann nicht bei Menschen mit Myasthenia gravis, einer autoimmun vermittelten Muskelschwäche, verschrieben werden«, heißt es zudem in der Pressemitteilung. Aufgrund der vasodilatativen Wirkung von CGRP wird der Substanz eine Schutzfunktion im Körper, etwa im Herz-Kreislauf-System, zugeschrieben. Daher sollten Ärzte bei der möglichen Verordnung der neuen Antikörper Begleiterkrankungen des Patienten mitberücksichtigen.