| Annette Rößler |
| 10.05.2023 18:00 Uhr |
Ältere Männer mit Übergewicht und Typ-2-Diabetes könnten Kandidaten für eine Add-on-Therapie mit einem PDE5-Hemmer sein, falls sich die Ergebnisse einer Pilotstudie aus Schweden bestätigen. / Foto: Getty Images/Jakovo
Tadalafil (Cialis®, Adcirca® und Generika) bildet zusammen mit Sildenafil (Viagra®, Revatio® und Generika), Vardenafil (Levitra® und Generika) und Avanafil (Spedra®) die Gruppe der selektiven Hemmstoffe der Phosphodiesterase Typ 5 (PDE5). Bekannt geworden sind diese Wirkstoffe als Potenzmittel, denn die Hemmung der PDE5 bewirkt eine Gefäßerweiterung insbesondere im Schwellkörper des Penis, wodurch es bei sexueller Erregung zur Erektion kommt. Sildenafil und Tadalafil sind darüber hinaus auch bei pulmonaler arterieller Hypertonie (PAH) zugelassen; die Wirkung in dieser Indikation beruht auf einer Weitung von Lungengefäßen.
Von den PDE5-Hemmern hat Tadalafil mit 17,5 Stunden die längste Wirkdauer. Es kann daher als einziger Arzneistoff dieser Klasse bei erektiler Dysfunktion (ED) nicht nur bei Bedarf, sondern alternativ auch kontinuierlich einmal täglich gegeben werden. Bei PAH wird die einmal tägliche Einnahme von 40 mg Tadalafil empfohlen. Das ist eine deutlich höhere Dosis als bei ED (10 bis 20 mg bei Bedarf beziehungsweise 2,5 bis 5 mg einmal täglich).
Wegen der langen Wirkdauer hatte eine Gruppe um Emanuel Fryk von der Sahlgrenska-Akademie der Universität Göteborg in Schweden Tadalafil für eine Pilotstudie mit Typ-2-Diabetikern ausgewählt: Die Forscher wollten testen, wie sich die einmal tägliche Gabe von 20 mg Tadalafil auf die Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetes (T2D) auswirkt. Der Ausgangspunkt dieser Untersuchung seien frühere Studienergebnisse gewesen, die positive vaskuläre und metabolische Effekte von PDE5-Hemmern bei Menschen mit T2D gezeigt hätten, schreibt das Team im Fachjournal »eClinicalMedicine«, das zur »Lancet«-Gruppe zählt.
An der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie an der Sahlgrenska-Universitätklinik nahmen 23 Personen mit T2D teil, von denen 18 für die Analyse berücksichtigt wurden. Dies waren zwölf Männer ohne offensichtliche ED und sechs postmenopausale Frauen. Alle Probanden erhielten in zufälliger Reihenfolge jeweils sechs Wochen lang entweder Tadalafil oder Placebo. Dazwischen lag eine Auswaschphase von acht Wochen. Am Ende jeder Behandlungsperiode wurden die Teilnehmer gründlich durchgecheckt mit unter anderem Messungen zur Insulinresistenz, zur Körperzusammensetzung und von metabolischen Blutmarkern.
Entgegen den Erwartungen der Autoren hatte die Gabe von Tadalafil auf die Insulinresistenz der Teilnehmer keinen Einfluss. Zu beobachten war allerdings ein deutlich positiver Effekt auf den HbA1c-Wert: Dieser sank unter der Behandlung mit dem PDE5-Hemmer um durchschnittlich 2,5 mmol/mol. »Das ist eine sehr deutliche Verbesserung des Langzeitblutzuckers, die wir uns nach nur sechswöchiger Zusatzbehandlung bei Patienten mit gut eingestelltem Typ-2-Diabetes nicht hätten träumen lassen«, ordnet Seniorautor Professor Dr. Per-Anders Jansson das Ergebnis ein. Der Effekt sei vergleichbar mit dem von neuen Arzneistoffkandidaten, die bei T2D getestet werden.
Möglicherweise lässt sich die beobachtete Wirkung auf den HbA1c-Wert auf eine Erhöhung der Glykolyse und der peripheren Glucoseaufnahme unter Tadalafil zurückführen, für die die Forscher Belege fanden. Zudem verbesserte sich unter dem PDE5-Hemmer die Endothelfunktion und die Alanin-Aminotransferase (ALT), ein Marker für eine Fettlebererkrankung (Steatose), sank. Nebenwirkungen von Tadalafil waren Muskelschmerzen, Dyspepsie und Kopfschmerzen.
Aus Sicht der Autoren könnte sich Tadalafil durchaus als Add-on-Therapeutikum für Typ-2-Diabetiker eignen, insbesondere für Männer mit Erektionsproblemen. Mehr als 70 Prozent der übergewichtigen Männer mit T2D entwickelten eine ED, heißt es in einer Mitteilung der Universität Göteborg. Das Ergebnis dieser Pilotstudie müsse jedoch zuvor in Untersuchungen mit mehr Teilnehmern und längerer Beobachtungsdauer bestätigt werden.