Virchowbund will Arztpraxen mittwochs schließen |
Cornelia Dölger |
04.01.2023 10:35 Uhr |
Künftig mittwochs zu? Laut Virchowbund könnten Niedergelassene damit »ein Zeichen setzen«. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
Überbordende Bürokratie, ein budgetiertes Finanzierungssystem, Inflation, explodierende Energiepreise, gestrichene Extravergütung bestimmter Leistungen, zu geringe Honorare: Die Liste der Gründe, warum Arztpraxen künftig anstatt an fünf nur noch an vier Tagen pro Woche geöffnet sein sollten, ist lang – zumindest aus Sicht des Virchowbunds, der mit dieser Forderung am heutigen Mittwoch für Aufsehen sorgt. Wie der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte verlauten ließ, sollen Niedergelassene künftig nur noch an Montagen, Dienstagen sowie donnerstags und freitags öffnen und den Mittwoch komplett »zur Bewältigung der Bürokratie und zur Fortbildung« nutzen. Die Versorgung von Akutfällen könne an diesen Tagen, wie auch an Wochenenden, der ärztliche Bereitschaftsdienst übernehmen, heißt es in dem Schreiben.
Fakt sei, dass Niedergelassene inzwischen durchschnittlich an 61 Tagen pro Jahr mit Bürokratie und Verwaltung beschäftigt seien, was neben Arbeitszeit auch Personal binde. Insofern seien Praxisschließungen an bestimmten Tagen »auch als Zeichen gegen die immer stärker ausufernde Bürokratie in den Arztpraxen und als Mittel gegen den Fachkräftemangel« zu verstehen, schreibt der Virchowbund und führt weitere Gründe an, die aus seiner Sicht für einen solchen Schritt sprechen.
So könne »eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich« den Beruf der medizinischen Fachangestellten (MFA) attraktiver und Praxen »wieder zu nachgefragten Arbeits- und Ausbildungsplätzen« machen, argumentiert die Vereinigung. Aktuell leiden demnach 75 Prozent der haus- und fachärztlichen Praxen unter dem Fachkräftemangel, weil etwa die Krankenkassen ausgebildete MFA mit deutlich höheren Gehältern abwerben würden. MFA hätten bislang keinen staatlichen Corona-Bonus erhalten.
Zudem sei die Konzentration auf eine Vier-Tage-Woche hinsichtlich Budgetierung und Unterfinanzierung ein »wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen Praxisführung und Kostensenkung«. Damit könnten Praxen die hohen Energiekosten abfangen; schließlich bekämen sie anders als Kliniken kein staatliches Hilfspaket. Nicht zuletzt sei eine Vier-Tage-Woche familienfreundlicher und mache den Beruf attraktiver, insbesondere gegenüber einer Anstellung im Krankenhaus. »Die politische Untätigkeit und Fehlsteuerung der letzten Jahrzehnte zwingt die Ärzteschaft die Notbremse zu ziehen«, kritisiert der Virchowbund-Bundesvorsitzende Dirk Heinrich in dem Schreiben. »Andernfalls drohen noch schlimmere Folgen, auch für die Patienten.«
Unklar ist, welche Konsequenzen ein solcher Schritt hätte und ob er überhaupt rechtlich möglich und organisatorisch umsetzbar wäre. Den Bereitschaftsdienst für mittwochs einfach auf den telefonischen Bereitschaftsdienst umzuschalten, dürfte sicherlich nicht ausreichen. Klar ist, dass die Niederlassung und Ausübung der Praxis eng an die Angabe von Sprechzeiten gekoppelt ist. Für Vertragsärztinnen und -ärzte gelten unter anderem die Anforderungen der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) und des Bundesmantelvertrages (BMV-Ä).
Der Virchowbund vertritt nach eigenen Angaben die Interessen der bundesweit rund 144.000 Haus- und Fachärzte. Im Gegensatz zu anderen Ärztevereinigungen ist er mit rund 12.000 Mitgliedern ein recht kleiner Verbund. Zum Vergleich: Der Marburger Bund, der angestellte Medizinerinnen und Mediziner vertritt, hat mit 130.000 Mitgliedern mehr als zehnmal soviele Mitglieder.